Es war einer der Tage, an denen es noch nicht ganz kalt war, doch der Wind schon stark wehte.
Sie hatten Zeit, die Mutter und ihr Kind.
Das kleine Mädchen blieb immer wieder neugierig stehen und bestaunte die Dinge, die ihre Mutter kaum wahrnahm.
"Guck mal, die Tauben, Mama!", jauchzte die Kleine und breitete ihre Arme aus. Sie konnte sich so leicht begeistern.
Doch plötzlich wurden ihre Augen ganz traurig. "Mama, was hat der Mann?", fragte sie und zeigte auf einen Bettler. Seine Haare waren ganz verfilzt und seine Kleidung schmutzig. Ein Bein war oberhalb des Knies amputiert.
"Warum sitzt er auf der Straße?"
Die Mutter erklärte ihr was ein Bettler ist. Nora war noch nie mit solchen Menschen in Berührung gekommen. Aber klar, sie sollte wissen, dass es arme Menschen gab. Doch jetzt wollten sie weiter gehen. So ein Anblick war nichts für ein Kind. Aber Nora blieb stehen. Sie beobachtete den Mann.
"Komm Nora, wir wollen in die Spielzeigabteilung gehen. Du hast doch dein eigenes Geld mit. Das Geburtstagsgeld von Oma. Ich bin gespannt, was du dir aussuchst!" , versuchte die Mutter das Kind abzulenken.
Doch Nora blieb wie angewurzelt stehen und beobachtete den verwahrlosten Mann.
"Mama, guck doch sein Bein! Er sitzt auf dem kaltem Boden. Der friert doch!"
"Ach komm Nora. Darum müssen wir uns nicht kümmern. Siehst du davorne das große Haus? Das ist das Rathaus. Dort sitzen Leute, die ihm helfen können. "
Sie nahm ihre Tochter an die Hand. Nora war so leicht zu beeindrucken. Sie nahm alle Erlebnisse intensiv auf.
"So, jetzt gehen wir weiter." Endlich konnten sie den Bettler hinter sich lassen. Ihre Tochter sollte den Tag genießen und nicht um fremde Leute kümmern.
In der Spielwarenabteilung leuchteten die Augen der Kleinen. Sie ging von Regal zu Regal und schaute sich alles genau an.
"Kann ich das kaufen?", fragte sie immer wieder und zeigte auf das ein oder andere Spielzeug.
Es war ja ihr Geburtstagsgeld. Sie konnte sich kaufen was sie wollte, so haben das Oma und Opa gesagt.
Endlich hatte sich Nora entschieden. Ein kleiner Kuschelhase sollte es sein.
"Du hast noch Geld übrig.", sagte die Mutter. "Ich weiß, Mama, ich muss auch noch was kaufen."
"Was denn, Nora?", fragte die Mutter lächelnd.
"Ich brauche noch eine Decke!" , sagte Nora entschlossen. "Wofür eine Decke? Du hast doch schon eine Kinderdecke und eine Puppendecke."
"Aber ich brauche noch eine, Mama . Guck mal, so eine, die ist schön!"
Wieder musste die Mutter lächeln. Natürlich rosa. Rosa war Noras Lieblingsfarbe. Und die kleinen Tierchen waren auch niedlich.
"Reicht mein Geld?", fragte das Kind merkwürdig gespannt.
"Ja, die kannst du auch noch kaufen."
"Ich will die Decke für den Mann kaufen. Damit er sich freut.", erklärte Nora.
Der Mutter wurde es langsam zu viel. Was hatte ihr Kind mit diesem Mann zu tun? Sie wollte nicht, das ihr Kind zu sensibel war. Nora sollte glücklich werden. Nicht so empfindlich. Wie sollte sie denn sonst durchs Leben kommen?
Aber die kleine beharrte drauf. Es sollte diese Decke sein. Endlich gab die Mutter nach. Schließlich war es Noras Geld. Und sie sollte ja auch lernen mit Geld umzugehen.
Irgendwie war es der Mutter auch ein bisschen peinlich. Wie sollen die Leute reagieren, wenn sie mit ihrer Tochter zu diesem fremden Mann gingen? Sie wusste auch nicht, was sie mit so jemanden reden konnte.
"Aber fass den Mann nicht an, Nora.", sagte sie, "es könnte sein, dass er Krankheiten hat."
"Ja, Mami.", sagte die Kleine, "Ich geb ihm nur die Decke. Er wird sich freuen!"
'Der wird sich kaum freuen', dachte die Mutter, 'Der will doch nur Geld. Vielleicht trinkt er auch. Er sieht schon so aus...'
Zögernd ging sie mit ihrer Tochter aif den Bettler zu. Nora schaute den Mann ohne Scheu an. "Hier!", sagte sie," ich hab dir eine Decke gekauft. Damit du nicht frieren musst!"
Und nun geschah etwas Unerwartetes. Die Augen des Mannes wurden feucht. Er nahm die Decke. Seine Hände zitterten dabei und der finstere Blick auf seinem schmutzigem Gesicht verwandelte sich in ein strahlendes Lächeln.
"Danke, du bist ein gutes Kind. Du erinnerst mich an meine Evelyn".
Nun war auch die Mutter gerührt. Ob der Mann eine Tochter hatte? Oder hat?
Für die kleine Nora war die Welt jetzt in Ordnung. Der Mann hat sich gefreut. Und sie auch.
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Tut mir leid, dass das Kapitel so spät kommt aber ich hatte heute ein wenig Stress. Hoffe es gefällt euch.
~Vika
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Adventskalender 2014
סיפור קצרKurzgeschichten. Vom 1 - 24. Dezember, wie ein Adventskalender, damit die Tage bis Weihnachten schneller vorbei sind. :)