Während ich für eine halbe Ewigkeit ratlos vor meinem neu einsortierten Kleiderschrank stehe und in meinem Kopf eine Debatte darüber führe, ob ich einfach das anbehalten soll, was ich gerade trage, oder mich doch wenigstens ein bisschen an Steph anpassen und etwas freizügigeres anziehen soll, taucht sie plötzlich hinter mir auf als hätte sie meine Gedanken gelesen.
"Hier, nimm den."
Ich drehe mich zu ihr um und betrachte skeptisch den kurzen, schwarzen und am unteren Saum ausgefransten Rock, den sie mir mit ausgestreckten Armen und einem breiten Grinsen auf den Lippen hin hält.
"Bist du sicher? Ich weiß nicht, ob das nicht zu viel des Guten ist..."
Steph seufzt.
"Ach Hayles, glaub mir, du wirst selbst mit diesem super süßen Rock noch das am meisten bekleidete Mädchen dort sein."
Ich schmunzele etwas unbeholfen vor mich hin und versuche mir auszumalen, für was für eine Art Party Steph mich da überredet hat. Plötzlich wird mir etwas komisch zumute und ich überlege für eine Sekunde, vielleicht doch noch einen Rückzieher zu machen und den Abend stattdessen lieber damit zu verbringen, mein Buch weiterzulesen oder schon ein paar Dinge für die ersten Vorlesungen und Seminare vorzuarbeiten.
"Denk gar nicht daran, zu kneifen!", lacht Steph und ich frage mich, ob sie tatsächlich die Fähigkeit besitzt Gedanken zu lesen oder ob mein Gesicht so vielsagend ist und ich mich selbst verrate.
Sie läuft zurück zu ihrem Schminktisch und trägt eine dicke Schicht Eyeliner auf.
Ich seufze und halte Stephs Rock in die Höhe, um ihn noch einmal zu mustern.
Dann ziehe ich meine lange, hellblaue Jeans aus, falte sie sorgsam zusammen und lege sie auf meinem Bett ab, bevor ich den schwarzen Stofffetzen anprobiere.
Ich stopfe die Enden meines übergroßen, schwarzen Vintageshirts, dass mit dem Schriftzug von The Clash bedruckt ist, in den Rock und laufe dann zum Spiegel.
Anfangs erkenne ich mich selbst kaum wieder, dich als ich mich schon eine Weile lang betrachte, realisiere ich, dass der Rock wie angegossen passt, an den richtigen Stellen richtig sitzt und meinen Kurven schmeichelt.
"Du siehst richtig heiß darin aus!", quiekt Steph vergnügt.
"Eine Sache noch!"
Ich beobachte sie dabei, wie sie zurück zu ihrem Bett rennt und halb darunter kriecht, um ein paar Sekunden später ein glänzendes, schwarzes Paar von Doc Martens herauszuholen. Sie haben an manchen Stellen schon ein paar Gebrauchsspuren, doch das ändert nichts an dem rockigen Vibe, den diese Boots mit sich bringen. Steph drückt mit ein weißes Paar dicker Socken in die Hand.
"Na los, zieh sie an!!!", befiehlt sie mir.
"Okay...", murmele ich etwas skeptisch, doch wir müssen trotzdem beide lachen.
Das hier ist nicht die Haylie, die ich kenne und das sind definitiv nicht die Sachen, die ich im Laden kaufen würde, aber aus irgendeinem Grund gefällt mir diese Version von mir selbst. Ich sehe aus, als würde ich hierher gehören und als könnte mir niemand etwas.
Als ich die Stiefel zugeschnürt habe und zurück zum Spiegel laufe, merke ich, dass die dicken Socken eine clevere Idee waren, da die Boots vermutlich sonst nach drei Minuten zu Fuß unglaublich reiben würden. Die oberen, faltigen Enden der Socken luken über den Stiefeln heraus und ein Blick in den Spiegel verrät sowohl Steph als auch mir, dass unsere Outfits perfekt und wir bereit für die Party sind.
Ich suche noch schnell meine schwarze Clutch aus dem Kleiderschrank heraus, verstaue mein Handy darin und dann machen wir uns zu Fuß auf den Weg.
"Wir treffen uns am Tor mit Zed. Er gehört mit zu unserer Clique und ist ein super lieber Kerl mit einem verdammt guten Musikgeschmack."
Ich lächele und nicke und freue mich darauf, ihn und den Rest von Stephs Freunden kennenzulernen. Wenn jeder von ihnen so nett und aufgeschlossen ist, wie sie, dann werde ich mich am College echt wohlfühlen.
Als ich einen in komplett schwarz gekleideten, jungen Mann mit schwarzen, etwas längeren Haaren am Torbogen stehen sehe, werde ich dann doch ein wenig nervös. Ich ziehe den Rock nach unten und zupfe aufgeregt an meinem Shirt herum.
"Du siehst toll aus, glaub mir!", sagt Steph und zwinkert mir zu.
"Das kannst du laut sagen."
Ich kann spüren, dass meine Wangen rot anlaufen, als wir vor Zed stehen bleiben und er einmal um mich herum läuft, um mein Outfit zu betrachten.
"The Clash, hm? Sehr gute Wahl. Hi, ich bin Zed."
Seine Zähne sind strahlend weiß und er hat ein unglaublich charmantes Lächeln, was mich sofort ansteckt.
"Haylie.", stelle ich mich vor.
"Haylie.", wiederholt er grinsend und mustert mich noch einmal von oben bis unten.
"Haylie und ich sind ab sofort Zimmergenossen!", grinst Steph und legt ihren Arm um meine Schultern.
Zed reiht sich neben uns ein, während wir langsam die lange Avenue nach unten laufen, während die Sonne allmählich unter geht und den Himmel in pastellfarbene, warme Töne taucht.
"Na dann werden wir uns ja ab jetzt öfters sehen."
Jetzt erst bemerke ich, dass Zed, ebenso wie Steph, einen Nasenpiercing trägt, der ihm ziemlich gut steht und perfekt zu seinem Style passt.Den ganzen Weg bis zum Haus der Verbindungsstudenten, das sich abseits vom Campus befindet und näher in Richtung Strand gelegen ist, fragen Steph und Zed mich über meine Familie, meine Freunde, meine bisherigen Konzerte und meine gewählten Studienfächer aus und ich selbst merke, wie ich beim Erzählen immer lockerer und entspannter werde. Wir sind etwa eine Viertelstunde lang unterwegs, bis wir an dem weißen, ziemlich teuer aussehenden Haus ankommen.
"Da wären wir."
Steph macht den Anfang und ich hänge mich direkt an sie, dicht gefolgt von Zed.
"Wie viele Studenten wohnen hier?", frage ich und versuche die laute Musik zu übertönen, die uns beschallt, sobald wir im Flur des Hauses stehen.
"Soweit ich weiß sechs!", antwortet Zed so laut er kann.
Während Steph und Zed jeden zweiten der unzähligen Partygäste begrüßen und ich im Gegensatz zu ihnen der Neuling bin und niemanden hier kenne, spüre ich, wie sich nun doch wieder die Nervosität in mir ausbreitet.

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California (Hardin Scott)
Romansa--- "Wie wäre es, wenn du dich einfach von mir fernhältst?" Er schweigt. Dann zieht er die Hände aus den Taschen seiner schwarzen Lederjacke und durchbricht die sichere Distanz zwischen uns beiden, indem er einen Schritt auf mich zu macht. Er sieht...