Kapitel 1

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Chris POV

"Wir haben es geschafft. Das ist das letzte Schuljahr! Ich sag dir: DAS wird das beste Jahr unseres Lebens", sagte ich zu meinem besten Freund Adrian, der neben mir seine Bücher aus dem Schließfach holte, während ich an den Fächern lehnte und das Treiben im Gang beobachtete. "Alter, hast du vergessen, wer wir sind?", schaute er hinter der Tür hervor, "Wir sind noch uncooler als Popel-Peter." Und irgendwie hatte er damit Recht.

Er deutete damit auf einen dürren Jungen, dessen bleiches Gesicht Sommersprossen und eine etwas schief sitzende Brille zierten. Während mein Blick noch an ihm festhielt, spürte ich, wie Adrian mich von der Seite in den Arm zwickte.

"Lass uns abhauen, man. Der Schwarm kommt vorgeschwommen.", sagte er und seine Stimme barg einen genervten Unterton, "Prinzessin Laura und ihre Gefolgschaft auf drei Uhr." Für uns war das eine Art Insider. Den 'Schwarm' bezeichneten wir als die Traube der coolen Leute hier an der Schule. Mein Blick schwiff zu Laura und dort blieb er auch einige Augenblicke hängen. 

Sie hatte wunderschöne blonde gelockte Haare und lange glänzende Beine. Wahrscheinlich, weil sie sich sie vorher eingecremt hatte - das hab ich mal in so einer Frauenzeitschrift gelesen. Zudem war sie das einzige Mädchen an der gesamten Schule, die nicht mit 50 Kilo Make-Up, langen Gelfingernägeln und Fake-Wimpern herum lief. Ich glaube, dass ich wirklich aufhören sollte solche Zeitschriften zu lesen.

Ich zuckte etwas zusammen, als Adrian seine Schließfachtür mit einem deutlich zu hörenden Knall schloss. "Chris, man, du starrst schon wieder.", riss er mich aus meinem Tagtraum. "Sehe ich da etwas Sabber in deinem Mundwinkel?", lachte er mich an, "Alter, du solltest sie dir schleunigst aus dem Kopf schlagen. Das einzige, für was sie sich interessiert, ist ihre Beliebtheit und ihre Instagram Follower! Laura spielt in einer ganz anderen Liga! Das einzige Stoßen, was es jemals zwischen euch geben wird, ist Abstoßung! Ihr seid wie zwei Minuspole." "Aber Minus... und Minus... gibt doch auch Plus?", schmunzelte ich ihn an. "Chris..., versuchst du gerade mich oder dich zu überzeugen?", legte er mir seine Hand auf die Schulter, "Nicht in diesem Leben, man." "Naja...", atmete ich tief durch, "Wir sehen uns dann in Physik."

Ich schaute Adrian noch einen Augenblick hinterher, während ich mir seine Worte nochmals durch den Kopf gehen lies. Recht hatte er - ohne Zweifel, aber will ich das wirklich akzeptieren? Ich wollte die Frage nie beantworten und dachte, dass ich es auch nicht muss. Ich wollte dieser Frage immer aus dem Weg gehen, aber genau dadurch beantwortete ich sie mir selbst. Die Antwort lautete immer 'Ja.', die ganzen Jahre über habe ich diese Frage immer gleich beantwortet, auch dieses Schuljahr schien das nicht anders zu werden.

Ich wollte mich gerade auf in meine nächste Stunde machen, als ich über etwas stolperte. Meine Bücher flogen über den rutschigen Gang und ich hörte nur das Gelächter um mich herum. Ich blickte auf und sah, wie jedes Augenpaar des Schwarms auf mich gerichtet war. "Soll ich dir aufhelfen?", ertönte Lauras Stimme. Ich sah sie einen Moment lang an und wollte gerade meinen Mund öffnen, doch da fing sie wieder an zu lachen und sagte:"Pff, träum' weiter!" Ich raffte mich auf und wollte gerade meine Bücher vom Boden aufheben, doch einer ihrer Gefolgsleute und neuerdings auch Freund - zumindest laut seinem Instagram Account -, Dustin, kickte mein Geometriebuch an das andere Ende des Ganges. Dustin war dieser typische Junge, den es an jeder Schule gab: beliebt, sportlich und gutaussehend, trotzdem waren seine Muskeln immer noch größer als sein IQ.

Laura POV

Ich lachte über den Jungen im Flur. Doch irgendwie tat er mir Leid, wie er da so auf dem Boden lag und die Blicke aller im Gang ihn demütigten. Immerhin wohnt er mir seit 8 Jahren gegenüber und ich kannte nicht einmal seinen Namen. Ich wollte nicht über ihn lachen, sondern ihm wirklich aufhelfen. Doch ich spürte auch die Blicke, die auf mich gerichtet waren, in meinem Nacken und musste den Schein wahren. Ich wollte meine Beliebtheit nicht wegen eines Typen aufs Spiel setzen. Tatsächlich war es trotzdem Tag für Tag schwer nicht aus der Rolle zu fallen.

Dustin musste es natürlich wieder übertreiben, als hätte er so schon nicht genug Demütigung erfahren. Wahrscheinlich hatte er ihm das Bein gestellt. Ich war so wütend auf Dustin, verzog aber gleichzeitig keine Miene. Wir gingen weiter den Gang entlang und ließen den brillentragenden Jungen in seinem Streber Pullover zurück. Ich fand schon immer Gefallen an seinen dunkelbraunen Haaren, seinem süßen Lächeln und seinen meerblauen Augen, die hinter seiner Brille versteckt waren.

"Meine Mutter und mein Vater veranstalten dieses Wochenende ihre Wohltätigkeitsgala.", verkündigte Marie, eine meiner Freundinnen, und teilte uns die Karten aus, "Achja und eins noch, vergesst eure Masken nicht.", und zwinkerte uns zu. Maries Eltern waren so wahnsinnig reich, aber als Intelligenz verteilt wurde, haben meine Freunde nicht wirklich etwas davon abbekommen, vor allem Dustin und Marie nicht. Marie kümmerte sich nur um ihre Schuhe und darum, dass ihr Haare den ganzen Tag über in Position blieben und Dustin; der prahlt den ganzen Tag nur mit seinen Muskeln und versucht mich damit zu beeindrucken. Als ob mich so etwas beeindrucken würde...

Für mich war es jetzt wieder Pflicht zu diesem Ball zu erscheinen, obwohl ich mich am Wochenende lieber in meinem Bett, mit einem guten Film auf Netflix und meinem Kater vergraben hätte. Irgendwie war es teilweise sehr hart ständig und überall alles zu machen, was andere von einem verlangen, aber so war mein Leben nun einmal. Der einzige Ort, wo ich wusste, dass ich 100% ich selbst sein konnte, waren die ganzen Gaming Portale, aber sobald das meine Freunde heraus bekommen würden, wäre ich das Gespött der Schule, so wie der Junge, den sie im Gang in die Mangel genommen hatten. So wollte ich bestimmt nicht enden.

 "Und gehst du mir mit zum Gala?", zog mich Dustin an der Hüfte kurz zur Seite. Ich bekam Panik, weil ich wirklich mit jedem Menschen lieber dort hin gehen wollte, abgesehen von ihm. Ich schaute unauffällig zur Seite und hoffte, dass ich irgendwas fand, womit ich ihn vom Thema ablenken konnte. Die Klingel für die nächste Stunde läutete - zum Glück! Das war meine Rettung.
"Ich muss jetzt los, wir sehen uns nachher.", warf ich ihm ein gespieltes Lächeln hinter her und hoffte, dass ihn das erstmal zufrieden stellte.

Another Cinderella Story - Male VersionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt