1. Kapitel

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*Sophie*
Ich lag nun schon seit etlichen Stunden auf dem kalten Boden. Stundenlang hatte ich meinem panischen Wutanfall freien Lauf gelassen, hatte Dinge um mich geworfen, geschrien, meine Faust gegen die Wand gehoben und blindlings in ihr rein geschlagen, mich selbst verletzt und war nun zu erschöpft um mich hochzuziehen und mich ins Bett zu legen. Die Psychiatrie in der ich seit dem Unfall eingesperrt war, war so "nett" gewesen mich in ein Einzelzimmer einzuteilen und meine tägliche Dosis an Medikamenten ums Dreifache zu erhöhen. Doch die Nebenwirkungen waren unter anderem Wutausbrüche, radikaler Gewichtsverlust und Aussetzen der monatlichen Menstruation, so wie die Psychiater der Anstalt zu sagen pflegten. Dazu kam noch, dass ich in einem sogenannten "dauerhaften Schockzustand" verweilte: ich gab seit dem 7. Dezember kein Wort mehr von mir. Weder konnte ich, noch wollte ich seit 2 Monaten und 24 Tagen mit jemandem Sprechen. Während ich auf dem Boden lag und meine tränenüberströmte Wange auf die kalten Fließen presste, ging die Tür zu meinem Schlafzimmer auf und eine Krankenschwester, gefolgt von zwei Assistenten, kam seufzend herein. Fast täglich fand sie mich in der Früh so vor. Denn nur in seltenen Nächten waren meine Wutanfälle so schlimm, dass mir eine Spritze verabreicht wurde, nach der ich in einem tiefen Schlaf verfiel. Meistens war mir dann an dem darauf folgenden Tag so wummrig und schläfrig, dass ich mir wie auf Drogen vorkam und mein Hunger voll und ganz weg war.
Die Assistenten hoben mich behutsam auf und verfrachteten mich in mein Bett. Eine Putzfrau war derweil leise eingetreten und hatte angefangen die umgekippten Stühle, Glasscherben und den umgestoßenen Tisch aufzuräumen. Ich drehte mich mit dem Gesicht zur Wand um und starrte diese an. Die Wand war blau gestrichen worden, kurz nach meiner Ankunft und sollte beruhigend auf mich wirken. Die Krankenschwester, deren Name mir nie einfiel, nahm wie an jedem Morgen meinen knochigen Arm und spritzte mir meine morgendliche Dosis an Psychopharmaka. Wie jeden Morgen strich sie mir auch heute die Haare aus der Stirn und murmelte etwas das wie "armes Kleines" klang. Behutsam deckte sie mich zu und ich fiel in einem, von den Medikamenten eingeleiteten, traumlosen Schlaf.
Ich schlief immer nur eine oder zwei Stunden am Tag, jegliches Zeitgefühl war mir durch Medikamente und sonstigen Störungen geraubt worden und ich konnte Tag und Nacht nur an dem hereinströmenden Licht unterscheiden. Die Nächte in der Psychiatrie waren die schlimmsten, zwar hatte ich Schlafstörungen seit meiner Erkrankung an "anorexia nervosa", doch ich konnte nur von Glück reden, wenn ich mich während eines Anfalls nicht umgebracht hatte. Mein Psychologe Dr. Walker hatte meine Krankenschwestern vorgewarnt, mir keine scharfen Gegenstände zu überlassen, doch meine Sammlung an Rasierklingen lag gut versteckt unter der Schublade meines Nachtkastens.
Langsam öffnete ich die Augen. Ich spürte, dass meine Hände pochten und musste erstaunt feststellen dass meine Hände geschwollen und voller blauen Flecken waren. Anscheinend hatte ich wieder versucht die Wand tot zu schlagen. Ich stand auf und ging zum Spiegel der im Bad hing. Langsam schloss ich die Tür. Ich musterte mein Ebenbild im mannshohem Spiegel. Ich zog mich bis auf die Unterwäsche aus und betrachtete meinen knochigen Körper. Meine Rippen sahen bei jedem Atemzug so aus als wollten sie meine Haut zerfetzen und hervortreten, so sehr spannte sich meine Alabaster farbene Haut um meinem Brustkorb. Anstatt von "weiblichen Rundungen" konnte ich nur von Ecken und Kanten sprechen. Meine Hüftknochen traten aus beiden Seiten hervor und meine Beine waren dürr und sahen zerbrechlich aus. Meine Streichholz-Arme hingen auf beiden Seiten meines knochigen Körpers kraftlos herunter. Mein Blick wanderte über die unzähligen Schnittwunden die meinen Bauch, meine Oberschenkel und meine Arme bedeckten. Dort wo ich mich letzte Nacht mit den Rasierklingen geritzt hatte, formten sich Krusten. Ich wagte es mein Gesicht zu betrachten. Mein Antlitz weitete die Augen als ich mir in die Augen blickte: meine Augen waren rot umrandet, meine einst vollen Wangen lagen nun in tiefen Höhlen unter den Wangenknochen, die jetzt scharf und kantig hervortraten, meine Lippen waren trocken und rau und die Haare fielen mir schmutzig und in leichten Wellen bis zur Bauchmitte.
"Oh!", stieß ich leise aus, als ich erkannte was aus mir geworden war. Schnell presste ich meine Hand auf dem Mund. Seit Tagen kamen aus meinem Mund keine einzigen Wörter raus, das einzige was meine Stimmbänder zu produzieren schienen waren hysterische Schreie, die durch die langen Flure der Anstalt schallten.
Ich roch an mir und entschloss mich kurzerhand zu duschen. Langsam zog ich auch meine Unterwäsche und Socken aus. Mein früher so voller Busen lag nun schlaff und flach auf meinem Brustkorb. Von prächtiger Oberweite konnte man bei weitem nicht mehr sprechen. Ich hatte so sehr gehungert, dass ich wie ein wandelndes Skelett aussah. Angewidert verzog ich das Gesicht und ging unter die Dusche. Das Kalte Wasser half mir das verbliebene schwummrige Gefühl der Medikamente zu beseitigen. Und langsam wurde mir klar warum ich mit so einem prickelndem Gefühl aufgewacht war. Wie von der Tarantel gestochen drehte ich den Wasserhahn zu und zog mir einen Bademantel an, die Haare wickelte ich in ein Handtuch, schnell schlüpfte ich in meine Schlappen und begab mich zum Kalender. Der Kalender war einer der Kalender-Sorten, bei denen man Tag für Tag die Seite abreisen musste. Ich riss die gestrige Seite herunter. Der heutige Tag, es war der erste März, war rot eingekreist und unter der großen Ziffer stand in wackligen Buchstaben "ADOPTION" geschrieben. Eine der Krankenschwestern hatte es netterweise hingeschrieben. Ich musste unwillkürlich lächeln, zwar vermisste ich meine Eltern immer noch, aber Dr. Walker hatte mir gesagt ich solle im Leben immer weitergehen, egal was geschah, und da tat ich ja auch. Ich pflegte keine zu hohen Erwartungen, sicher war es ein verzweifeltes, kinderloses Paar, welches sich sosehr ein Kind wünschte, dass es sogar psychiatrische Fälle wie mich annahm. Aber zwei Personen die sich um einen kümmerten, waren besser als keine.
Ich setzte mich aufs Bett und kramte aus meinem Koffer eine schwarze Bluse, Blue-Jeans und Stiefel. Die Hosen schlotterten nur so um meine dürren Beinen, doch was sollte ich ansonsten anziehen? Ich beschloss kurzerhand etwas zu frühstücken und ging auf den mini-Kühlschrank zu. Ich öffnete ihn und nahm eine Mandarine heraus. Die würde für den Tag reichen. Als ich sie fertig geschält hatte, nahm ich eine Zehe und schaute sie nachdenklich an. "Wie viel Kalorien hat die eigentlich?", schoss es mir durch den Kopf. Ich teilte das Stück das ich abgebrochen hatte in zwei und aß die Hälfte. Langsam kaute ich darauf rum. Ich nahm eine Serviette und legte die Mandarine rein, steckte das ganze dann in die schwarze Tasche die ich mir aus dem Koffer heraus geholt hatte.
Ich entschloss mich Abfahrts-bereit zu machen und versuchte den Koffer aus unter dem Bett heraus zu zerren. Meine knochigen Finger klammerten sich an den Koffer fest, doch ich war zu schwach. Als ich noch einen Versuch starten wollte, öffnete sich plötzlich die Tür und Dr. Walker schritt herein. Gefolgt von zwei Assistenten und einer Krankenschwester.
"Sophie, guten Morgen!", wünschte er mir, obwohl ich wetten konnte, dass es schon Mittag war. Ich nickte.
"Wie du wohl schon gesehen hast, ist heute der große Tag, du wirst zur Familie Styles kommen.", das Wort ADOPTION benutzte er nie, er hatte wohl Angst ich könnte ausrasten. Er winkte die beiden Assistenten herein und zeigte auf meinem Koffer den ich immer noch versuchte raus zu ziehen. Einer der beiden nahm ihn und brachte ihn heraus als ob er federleicht gewesen wäre. "Vielleicht war es das, würdest du nur etwas essen!", meldete sich die kleine Stimme meines Unterbewusstseins. Ich verdrehte die Augen und versuchte vergebens mich am Bettrand hoch zu ziehen. Der zweite Assistent der bisher nur neben mich gestanden hatte half mir hoch. Er lächelte mich kurz an, schaute aber gleich weg, weil ich ihn mit leerem Blick anstarrte. Dr. Walker nahm mich bei der Hand und begleitete mich zum Ausgang. Er sagte noch ein Paar beruhigende Worte, von wegen ich wäre ein starkes Mädchen und dass ich schon meine Worte wieder finden würde. Er öffnete langsam die Tür und helles Sonnenlicht blendete mich. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss. Ich genoss für einem kurzen Moment das Gefühl der Sonne auf der Haut und musste auch schon los, denn mein Fahrdienst der Anstalt wartete am Treppenende auf mich. Ich ging langsam und vorsichtig die Treppen runter und hielt mich verzweifelt am Geländer fest. Der Fahrer stieg aus und öffnete mir höflich die Tür. Ich lächelte kurz und stieg ein. "Endlich weg von hier!", schrie eine kleine Stimme in meinem Kopf. Ich seufzte, ja, endlich war ich frei und auf dem Weg ins neue Leben. Ich öffnete den Anhänger meiner Kette und strich sanft über das Hochzeitsbild meiner Eltern.
"Ich... Hab... Euch... Lieb...", brachte ich zustande. Der Fahrer schaute mich verdutzt an, er hatte mich noch nie Sprechen hören. Schnell schaute ich aus dem Fenster und dachte über meine Eltern nach.
Ich schrak hoch, als der Wagen mit einem ruckeln stehen blieb. Ich war wohl eingedöst. Ich rieb mir kurz die Augen und bewunderte dann das Haus vor dem wir standen. Haus konnte man es eigentlich nicht nennen, es war wohl eher eine Villa und ein riesiger Park umgab die Villa. Ein Hund lag dösend in der Sonne. Der Fahrer, Herr George, drehte sich um.
"Du bleibst hier!", sagte er und stieg aus.
"Als ob ich mit meiner Schwäche weglaufen könnte...", dachte ich. George machte sich auf dem Weg zur Tür und klingelte. Fast augenblicklich wurde sie Aufgerissen und eine Frau kam zum Vorschein. Sie war sehr aufgeregt, denn sie zupfte dauernd an etwas herum: Haare, Hemd, Pullover, und so weiter. George gab ihr lächelnd die Hand brachte ihr meinen Koffer. Langsam drückte ich die Türklinke auf und stieg leicht schwankend aus dem Wagen. Sofort kam meine Adoptivmutter auf mich zu und half mir ins Haus.
"Komm Kleine, wir machen uns jetzt einen Willkommens-Tee! Na, was sagst du?", sie war wirklich sehr nett. Ich nickte und brachte ein "Ja, gerne!" heraus. Entzückt klatschte sie in die Hände, anscheinend hatte sie erwartet ich würde kaum den Mund aufmachen, aber seit heute in der Früh, wusste ich, dass ich mich verändern musste. Sobald sich die Tür hinter uns schloss fiel mir die Kinnlade herunter: das Haus war riesig! Zwei große Treppen führten jeweils Links und Rechts in den oberen Stockwerk und der Eingang bestand aus einer großen Marmor-Halle, rechts vom Eingang gab es eine Tür die zu einer weiteren Halle führte und Links spielte sich genau das gleiche noch mal ab. Mrs. Styles führte mich in die Küche die links vom Eingang war. Die Küche war sehr modern ausgestattet und riesig! Ein Tisch für mindestens zehn Personen stand in der Mitte. Mrs. Styles nahm eine Teekanne aus einem Apothekerschrank und verschiedene Sorten an Teebeutel aus dem angrenzenden Schrank.
"Wie geht es dir, Sophie?", fragte sie mich plötzlich und drehte sich zu mir um. Mrs. Styles hatte dunkelbraune, schulterlange Haare und braun gebrannte Haut. Sie war bildhübsch, im Gegensatz zu mir. Ich lächelte sie an. So eine Frage hatte man mir zwar Tag und Nacht während meiner Sitzungen bei Dr. Walker gestellt, doch Mrs. Styles meinte es zumindest ehrlich.
"Mir geht es gut...", gab ich langsam zurück.
Sie nickte zufrieden über mein Statement und nahm mich kurz in die Arme. Ich sog ihren Duft ein, sie roch nach Rosen und Geborgenheit, keine Ahnung wie mir das mit der Geborgenheit in den Sinn kam, doch sie roch danach.
"Harry müsste bald vom Meeting zurückkommen, er freut sich schon riesig darauf, seine neue Schwester kennen zu lernen. Gemma freut sich noch mehr, doch sie ist gerade in London, dort studiert sie an der Universität.", erklärte mir Mrs. Styles, sie schaute besorgt auf die Uhr die über der Diele an der hohen Wand aufgehängt war. "Normalerweise ist Harry nie so spät, er hätte schon vor zehn Minuten da sein müssen, wahrscheinlich stecken sie im Stau.", sagte sie daraufhin, noch einen Blick auf die Uhr werfend. Der Tee war endlich gekocht und Mrs. Styles reichte mir eine Tasse. Er roch himmlisch. Ich trank einen Schluck und verbrannte meine Zunge.
"Achtung! Er ist heiß!", sagte Mrs. Styles schnell. Ich nickte und lächelte dankend. Jetzt schoss mir ein Gedanke in den Kopf: ich kannte ihren Namen noch nicht!
"Ehm, Mrs. Styles?", fragte ich schüchtern.
Mrs. Styles drehte sich vom Fenster weg. "Ja, Kleine?", sagte sie mit fürsorglicher Stimme.
"Wie soll ich Sie nennen?", fragte ich noch schüchterner, und spürte wie Blut in meine Wangen schoss. Hoffentlich merkte sie es nicht. Mrs. Styles lachte ein helles und schönes Lachen. "Du kannst mich Anne nennen, wenn du willst, Mrs. Styles klingt zu spießig! Wenn es für dich okay ist, kannst du mich auch Mom oder so nennen, aber ich glaube für den nächsten Schritt brauchst du noch ein wenig Zeit.", antwortete sie mir. Ich lächelte sie an. Eigentlich wollte ich darauf etwas erwidern, oder ihr einen Kompliment wegen ihrem Namen machen, aber wie so oft brachte ich keinen Ton heraus. Plötzlich ging die Tür auf und laute Stimmen drangen in die Küche. Anne lächelte zufrieden und nahm mich bei der Hand. Die Stimmen wurden lauter bis schließlich fünf Jungs die Küche betraten. Einer von diesen war anscheinend mein Bruder. Anne ging zu einem hochgewachsenen Jungen mit grünen Augen und lockigen, in allen Richtungen abstehenden Haaren und umarmte diesen. "Harry!", sagte sie nur.

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Hallöchen, das ist meine erste Fanfiction, ich hoffe sie gefällt euch, schreibt in die Kommentare was euch gefallen und nicht gefallen hat!! :) -MrsHoransNandos

Broken Angel In The Sky...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt