Brief [27.12.1889]

79 20 35
                                    

27.12.1889

Liebster,

ich weiß, dass das vergangene Jahr nicht immer einfach war. Wir hatten wenig Zeit füreinander und ich weiß, dass du darunter gelitten hast. Ich verspreche dir, dass das kommende Jahr besser wird. Die Stelle an der Universitär, erlaubt es mir im Netzwerk kürzerzutreten (ohne finanzielle Einbußen). Wir werden nur die wirklich wichtigen Aufträge bearbeiten. Um den Rest können sich die Kollegen kümmern.

Ich freue mich auf nächstes Jahr, in dem uns mehr Zweisamkeit erwartet, auch wenn ich weiß, wie vorsichtig wir sein müssen. Ich möchte dir für deine unendliche Geduld danken, denn ich weiß, dass ich nicht immer einfach bin. Ich möchte mich auch gar nicht rechtfertigen, denn ich bin wie ich bin.

Ich möchte trotzdem, dass du weißt, dass ich nie so tief für einen anderen Menschen empfunden habe wie für dich. Es ist seltsam sich um einen Menschen zu sorgen, der nicht man selbst ist und es macht mir Angst. Der Gedanke, dass du verwundbar bist macht mir Angst. Der Gedanke, dass ich durch dich verwundbar bin macht mir noch mehr Angst. Du bist ein Punkt in meinem Leben, den ich nicht vollständig kontrollieren kann. Kontrolle gibt Sicherheit.

Vielleicht beschäftige ich mich deshalb so gerne mit der Mathematik. Nahezu alles lässt sich in Zahlen, Buchstaben und Formeln packen. Kleine, gut kontrollierbare Pakete, die Sicherheit geben. Einfache Regeln, an denen wir uns festhalten können und die sich seit jeher bewähren.

Wir lassen uns nicht so einfach in Schubladen stecken. Unsere Zukunft kann nicht berechnet werden und der Ausgang unsere Geschichte ist im Gegensatz zu den binomischen Formeln ungewiss. Du, mein lieber Sebastian, bist ein Risiko, welches ich nicht berechnen kann.

Ich wünschte ich könnte dich begreifen, verstehen und kontrollierbar machen. Ich muss mich auf dich verlassen können, deiner Loyalität glauben schenken. Bitte sehe mir nach, wenn man diese Unsicherheiten zu spüren bekommt. Ich war lange allein und diese Einsamkeit ist in all den Jahren zu einem Schutzschild geworden. Und nun sind wir seit fünf Jahren Partner. Vor vier Jahren hast du mich zum ersten Mal geküsst und obwohl vier Jahre eine lange Zeit sind, ist es nicht lang genug, damit ein dicker Panzer bricht.

Du bist verständnisvoll, deshalb verstehst du mich. Deshalb kehrst du immer zu mir zurück und deshalb habe ich keine Zweifel, dass wir beide Großartiges schaffen werden, nein, bereits geschaffen haben.

Sebastian, ich wünsche dir ein frohes neues Jahr. Auf das Beste und auf das Glück. Auf uns und auf den Tod. Auf dieses Leben und die Ewigkeit.
Du hast alles verdient und noch viel mehr,

in Liebe,
James

[...✴...]

Ich habe mich entschieden das Kapitel heute hochzuladen.
Morgen werde ich eine etwas längere Radtour machen (geplant sind 76km) und dann muss ich mir morgen hier keinen Stress machen.

Wir lesen uns,
A.S.

RequiemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt