Der Zweikampf

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Als sie wieder erwachte, war die Sonne gerade dabei aufzugehen. Sandrina schnappte sich ihren abgetragenen Reiseumhang, den sie von Lexa erhalten hatte und packte ihre selbstgemachte Tasche, mit der sie nach Polis gekommen war. Nur das nötigste nahm sie mit. Zwei Feuersteine, ein Messer und am Markt besorgte sie sich etwas Proviant.

Mit langsamen Schritten entfernte sie sich immer weiter von Polis. Jeder Schritt fiel ihr schwer und all ihre innere Stimme versuchte verzweifelt und ohrenbetäubend sie dazu zu bringen wieder umzukehren. Sie war seit drei Stunden unterwegs und bald würde der Zweikampf stattfinden. In Sandrinas Innerem schrie es immer lauter, dass sie nach Polis zurücklaufen sollte, selbst wenn das bedeuten würde, dass die Ice Nation sie nach Lexas Tod fassen würden.

Eine Weile marschierte sie noch weiter, doch dann machte Sandrina einen großen Fehler. Sie blieb stehen und drehte sich um. In der Ferne erkannte sie den Turm von Polis. Ihre Beine verweigerten ihr den Dienst und sie war nun nicht mehr fähig weiter in Richtung Arkadia zu gehen.

Stattdessen begann sie zurück nach Polis zu laufen. Zuerst mit hölzernen Bewegungen, die sie weder wahrnahm, noch kontrollieren konnte. Doch mit jedem Schritt wurde sie schneller und die Entschlossenheit nach Polis zurückzukehren wurde größer. Einige Male wäre sie fast über hervorstehende Wurzeln oder Steine gestolpert, doch jedes Mal konnte sie sich fangen und rannte weiter Richtung Hauptstadt. Irgendwann erreichte sie den Markt an den Grenzen der Stadt, doch er war völlig verlassen. Alle hatten sich in der Arena eingefunden, um dem Zweikampf beizuwohnen. Ohne langsamer zu werden, lief Sandrina in die Richtung des Lärms.

Als sie die Arena schließlich erreicht hatte, musste sie sich allerdings noch durch die Menschenmenge kämpfen. Da sie hierbei ziemlich forsch vorging, musste sie die eine oder andere Beschimpfung über sich ergehen lassen. Sie ignorierte die gehässigen Kommentare der anderen Menschen jedoch und kämpfte sich weiter nach vorne. Als sie es schließlich geschafft und freie Sicht auf den Platz hatte, wo alle Zweikämpfe stattfanden, blieb sie endlich stehen. Erst jetzt bemerkte sie, wie erschöpft und außer Atem sie war. Sandrina keuchte lautstark. Sie hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft. Der Kampf würde in wenigen Augenblicken beginnen.

Roan und Lexa standen nebeneinander vor einer Tribüne, auf der sich unter anderem Titus und Nia aufhielten. Beide Kämpfer hatten eine Kriegsbemalung. Lexa war von den Augen über die Schläfen bis zum Haaransatz schwarz bemalt, während Roans Gesicht weiße Muster aufwies und lediglich seine Augenpartie schwarz bemalt war.

Im Zweikampf gibt es nur eine Regel", sprach Titus, „jemand muss heute sterben. Ihr dürft beginnen."

Die Menge tobte und ein Horn wurde geblasen. Roan zog sein Schwert, das eine der Wachen in der Arena für ihn verwahrt hatte und sah dann zu seiner Mutter hoch, die ihm zunickte. Auch Lexa nahm ihr Schwert entgegen. Noch bevor sie sich umgedreht hatte, stürmte Roan auf sie zu, um sie anzugreifen. Lexa kam ihm jedoch zuvor und wehrte seinen Schlag ab. Dann schlug sie mehrere Male mit dem Schwert auf ihren Gegner ein. Jeder einzelne wurde von Roan pariert.

Ihr letzter Schlag endete Klinge an Klinge, als Roan sein Schwert mit dem Unterarm fixierte, und ihr somit an Kraft überlegen war. Roan drückte sie damit nach unten und zwang Lexa in die Knie. Doch dann griff sie nach Roans Schwertschneide und hielt sie fest. Blut tropfte von ihrer Hand und auf den Sand in der Arena hinab. Damit konnte sie sich aus ihrer Lage befreien und stieß mit dem Schwertgriff nach seinem Kopf. Roan warf den Kopf nach hinten, konnte jedoch nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Er taumelte unter dem Schlag zurück und Sandrina sog scharf Luft ein.

Zwei Mal schlug er mit dem Schwert nach Lexa, beide Male wich sie aus. Dann drehte er sich, schlug erneut mit dem Schwert nach ihr und verpasste ihr schließlich einen Tritt in die Kniekehle. Als sie am Boden lag, trat Roan ihr das Schwert aus der Hand, doch Lexa schlug ihm gegen sein Knie und er ging zu Boden. Dann trat sie ihm gegen die Brust und er taumelte zurück, während Lexa ihm das Schwert entriss. Sie griff nach ihrer eigenen Waffe und hielt damit ein Schwert in jeder Hand, während Roan keine Waffe mehr hatte mit der er sich verteidigen, geschweige denn Lexa besiegen konnte.

Lexa begab sich in Angriffsposition, während Roan sich suchend umsah. Er fackelte nicht lange und verpasste einer Wache einen Faustschlag ins Gesicht, um ihm dann seinen Speer abzunehmen. Er wirbelte ihn gekonnt herum und attackierte dann Lexa, die sich jedoch unter seinem Schlag hinwegduckte. Erst in diesem Moment fielen Sandrina Roans Platzwunden an Wange und Schläfe auf. Mit wirbelnden Schwertern griff Lexa Roan an, doch er parierte jeden Schlag mit dem Speer.

Als Lexas überkreuzte Schwerter an Roans Speer lagen, wirbelte Roan den Speer blitzschnell herum, schlug ihr ein Schwert aus der Hand und streifte sie hierbei mit der Klinge an der Taille. Dann schlug er ihr auch noch das zweite Schwert aus der Hand und somit stand nun Lexa schutzlos da. Mit einem kraftvollen Tritt gegen den Bauch warf Roan sie meterweit zurück, wo sie dann am Boden liegen blieb.

Sandrina atmete erschrocken ein und sie konnte erkennen, dass Rinnsale schwarzen Blutes aus Lexas Nase liefen.

Langsam ging Roan auf sie zu, während sie es nicht mehr schaffte aufzustehen. Er warf seinen Speer nach oben und fing ihn mit einer anderen Haltung seiner Hand wieder auf. Er stand über ihr, richtete seinen Speer auf sie und holte aus, während sie ihn nur regungslos ansah. Doch als er mit dem Speer auf sie hinabstieß und sie damit durchbohren wollte, wich sie blitzschnell mit dem Kopf aus, sodass die Klinge lediglich in den Boden drang.

Lexa drehte ihre Beine in der Luft und schaffte es so, Roan die Wade kräftig in beide Kniekehlen zu rammen. Roan verlor das Gleichgewicht und fiel mit einem dumpfen Aufprall auf den Rücken. Schnell sprang er wieder auf, attackierte Lexa wiederholt mit dem Speer, doch jedes Mal wich sie aus oder duckte sich unter seinen Schlägen hinweg. Als Roan versuchte, auf sie einzustechen, sprang sie auf die Seite, packte den Speer und schlug ihm gegen die Hand, wodurch er den Speer losließ und Lexa nun erneut ohne Waffe gegenüber stand.

Nun griff sie ihn an. Dem ersten Angriff konnte er ausweichen, doch für den zweiten war er zu langsam und Lexa zog die Schneide über seinen Schenkel, sodass er in die Knie ging. Sie schlug ihm mit dem Griff des Speers ins Gesicht. Einen weiteren Schlag wehrte er mit der Hand ab, doch sie schlug ihm stattdessen mit der anderen Seite des Speers von unten gegen den Kiefer. Roan kippte nach hinten und Blutstropfen flogen durch die Luft. Als er dieses Mal auf dem Rücken landete, stand er nicht wieder auf.

Sandrina sog erschrocken Luft ein und hob beide Hände vor ihr Gesicht. Ihr Herz, das schon während des gesamten Kampfes gerast hatte, legte jetzt noch an Geschwindigkeit zu. Es schlug so heftig, als wolle es aus ihrem Brustkorb hervorbrechen. Sandrina hielt sich die zitternden Hände vor den Mund. Ihre grünen Augen waren weit aufgerissen. Ihre Zähne klapperten vor Angst. Tränen stiegen ihr in die Augen und ließen ihre Sicht verschwimmen. Als sie blinzelte, flossen sie ihr über die Wangen und sie sah wieder klar.

„Bitte steh wieder auf", murmelte Sandrina hinter ihren vor Angst zitternden Fingern.

Doch Roan blieb am Rücken liegen und regte sich nicht mehr. Lexa stand über ihm, richtete die Klinge des Speers auf ihn. Da stand Nia plötzlich von ihrem Stuhl auf und schrie in Roans Richtung.

Steh auf! Wenn du stirbst, stirbst du nicht als Prinz, sondern als Feigling!"

Roan jedoch hörte nicht auf seine Mutter und sah weiterhin eindringlich Lexa an.

„Bring es zu Ende", rief er mit fester Stimme.

Blut verlangt nach Blut", sagte Lexa leise, doch jeder der sich in der Arena aufhielt, konnte es hören.

„Nein", flüsterte Sandrina und zwei weitere Tränen liefen an ihren Wangen hinunter, während sie verzweifelt aufschluchzte.

Dann schleuderte Lexa den Speer mit einem lauten Kriegsschrei. Doch nicht Roan war dessen Ziel. Er sauste durch die Luft und bohrte sich schließlich tief in Nias Bauch. Diese sank schwer verwundet auf ihrem Stuhl zusammen, während Blut aus ihrem Mund an ihrem Kinn hinabfloss. Roan drehte sich zu ihr um und konnte daher sehen, wie Nia ihre letzten Atemzüge tat und schließlich in sich zusammensank. Die umstehenden Menschen waren nun still, alle hielten den Atem an, verblüfft über diese unerwartete Wendung.

„Die Königin ist tot", schrie Lexa nun und schaute zu Roan, „lang lebe der König!"

„Lang lebe der König", schrien auch einige laute Stimmen aus der Menschenmenge.

Auf gegnerischen Seiten - Roan kom AzgedaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt