Kapitel 3 - Kollegen

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Caros Sicht

Ich saß in meinem neuen Praxisraum und war gerade in Gedanken versunken. Ich dachte über die seltsame Begegnung mit meinem neuen Kollegen nach. Es war ziemlich arrogant, wie er mit mir umgegangen war, aber irgendwie konnte ich ihm nicht böse sein. Ich hatte das Gefühl, dass er es nicht so gemeint hatte, vielleicht war es einfach seine Art. Plötzlich klopfte es energisch an der Tür. Ich schreckte auf, lief dann aber zur Tür, um sie zu öffnen. "Ach... Sie schon wieder", sagte ich mit einem Lächeln auf den Lippen, als ich Dr. von Hatzfeld dort stehen sah. Schon vorhin war mir aufgefallen, wie gut er aussah und wie schick er gekleidet war, scheinbar legte er viel Wert auf sein Aussehen. Er trug ein helles Hemd, das mit kleinen Pflanzen geziert war und ein dazu perfekt abgestimmtes hellblaues Sakko und die dazugehörige Anzugshose. Seine rotbraunen Haare hatte er mit etwas Haargel gebändigt, trotzdem fiel ihm eine kleine, widerspenstige Locke auf die Stirn. Unsere Blicke trafen sich und wir guckten uns tief in die Augen. Ich konnte seinem Blick nicht ausweichen, es schien, als ob er mich magnetisch anziehen würde. Seine Augen waren mandelbraun, verziert mit kleinen Sprenkeln. Fast könnte man in ihnen versinken. Endlich gelang es mir, mich zu lösen und ich fragte ihn, was mir die Ehre für diesen Besuch von ihm verschaffe. Auch er löste nun seinen Blick von mir, kratze sich verlegen am Hinterkopf und antwortete: "Ich, ehm also nein wir, das heißt die ganze Praxis, würden sie in der Mittagspause gern zum Teamessen einladen. Da könnte man sich eventuell untereinander etwas besser kennenlernen." Seine Mundwinkel formten sich zu einem kleinen Lächeln. "Klar, gerne. In welchem Restaurant denn?", fragte ich. Er nannte mir den Namen und obwohl ich mich, nachdem ich längere Zeit im Ausland verbracht hatte, nicht mehr so gut in Eisenach auskannte, kam mir der Name bekannt vor. Es war ein italienisches Restaurant mit gemütlicher Atmosphäre direkt in der Stadtmitte.
"Timo, könnten Sie bitte kurz kommen, Frau Taubner hat eine Frage zu ihrem Termin!", hörte ich Nora vom Empfang rufen. "Ja also ich muss dann auch mal wieder, bis später.", sagte er leise und verließ den Raum. "Bis später", murmelte ich, obwohl ich wusste, dass er mich nicht mehr hören konnte.

Timos Sicht

Als der Ober uns zu einem großen Tisch in einem abgesonderten, hellen Raum führte, standen dort schon einige italienische Spezialitäten. Antipasti, Bruschetta und Salate türmten sich in kleinen Schälchen auf. Nach einander setzten sich die Kollegen hin; Tanja und Christian setzten sich auf die beiden Stühle an der Längsseite, Nora nahm an einem Stuhl an der Stirnseite Platz. Nur zwei Stühle gegenüber von Tanja und Christian blieben noch frei und nur Frau Thelen und ich standen noch. Sie platzierte sich auf dem rechten Stuhl der beiden übrigen. Verunsichert sah ich sie an. Sollte ich mich jetzt neben sie setzen? "Wollen Sie hier Wurzeln schlagen, Hatzfeld? Setzen Sie sich, ich beiße schon nicht.", lachte sie. Ich war froh darüber, dass sie mir den Platz so offen anbot. Auf einmal kam ich mir selbst albern vor. Was sollte daran so seltsam sein, neben ihr zu sitzen? Schließlich waren wir nun Kollegen. Ich bedankte mich und nahm auf dem Stuhl neben ihr Platz. "Wenn du willst, kannst du auch Timo zu mir sagen.", bot ich ihr an. War es vielleicht etwas früh, ihr das Du anzubieten? So gut kannten wir uns noch gar nicht. Aber warum eigentlich nicht? Sie war ein sympathischer Mensch und machte auf mich nicht den Eindruck, als würde sie Wert darauf legen, dass wir uns weiterhin siezten. "Okay", meinte sie, "aber nur, wenn ich dann auch Caro und nicht mehr Frau Thelen bin."
Wir gaben unsere Bestellung auf und unterhielten uns anschließend von Reisen, bis zum Medizinstudium über alles mögliche. Ich stellte fest, dass man exzellent mit ihr reden konnte und dass wir viele Gemeinsamkeiten hatten. Auch sie mochte asiatische Länder und deren Küche, außerdem wollte sie auch schon immer Arzt werden. Nachdem wir fertig mit dem Essen waren, sagte sie plötzlich "Ach und was ich noch sagen wollte...", und machte eine kurz Pause. Ich hielt die Luft an. Was sie jetzt wohl sagen würde? Fast hatte ich vergessen, dass sie mir vorhin noch etwas sagen wollte. "Weil sie doch der Meinung waren, ich würde nur Rockmusik hören. Sie lagen mit ihrer Vermutung gar nicht so falsch. Aber am liebsten höre ich trotzdem klassische Musik.", vollendete sie ihren Satz und schaute mich erwartungsvoll an. Ich war etwas erstaunt. Auch wenn mir diese Bemerkung heute Morgen nur so rausgerutscht war, hätte ich nicht damit gerechnet, dass sie gerne Klassik hörte. Ich fragte sie, welchen Komponisten sie bevorzugte, weil es mich wirklich interessierte. "Schubert!", erwiderte sie begeistert. Ich war so verwundert, dass mir die Kinnlade hinunterrutschte. "Hab ich jetzt was Falsches gesagt?", fragte Caro belustigt. "Nein, nein, mein Favorit ist ebenfalls Schubert. Was gefällt dir denn an seiner Musik?", erkundigte ich mich. "Seine Musik ist so einzigartig und wunderschön. Das sind Gefühle pur.", sagte sie und zwinkerte mir geheimnisvoll zu. Was sollte das denn nun schon wieder bedeuten?

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