Experimente

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Als sie und Roan am nächsten Tag im Labor standen, war ihnen die Anspannung deutlich anzusehen, sowie auch den anderen im Raum. Sie alle standen um eine Strahlungskammer herum, in der Dr. Griffin gleich einen Versuch an jemandem starten wollte. Sie hielt es für möglich, dass man andere durch Lunas Knochenmark ebenfalls zu Nightbloods machen konnte. Das erinnerte Sandrina stark an die Ereignisse in Mount Weather, doch das behielt sie für sich.

Um Dr. Griffins Theorie jedoch beweisen zu können, mussten sie diese vorher allerdings an jemandem testen. Das bedeutete, dass sie jemandem, dem sie Nachtblut injiziert hatten, in Bekkas Strahlenkammer so viel Strahlung aussetzen mussten, wie es sie bei der Todeswelle in zehn Tagen erwarten würde. Das war barbarisch, doch so wurden die Dinge in der Wissenschaft gehandhabt. Nur so konnte es Fortschritt geben.

Der Mann der jetzt gefesselt in der Strahlenkammer lag, Baylis, war jemand, der in der vergangenen Nacht in das Herrenhaus eingedrungen und von Murphy und Emori überwältigt worden war. Wie sich herausstellte, kannte Emori ihn, doch ihre Erinnerungen an ihn waren alles andere als schön. Nachdem sie ihnen allen von ihm erzählt hatte, waren sie der Meinung, dass er es verdient hatte zu sterben. Bevor Emori ihn jedoch hatte umbringen können, hatte Clarke vorgeschlagen, ihn als Versuchsobjekt für die Theorie ihrer Mutter einzusetzen.

Dr. Griffin hatte ihm bereits vor Stunden Lunas Rückenmark in die Blutbahn injiziert, inzwischen war er ein Nightblood geworden, was sie mit einer Blutprobe überprüft hatten.

„Seine Vitalzeichen sind gut", verkündete Dr. Griffin, als Jackson die Kammer verschloss.

Dann schaltete Jackson die Kammer ein. Als die Strahlung so hoch war, dass bei jemandem ohne Nachtblut Symptome auftreten würden, zeigte der Mann keinerlei Anzeichen von Strahlungsverbrennungen. Dann nahm die Strahlung die Intensität von schwarzem Regen an, der Arkadia, wie Sandrina gehört hatte, inzwischen erreicht hatte, doch noch immer konnte dem Mann die Strahlung nichts anhaben. Die Zuversicht der Menschen im Labor wuchs und Sandrina warf Roan ein hoffnungsvolles Lächeln zu.

Als Jackson jedoch noch weiter hochdrehte, verschlechterten sich Baylis Vitalwerte und er begann schmerzerfüllt zu schreien. Er flehte um Hilfe und Erbarmen, schrie, dass sie ihn rauslassen sollten. Seine Haut wurde krebsrot, warf gelbliche Blasen und er spuckte schwarzes Blut. Dann plötzlich erschlaffte sein Körper und sein Herzschlag verstummte. Der Versuch war fehlgeschlagen und Dr. Griffins Theorie damit wertlos. Die Strahlenwelle würde sie in zehn Tagen erreichen und sie hatten nichts, das sie davor schützen würde. Sandrina konnte sich nicht vorstellen, dass sie bis dahin noch eine weitere Lösung aus dem Ärmel würden zaubern können.

Es war ein herber Rückschlag, den sie da verarbeiten mussten. Dazu kam das Schuldgefühl, einen Menschen völlig umsonst getötet zu haben, auch wenn er in der Todeswelle ohnehin gestorben wäre. Luna und Clarke reinigten die Strahlungskammer, während Jackson und Dr. Griffin weitere Untersuchungen durchführten. Da teilte Jackson ihnen mit, dass das Knochenmark länger als drei Stunden im Körper sein musste, um besser vor der Strahlung schützen zu können. Auf diese Art würden sie alle retten können. Dr. Griffin betonte allerdings, dass sie dies ebenfalls erst testen mussten. Raven sprach sich dagegen aus, da gerade ein Mensch an so einem Versuch gestorben war. Als Clarke sie nach einer besseren Lösung fragte, schwieg sie allerdings.

„Also was, dann gehen wir nach draußen und suchen uns jemand Neues, den wir da reinstecken können?", fragte Murphy, der sich schützend vor Emori gestellt hatte.

„In diesem Sturm geht niemand raus", erwiderte Miller.

„Na dann warten wir eben, bis er vorbei ist", sagte Murphy ungeduldig.

„Dann wird vielleicht niemand mehr da sein, den man jagen könnte", stellte Roan fest.

„Ihr wollt irgendwen jagen, um ihn zu töten? Was ist denn mit euch los?", fragte Luna erzürnt, „selbst Baylis hat die Toten geehrt. Er hat die Steine seiner Rock Line Vorfahren bei sich getragen. Und wer erweist ihm diese Ehre?"

„Warte", unterbrach Clarke sie dann, „Baylis war Sangedakru."

„Stimmt", meinte Emori, „aber er war auch ein Dieb, wahrscheinlich hat er diese Steine gestohlen.

„Ein Dieb, der noch nicht mal das Mal der Sangedakru getragen hat?", fragte Roan und legte die Stirn in Falten.

Emori wurde zunehmend nervöser, ebenso Murphy. Sandrina verstand die Situation allmählich. Auch die anderen schienen zu erkennen, dass Emori gelogen hatte, und der Mann, den sie getötet hatten, gar nicht der war, als den Emori ihn hingestellt hatte. Dann plötzlich rannte Emori los und versuchte zu fliehen. Roan jedoch war schnell, holte sie ein und packte sie. Er hielt ihr ein Messer an den Hals, damit sie sich nicht wehrte. Sie rief Murphy zu, dass er die Strahlenkammer zerstören sollte, doch Miller hielt ihm sofort die Waffe an den Kopf und hielt ihn auf diese Weise davon ab, Emoris Anweisung Folge zu leisten.

„Dann ist sie als nächstes dran", stellte Roan dann kühl fest.

Sandrina schüttelte traurig den Kopf und sah zu Boden. In diesem Labor passierte etwas unsagbar Schlimmes. Es lief nicht so, wie es eigentlich laufen sollte. Sie stand nur da und schaute schließlich zu, wie sowohl Emori als auch Murphy eingesperrt wurden. Niemand schien damit wirklich glücklich zu sein, doch ihnen allen war klar, dass es ihre einzige Chance war, Jacksons Theorie zu testen. Raven versuchte erneut, die anderen davon zu überzeugen es nicht zu tun. Sie wusste hier wohl besser, als jeder andere, wie es war, als Versuchsobjekt missbraucht zu werden, immerhin hatte sie unter den Knochenmarkentnahmen in Mount Weather mitunter am meisten gelitten.

„Wir haben keine andere Wahl", betonte Roan kopfschüttelnd und mit vor der Brust verschränkten Armen.

„Jackson, bereite Luna für die nächste Entnahme vor", sage Dr. Griffin, nachdem sie Raven wieder ein wenig beruhigt hatte.

„Nein", sagte Luna dann, „ihr habt genug entnommen. Ihr ermordet keine weiteren Unschuldigen mit meinem Blut."

„Luna bitte", versuchte Clarke sie zu überreden, „dein Blut ist das einzige, das uns retten kann."

„Mein Blut ist ein Fluch. Aber wenigstens wird es euch davon abhalten, mir in den Regen zu folgen."

Dann machte sich Luna auf den Weg aus dem Labor hinaus. Sie humpelte und kam deshalb nicht sehr gut voran. Roan stellte sich ihr entschlossen in den Weg.

„Wir können dich nicht gehen lassen", sagte er zu ihr, „um zu überleben, müssen wir Opfer bringen. Falls die Frikdreina stirbt..."

„Nenn sie nicht so", unterbrach Raven ihn scharf.

„Falls sie stirbt, um die Welt zu retten, ist das ein guter Tod", fuhr er fort und sah dann erneut zu Luna, „du bist verletzt, ich will nicht mit dir kämpfen."

„Du hast keine Wahl, schon vergessen?" fragte Luna ihn und trat ihm dann gegen den Rumpf, ehe er reagieren hätte können.

Roan kippte nach hinten und als er fiel, riss er einen Wagen voller medizinischer Instrumente mit sich zu Boden. Roan kam wutschnaubend wieder auf die Beine und ging auf Luna los. Er hob die Fäuste vor sein Gesicht und täuschte einen Faustangriff vor. Stattdessen trat er dann gegen Lunas verletzte Hüfte und sie schrie vor Schmerz auf. Als sie zu Boden ging, packte er sie von hinten und legte ihr den Arm um den Hals und schnürte ihr so lange die Luft ab, bis sie das Bewusstsein verlor.

„Schlaf gut, Nightblood", sagte er zu ihr und hob sie dann auf eine Trage.

„Du willst sie festbinden und ihr Knochenmark entnehmen?", fragte Raven ungläubig in Dr. Griffins Richtung, „willkommen in Mount Weather."

Auf gegnerischen Seiten - Roan kom AzgedaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt