Kapitel 18

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Der Ball fand drei Tage später statt und ich war soweit auch wieder recht fit. Madam Pomfrey hatte mich widerstrebend aus dem Krankenflügel entlassen, aber nachdem ich bettelnd vor ihr auf die Knie gefallen war, ließ sie mich gehen. Es war sterbenslangweilig, den ganzen Tag nur herumzuliegen.
Aber vielleicht hätte ich dennoch lieber ein paar Tage im Krankenflügel bleiben sollen.
Es war schwer für mich, durch die Schule zu laufen und von allen angestarrt zu werden. Die einen hatten vermutlich Angst vor mir, die anderen waren einfach neugierig. Ich hasste es, aber ich hatte immerhin meine Freunde, die zu mir hielten. Fred und ich hatten seit dem Kuss allerdings kaum ein Wort miteinander gewechselt. Irgendwie hatte es sich nie ergeben, weil immer irgendetwas anderes passierte. Außerdem war er irgendwie abweisend und ging mir aus dem Weg. Angelina war der Meinung, ich würde mir das nur einbilden, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass Fred sich absichtlich von mir distanzierte.

Aber heute Abend war der Ball. Ich hoffte, dass ich da die Gelegenheit haben würde, endlich diese ganzen Probleme und Missverständnisse aus der Welt zu schaffen. Mit Lee war schließlich alles geklärt, er wusste, dass ich Fred liebte, ich wusste das auch, und außerdem, dass dieser mich offenbar auch gern hatte (schließlich hatte er mich geküsst). Also... Was stand uns im Weg? Eigentlich gar nichts. Nur ein paar Worte zu viel, die nicht hätten ausgesprochen werden dürfen und einige Worte zu wenig, die hätten ausgeprochen werden müssen! Angelina, Katie, Luna und ich machten uns gemeinsam für den Ball fertig. Luna war von einem älteren Durmstrang gefragt worden, weshalb sie auch auf den Ball gehen konnte, George hatte Angelina gefragt und Katie ging mit so einem anderen Gryffindor, dessen Namen ich vergessen hatte. Ich selbst versuchte alles, um hübsch auszusehen, allerdings nicht für meine Begleitung, sondern für Fred. Angelina und ich hatten gestern in Hogsmeade ein Kleid für mich gekauft und es war wunderschön. Ich hoffte nur, dass ich der Schönheit des Kleides wenigstens ansatzweise gerecht werden konnte.
Das Kleid war aus dunkelblauem, seidigem Stoff, mit silbernen Verzierungen am Mieder und einem tollen Ausschnitt. Ich hatte Angst, dass ich zu viel Dekolleté zeigte, Angelina meinte, es sei geradeso genug. Ja, wir waren uns wie immer einig. Der Rock floss wie Wasser um mich herum. Meine Haare bearbeitete Katie mit dem Lockenstab. Luna wollte mich schminken, doch das übernahm ich lieber selbst, im Gedanken an Lunas ausgefallenen Geschmack. Ich trug nur etwas Lidschatten, Wimperntusche und hellgrauen Eyeliner auf, sowie etwas Rouge. Meine Lippen glänzten in einem leichten Rosaton.

"Du siehst toll aus!", rief Angelina im Brustton der Überzeugung und dieses Kompliment konnte ich nur zurückgeben. Wir sahen alle toll aus. Angelina trug ein dunkelrotes, Glitzerkleid mit goldenen Pailletten, was ihr aufgrund ihrer dunklen Haut- und Haarfarbe hervorragend stand, Katie hatte sich für ein rosafarbenes Kleid entschieden, was ebenfalls mit ihren Haare und ihrer Schminke harmonierte. Tja, und Luna? Sie hatte ein auffälliges, glitzriges, irritierendes Kleid an, das wirklich zu ihr passte.

Wir standen gemeinsam vor dem Spiegel und kicherten bei unserem Anblick. "Dass ich mich mal so aufbrezeln würde, hätte ich nicht gedacht", murmelte ich und Angelina stimmt mir zu. "Tja, was tut man nicht alles für die Liebe!" Wir lachten. Doch dann wurde es Ernst. Wir machten uns auf den Weg zur großen Halle. Die ganze Zeit über klopfte mir mein Herz bis zum Hals, ich war beinahe so aufgeregt wie vor meinem Kampf mit dem Drachen. Ich hatte mir vorgenommen, Fred zu sagen, was ich fühlte. Ich hatte ihn geküsst und er hatte mich zurückgeküsst. Er musste also auch etwas für mich empfinden, oder nicht? Das wäre nur logisch. Warum also fürchtete ich mich trotzdem so sehr davor, ihm zu sagen, was ich für ihn empfand?

Wir erreichten die Treppe. Zögerlich lugte ich um die Ecke und versuchte, Fred oder Lee in der Menge zu erspähen. Die beiden standen nebeneinander, direkt am Fuße der großen Treppe. Oh Gott.

Angelina packte meinen Arm und zerrte mich mit. "Jetzt bloß nicht kneifen!", murmelte sie und ich stieß ein gequältes Quieken aus. "Das sagt sich so leicht", grummelte ich. Zu viert betraten wir die Treppe und gingen die Stufen hinunter, wobei ich eigentlich nur vor mich hin murmelte: "Bloß nicht stolpern, jetzt bloß nicht stolpern!" Ich richtete meinen Blick auf Fred und Lee. Beide schauten zu uns und Fred's Lächeln war atemberaubend. Es ließ meine Knie weich werden und gestaltete den Abstieg noch schwieriger. Gott sei Dank erreichte ich wohlbehalten den sicheren Boden. Lächelnd trat ich auf die beiden zu und Lee reichte mir seinen Arm. Ich schaute mit geröteten Wangen zu Fred, doch er lächelte immer noch genauso wie eben in Richtung Treppe. Häh, ich war doch schon unten...?

Irritiert folgte ich seinem Blick und erstarrte. Wohl direkt hinter mir auf der Treppe war Fleur Delacour gewesen, die jetzt mit einem hellen Kichern auf Fred zu schwebte. Sie sah unglaublich schön in ihrem silbernen Kleid aus, sie füllte den Raum mit ihrer Präsenz, als sei sie eine Göttin, und wir nur die niederen Sterblichen. Ich fühlte Tränen in meinen Augen aufsteigen und wandte mich ab, als Fred ihr seinen Arm reichte. "Komm, lass uns reingehen", murmelte ich ohne Lee anzusehen und zog ihn zur Großen Halle. "Du siehst wunderschön aus", murmelte er sanft und ich schaute ihn lächelnd an. "Danke. Du siehst auch gut aus." Jedoch nicht so gut wie Fred, schaltete sich meine innere Stimme ein. Ich zuckte zusammen. Ja, wie auch. Aber Fred hatte ja eine andere Begleitung gefunden, die ihm offenbar besser gefiel als ich. Aber warum hatte er mich dann geküsst? Aus Mitleid?!

Nachdem die Champions den Ball eröffnet hatten, grinste Lee mich an und fragte: "Darf ich Sie um diesen Tanz bitten, Mylady?" Ich hatte eigentlich keine große Lust zu tanzen, doch ich wollte dem Gryffindor seinen Abend auch nicht vermiesen. Also nickte ich und lächelte halbherzig. Insgesamt machte es auch wirklich Spaß. Lee wirbelte mich von einer Drehung in die nächste und ich musste mit ihm gemeinsam lachen, wenn ich mich vor lauter Drehwurm nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Für diese Zeit konnte ich Fred und diese blöde Fleur vergessen.

Doch nach einigen schnellen Songs wurde ein langsamerer gespielt. Die Pärchen fanden sich zusammen und wiegten sich eng aneinander gepresst zur Musik hin und her. Mein Blick fiel auf Fred und Fleur, die einen Moment genauso unsicher herumstanden wie mein Begleiter und ich. Fred schaute zu mir und unsere Blicke trafen sich. Er schien etwas sagen zu wollen, doch dann schüttelte er nur den Kopf und zog Fleur eng an sich. Er sah mich immer noch an, doch es war Fleur, die er in den Armen hielt. Ich schluckte und Tränen traten in meine Augen. "Wieso tut er das nur?", flüsterte ich mit brechender Stimme. Lee wirkte zuerst verwirrt, doch dann bemerkte auch er das Pärchen. Mitfühlend sah er mich an. "Er ist halt manchmal ein echter Idiot." Lächelnd hielt er mir seine Hand hin. Er wollte auch mit mir tanzen. So wie Fred es mit Fleur tat. Für eine Sekunde war ich versucht, dieses Angebot anzunehmen. Ich könnte Fred zeigen, dass er mir egal war, dass es mich nicht interessierte, was er mit Fleur tat.

Doch das wäre gelogen. Und es wäre Lee gegenüber einfach nicht fair. Er würde sich Hoffnungen machen, die ich aber niemals erfüllen könnte. Ich schüttelte schnell den Kopf und schaute ihn mit tränenverschleiertem Blick an. "Tut mir leid", flüsterte ich. Seine dunklen Augen wurden groß und er ließ die Hand sinken. "Ich brauche frische Luft", murmelte ich und bahnte mir einen Weg zwischen den Tanzenden hindurch. Ich musste irgendwohin, wo ich Fred und diese blonde Kuh nicht mehr sah.

Draußen angekommen, es war schweinekalt, hockte ich mich auf eine Bank und schlang zitternd meine Arme um mich. Wie konnte ich Fred nur immer so falsch verstehen? Er hatte offenbar überhaupt kein Interesse an mir, denn sonst würde er mir nicht so wehtun. Wenn man jemanden liebte, dann wollte man diese Person beschützen und sie niemals verletzen, oder? Ich begann zu weinen. Hier konnte ich es ja tun, hier sah mich niemand. Sie vergnügten sich alle drinnen in dem warmen Saal, tanzten, lachten, tranken... Und ich war allein hier draußen in der kalten Dunkelheit. Mein ganzer Körper zitterte. Warum hatte Fred Tage lang an meinem Bett im Krankenflügel gesessen, wenn ich ihm nichts bedeutete?! Das war doch völlig unlogisch!

Ich war in Ravenclaw und ich gehörte zu den klügsten Mädchen der Schule. Aber hier machte mein Gehirn wohl gerade Kaffeepause, denn ich verstand die Welt nicht mehr.

In 4 Lektionen zum Erfolg- Eine Fred Weasley FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt