Kapitel 13 - Der kleine Wolf

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Kapitel 13 – Der kleine Wolf

18:11 Uhr; Luxanus Sektor

Ich stand vor der Haustür von Matthew, wo niemand öffnete, egal wie lange ich klingelte und starrte wartend auf mein Handy. Als Laurin endlich auf meine Nachricht antwortete, ob Matt noch bei Luxanus sei, hob ich irritiert die Augenbauen und sah dann zu Liam, der neben mir stand. „Matt ist nicht mehr im Lux HQ. Laurin meinte, dass er schon vor eine Stunde nach Hause gegangen sei."
Liam seufzte. „Ich glaube, ich weiß wo er ist." Ihm schien dies gar nicht zu gefallen, aber er deutete mir an, wieder mit zurück zum Auto zu kommen.
„Wo willst du hin?", fragte ich verwirrt, als ich wieder auf die Rückbank geklettert war. Ilias, der auf dem Beifahrersitz saß, blickte seinen Bruder nicht minderer irritiert an.
„Wirst du gleich sehen", antwortete er und lenkte den Wagen zurück Richtung Xernox Sektor, was mich noch mehr verwirrte.
Als wir wenige Minuten später am Straßenrand an der Grenze zwischen dem Luxanus und dem Xernox Sektor hielten und aussteigen, wurde ich immer noch nicht schlau daraus, was der Xernox Leiter vorhatte. Aber er führte uns nur zu einem der Mehrfamilienhäuser und drückte zielsicher eine der vier Klingeln.
„Ja?", ertönte einige Momente später eine weibliche Stimme aus der Gegensprechanlage.
„Hier ist Liam", antwortete der Xernox Leiter. „Kann ich hochkommen, Rabia? Es ist dringend."
Statt einer Antwort ertönte der Summer der Tür, die Liam aufdrückte und das Gebäude betrat. Ich tauschte einen kurzen Blick mit Ilias, der mir nebenbei bemerkt immer noch nicht ganz geheuer war, und betrat dann hinter ihm das Haus. Im zweiten Stock wartete eine braunhaarige und mir bekannte Frau in der offenen Wohnungstüre. Rabia Jabiri, die Chefin der Xernox Polizei. Was wir gerade bei ihr wollten, verstand ich nicht ganz.
„Was ist passiert?", fragte sie verwundert, als sie Ilias und mich hinter Liam entdeckte. Vor allem Ilias fokussierte sie mit misstrauischen Blick.
„Ist Matthew hier?", überging Liam ihre Frage.
Augenblicklich versteifte Rabia sich und ihr Blick schoss scharf zu Liam. „Wir hatten einen Deal, Liam", knurrte sie. „Ich halte mein Arbeitsleben und mein Privatleben absolut voneinander getrennt, dafür hältst du dich aus meinem Privatleben heraus. Schon vergessen?"
„Nein, aber es geht um meinen Neffen und um meinen Zwilling." Die Stimme des Xernox Leiter war nicht minderer entschlossen und hart, aber seine Polizeichefin starrte ihn immer noch wütend nieder. Dann schnaubte sie gereizt und gab die Tür frei. „Kommt rein." Freundlich hörte es sich nicht an, aber Liam betrat ohne zu zögern die Wohnung.
Meine Verwirrung erreichte ein komplett neues Level, als ihnen in die Wohnung folgte und Matthew am Küchentisch sitzen sah. Seelenruhig arbeitete er an seinem Laptop, eh er bei unserem Auftauchen irritiert aufsah. Als sein Blick an Ilias hängenblieb, verfinsterte er sich, als ahne er schon, dass etwas ganz und gar nicht gut war.
Rabia stand inzwischen neben Matthew, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte Liam immer noch wütend nieder. „Also?", fauchte sie beinah. „Was ist jetzt?"
„Mika und Jason sind verschwunden." Als Liam dies sagte, verschwand der wütende Ausdruck in Rabias Augen und machte Überraschung platzt. Sie tauschte einen schnellen Blick mit Matthew, der genauso erschrocken aussah. „Wie, die beiden sind verschwunden?" Er sah fragend zu Ilias.
Nachdem dieser sie über die Umstände aufgeklärt hatte, schüttelte Matthew den Kopf. „Mika hat Jason gestern um halb elf im Außensektor abgeholt. Er wäre nicht gekommen, wenn er sich nicht absolut sicher gewesen wäre, dass er nicht verfolgt wird."
„Hat Mika irgendetwas gesagt?"
Wieder ein Kopfschütteln. „Er wollte nur direkt wieder los, weil er sich hier nicht wohnfühlte."
„Er muss irgendetwas geahnt haben", murmelte Ilias, der den Blick nachdenklich auf den Boden gerichtet hatte.
„Vermutungen bringen uns auch nicht weiter", motzte Liam ihn an, was Ilias seinen gereizten Blick erwidern ließ.
„Wisst ihr was", ging Rabia dazwischen, die die geladene Stimmung zwischen den beiden Brüdern auch zu bemerken schien. „Ich fahre jetzt wieder ins HQ und setzte all meine verfügbaren Polizisten darauf an. Den Geheimdienst hast du schon informiert, nehme ich an?" Nachdem dem Nicken des Xernox Leiters griff sie nach ihren Sachen, die auf einem der Stühle lagen. Sie hatte gerade das Holster mitsamt Waffe an ihrem Gürtel befestigt und zog ihre Jacke über, als Matthew sie am Arm festhielt. „Warte, ich habe eine andere Idee."
Er wandte sich wieder seinem Laptop zu und tippte eine Weile darauf herum, eh er dazu ansetzte, uns aufzuklären. „Jason trägt noch immer sein ID-Band."
„Wir haben die GPS-Sender ausgebaut, nachdem wir damals aus dem Racket HQ geflohen sind", warf ich ein.
„Ich weiß", erwiderte er mit einem kurzen Blick zu mir. „Sei mir jetzt nicht böse, aber ich habe noch eine andere Art, eure Bänder zu ordnen."
Mein Blick wanderte kurz zu dem kleinen schmalen Band, dass auch immer noch um mein Handgelenk lag. Einfach, weil es eine Menge praktische Funktionen hatte, auch wenn ich es in letzter Zeit nur selten gebraucht hatte.
Matthew klopfte wartend mit den Fingern auf der Kante des Laptops herum, während dieser zu laden schien. Eine Angewohnheit, mit der er mir früher oft auf die Nerven gegangen war. „Es ist nicht besonders genau, aber wenn Jason das Band immer noch umhat, müsste er im östlichen Außensektor sein."
„Das ist doch mal ein Anfang." Die Erleichterung, dass wir wenigstens eine Spur hatten, so ungenau sie auch sein möge, war Liam deutlich anzuhören.
„Trotzdem ist das zu ungenau um etwas zu unternehmen", hielt Rabia die beiden Brüder auf, die schon einen vielsagenden Blick tauschten. „Der Geheimdienst soll die Gegend nach Aktivitäten des Roten Sterns durchforsten. Wenn wir jetzt unbedacht handeln und sie bemerken, dass wir wissen, in welchem Sektor sie sind, schaffen sie Mika und Jason wahrscheinlich wieder fort."
„Du hast Recht, wir sollten zurück und mit Dawson sprechen", willigte Liam ein, dann blickte er nach kurzem Zögern zu Matthew. „Kannst du mitkommen, damit der Geheimdienst versuchen kann das Signal genauer zu lokalisieren?"
Matts Blick wanderte erst zu Rabia, eh er Liam zunickte. Rabia allerdings schaute Liam wieder mit zusammengekniffenen Augen an. „Wenn wir Jason und Mika gefunden haben, gilt unser Deal wieder. Verstanden, mein Freund?"
„Verstanden", gab Liam zurück, der offensichtlich wusste, dass mit Rabia bei diesem Thema nicht zu spaßen war.
„Gut", damit machte sie ihre Jacke zu und scheuchte die beiden Brüder raus.
„Darf ich eine Frage stellen?", wandte ich mich an Matt, als ich vor diesem die Wohnung verließ, die er dann zuschloss. Er nickte mir zu. „Rabia ist die Polizeichefin von Xernox, du der Leiter von Luxanus. Was genau habt ihr mit einander zu tun?"
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Rabia auf der Treppe stehen blieb und zu uns hochsah. Liam und schüttelte bloß leicht den Kopf und folgte Ilias schon wieder nach unten.
Matthew erwiderte meinen Blick und ich konnte in seinen Augen sehen, dass er nicht gewollt hatte, dass ich es so erfahre. „Rabia und ich sind verheiratet. Sie ist meine Frau."
Mehr als nur überrascht sah ich ihn an. „Du bist verheiratet? Wie lange schon?"
„Seit sieben Jahren. Mit Rabia zusammen bin ich schon seit zwölf Jahren", erklärte er. „Es tut mir leid, dass ich das immer vor euch verheimlicht habe, Jin, aber als ich bei Xernox gekündigt habe, haben Rabia und ich beschlossen, dass wir unser Privatleben und unsere Arbeit komplett voneinander getrennt halten. Ich erzähle nichts von Luxanus, Rabia nichts von Xernox. Deswegen weiß auch niemand etwas davon."
„Niemand außer Liam, weil der Idiot mal wieder zu viel herumgeschnüffelt hat", murmelte Rabia. „Deswegen haben wir eigentlich den Deal, dass Matt von mir kein Sterbenswort von Xernox erfährt, dafür hält er sich komplett von meinem Privatleben fern."
Seufzend ließ ich die Schultern hängen. „Eigentlich sollte mich inzwischen ja gar nichts mehr überraschen."
Matthew legte mir schmunzeln die Hand auf die Schulter. „Komm. Lass uns Jason suchen."
Ich folgte ihnen hinunter zu den Autos und kletterte wieder auf die Rückbank von Liams Auto, während Matthew und Rabia in einen anderen Wagen stiegen.
„Glaubst du, dass der Geheimdienst das Signal genauer lokalisieren kann?", wandte ich mich an Liam, als dieser den Wagen startete.
„Wenn unsere IT-Spezialisten es nicht können, dann weiß ich auch nicht wer sonst."
Eine genaue Antwort war das jetzt nicht, aber besser als nichts. Ich lehnte mich gerade zurück, als bemerkte, dass Ilias mich durch den Rückspiegel musterte, eh er zu seinem Bruder sah. „Was hat sie eigentlich mit der ganzen Sache zu tun?"
„Bitte?", fuhr ich hob und starrte den jüngeren der beiden Brüder fassungslos an. „Ich kenne Jason besser als du, wahrscheinlich sogar besser als irgendwer von euch, schließlich bin ich mit ihm aufgewachsen. Also geht mich diese Sache eine ganze Menge an." Der Mann war mir immer noch suspekt.
„Meiner Meinung nach mischt du dich ein bisschen zu sehr in unsere Familienangelegenheiten an."
„Ilias, bitte", murmelte Liam.
„Was zur Hölle ist dein verdammtes Problem?", schnauzte ich ihn an. „Du hast doch überhaupt keine..."
„Hört auf!", unterbrach Liam mich mit wütender Stimme. „Ich habe absolut keinen Nerv dazu, dass ihr beide euch jetzt auch noch an die Kehle geht."

SKYLINE - VerschwörungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt