❥Der zweite Platz ist der erste Verlierer

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                  AN DEM SAMSTAG HÄTTE ICH SELBST NICHT gekonnt

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                  AN DEM SAMSTAG HÄTTE ICH SELBST NICHT gekonnt. Die Westdeutsche Meisterschaft fand am Wochenende statt und nur mit Glück würde ich es dann pünktlich zum Treffpunkt schaffen, den ich angegeben hatte. Ich hätte ihm absagen können, doch das tat ich nicht – Obwohl er die Nachricht gelöscht hatte und ihm glauben war, dass ich sie nicht gesehen hatte, änderte es nichts daran, dass auch ich ihn vermisste. Die Woche in der Schule und auch im Studio fühlte sich ellenlang an, da meine Gedanken mehr um Julian kreisten als um Schule und um die Meisterschaft, die ich erneut gewinnen wollte.

So verbrachte ich Abends mehr Zeit im Studio und arbeitete an der Kritik, die Pierre mir gegeben hatte.

Übermüdet und leicht unvorbereitet lief ich neben meiner Mutter her, die wie immer meine Tasche trug und mich die das Wochenende über begleiten wollte. Das tat sie immer und würde damit auch nicht so schnell aufhören. Sie tat es nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen Schwestern. Sie wollte immer dabei sein, wenn wir gewannen oder verloren. Bei meinen Brüdern begleitete mein Vater sie, da sich meine Mutter kaum für Fußball, Wasserball oder auch Basketball interessierte.

»Dieses Jahr nehmen ja sehr viele teil. Denkst du, du schaffst es auch dieses Jahr?«, fragte sie mir und reichte mir die Wasserflasche, aus der sie vorhin noch getrunken hatte.

»Du solltest mich ermutigen, Mama.«, seufzte ich und nahm einen Schluck aus der Flasche. »Die Konkurrenz ist diesmal vielleicht ein bisschen stärker, da ich selbst Katharina Kasakovska heute zu Gesicht bekommen hab und die ist sehr gut.«, antwortete ich und war schon ein bisschen verunsichert.

Durch eine langzeitige Verletzung nahm sie nicht mehr an den Westdeutschen Meisterschaften teil und überließ meist Aylin den Vortritt auf den zweiten Platz. Sie heute wieder zu sehen, machte mich leicht nervös. Nach einer Verletzung kam man bekanntlich stärker zurück und ich hatte Angst, dass Katharina genau dies tat. Stärker sein und mich übertrumpfen!

Dennoch floss kein böses Blut zwischen uns. Katharina und ich sind sogar Freundinnen. Ich verstand mich mehr mit meiner Konkurrenz als mit denen aus meinem Studio.

»Daher muss ich heute und morgen mehr als hundert Prozent geben.«, fügte ich noch hinzu und nahm meine Tasche, als ich nun vor dem Ankleideraum stand, in dem schon meine Gruppe wartete. »Wünschst du uns Glück?«, fragte ich sie und schaute ihr die Augen. Ich wusste, dass sie uns immer Glück wünschte und dabei all ihre Finger kreuzte. Dennoch stellte ich ihr die Frage immer wieder und wollte einfach aus ihrem Mund hören, dass sie es noch immer tat.

»Hals und Beinbruch, mein Schatz.«, lächelte sie und gab mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. »Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch.«, sagte ich zu ihr und lächelte dabei. Doch das Lächeln verschwand sofort, als ich in den Ankleideraum trat und ich direkt ins Gesicht von Rebekah, die ihre Haare schon einmal gemacht hatte.

»Gibst du deiner Mutter immer noch einen Kuss auf die Lippen? Wie alt bist du, Adeline? Fünf?«, fragte sie mich gehässig und wurde dabei von ihren Freundinnen unterstützt, die darüber lachten. »Aber wenn du dich danach besser fühlst und unsere Gruppen Routine nicht versaust, sollte es mir recht sein.«, sagte sie und zuckte anschließend mit ihren Schultern.

Ohne ein Wort mit ihr zu wechseln, legte ich meine Tasche ab und setzte mich an einem Tisch, um meine Haare vor dem Spiegel machen zu können.

Die Stimmung im Ankleideraum war wie jedes Jahr angespannt. Pierre, die an den Frisuren zu meckern hatte, Aylin, die wie immer ihre Pinsel nicht finden konnte und der Rest, der einfach nervös durch die Gegend tanzten und dabei von Pierre angeschrien wurden. Er wollte nicht, dass sich seine Tänzerinnen bei Dummheiten verletzten und die Gruppe dann anschließend mit einer «Frau» weniger tanzen musste.

Hoffentlich sah die Stimmung etwas lockerer aus, wenn wir mit der Gruppe gewannen.


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»Hey, Ade!«

»Oh. Hey, Katharina.«, drehte ich mich zu ihr um und umarmte sie mit einem echten Lächeln auf den Lippen, obwohl ich nun am liebsten weinen könnte! »Herzlichen Glückwunsch zum Gruppensieg.«, gratulierte ich ihr und meinte es ernst. Ihre Routine sah einfach sauber aus! Natürlich gaben die Juroren ihnen mehr Punkte gaben als uns. Dennoch reichten die Punkte für den zweiten Platz.

»Vielen Dank. Eure Routine sah ebenfalls gut aus. Blöd für euch, dass ihr nur den zweiten Platz erreicht habt.«, antwortete sie und lachte leicht.

»Ja, sehr blöd.«, erwiderte ich und musste mit ihr lachen. »Dieses Jahr sollte ich mich vermutlich in Acht nehmen, da du auf jeden Fall stärker bist. Deine Gruppe war im letzten Jahr auf Platz Fünf. Kaum bist du da, seid ihr auf Platz Eins.«

Katharina ist eine unglaublich gute Balletttänzerin, die immer Hundert Prozent gab und ihre Mitstreiterinnen aus dem Rampenlicht schubsen konnte. Daher musste auch ich Hundert Prozent geben!

»Oh, das solltest du echt.«, grinste sie. »Ich muss dann auch schon wieder. Hat mich echt gefreut dich nach der langen Auszeit zu sehen! Sehen uns morgen.«, verabschiedete sie sich mit einer Umarmung von mir und lief davon. Keine Sekunde später kam Aylin angelaufen, die ihren Frust an mir ausließ und sich dabei auch kein Blatt vor dem Mund hielt. Wie immer, eigentlich.

»Wegen dir haben wir verloren! Kaum ist Katharina wieder da, knickst du ein und lässt sie gewinnen! Ein Zeichen dafür, dass du nicht wirklich gut bist und nur funktionierst, wenn du keine starke Konkurrenz hast. Die letzten Meisterschaften waren einfach nur Glück und–«, ohne sie ausreden zu lassen lief ich davon und suchte nach meiner Mutter, die sich ebenfalls über den zweiten Platz ärgerte.

Dennoch versuchte sie den Fehler nicht allein in mir zu finden sonder in der Gruppe. Dabei tröstete sie mich noch und dachte wohl, dass ich wegen der Platzierung weinte.

»Denk' bitte nicht, dass der zweite Platz der erste Verlierer ist, Adeline! Beim nächsten Mal seid ihr einfach konzentrierte und dann schafft ihr es.«, sagte sie und nahm mich dabei in den Arm.

𝐓𝐢𝐥𝐥 𝐃𝐞𝐚𝐭𝐡 𝐃𝐨 𝐔𝐬 𝐀𝐩𝐚𝐫𝐭 ❥ 𝑗. 𝑏𝑟𝑎𝑛𝑑𝑡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt