Epilog

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Lux Eterna: Der letzte Teil des Requiems

Viel später erst würde Sebastian erfahren, was am dritten Mai 1891 geschehen war. Und er würde es wie viele andere durch die Geschichten des John Watson erfahren. Im Gegensatz zu Watsons restlicher Leserschaft fielen ihm die kleinen Ungereimtheiten auf, die sich in den Zeilen des ehemaligen Militärarztes verbargen. Er wusste, dass es nie zu einem Treffen von Holmes und Moriarty gekommen war. Moriarty hatte Holmes nie gedroht, nicht sie waren Holmes hinterhergereist, sondern dieser ihnen.

Aber so war es mit der Geschichte, sie wurde von den Siegern geschrieben. Die ganze Wahrheit kam nie ans Licht, immer nur ein Teil. Deshalb ging James Moriarty weder als größtes Genie des damaligen Königreiches noch als ein Mann, der gegen die gesellschaftlichen Konventionen liebte in die Geschichte ein. Niemand sah in dem Verbrecherkönig einen Professor, der die Mitglieder seiner Organisation zu großen Teilen von der Straße holte, sie vor dem sicheren Tod rettete. Man sah nicht einmal den gebrochenen Mann, dessen Mutter als verrückt abgestempelt worden war und dessen erste Liebe sich in einem Zuchthaus das Leben genommen hatte.

Professor James Moriarty ging in die Geschichte ein. Die Leute erinnerten sich seiner, aber nicht an den Mann, der er wirklich war, sondern an den, den Watson für sie gezeichnet hatte. Der Name Moriarty war untrennbar mit dem Namen Holmes verbunden. Denn dazu hatte die Geschichte ihn gemacht; zu Sherlock Holmes ärgstem Feind.

Nicht mehr, nicht weniger.

Sebastians Name sollte erst später in einer Geschichte Watsons auftauchen. Sein Name geriet neben dem des großen Sherlock Holmes und dem des gewieften James Moriartys in Vergessenheit. Niemand wusste um seine Bedeutung, niemand ahnte, dass Moriarty ohne ihn noch am Leben wäre.

Sebastian selbst ahnte nicht, dass er Verbrechergeschichte geschrieben hatte, als er Mary Ann und all die anderen Frauen umgebracht hatte. Er hatte es nicht unter seinem Namen getan, niemand kannte ihn. Er war froh, dass Mary Ann nicht mit ihm oder Moriarty in Verbindung gebracht wurde. Sie hatten alle Ruhe verdient.

Er selbst fand diese Ruhe im Spiel. Hier konnte er seine Gedanken ausschalten, einen kurzen Moment nicht an James denken. James, der noch immer über ihn bestimmte und den er jeden Tag ein bisschen mehr vermisste.

Er hatte geschrien als er Watsons Geschichte gelesen hatte. Hatte getobt und die letzte Whiskey Flasche zerworfen, die ihm aus James Sammlung geblieben war. Er fluchte und weinte. Weinte und fluchte und schrie. Irgendwann beruhigte er sich, las die Geschichte noch einmal. Dieses Mal gründlicher, dann lächelte er leicht.

Die Tatsache, dass Holmes ebenfalls in den Fluten der Reichenbachfälle ums Leben gekommen war, verschaffte ihm Ruhe. Und der Fakt, dass James an einem Ort gestorben war, an dem er Frieden gefunden hatte. Dass war es, was er hoffte, dass James nach Jahren des Kampfes Ruhe gefunden hatte.

Er setzte sich ans Klavier. Seit James Tod hatte er nicht mehr gespielt, aber ein letztes Mal wollte er sich an den sanften Tönen der Melodie versuchen. Ein letztes Mal, bevor er zurück ins East End ziehen würde, wo ein Klavier keinen Platz fand. Für James und für seinen Vater.

Die Töne der Totenmesse flossen durch die Luft. Er lauschte, sang nur eine einzige Zeile. Ein Gebet in den Himmel, eine letzte Bitte.

Dona eis Requiem.

Ende

[...✴...]

Dona eis Requiem:
Schenke ihnen [gemeint sind die Toten] (ewige) Ruhe

Da wären wir. Am Ende.
Was sagt ihr?

Zeitlich käme jetzt wieder der Prolog. Sebastians letzter Auftritt.

Habt ihr für heute was geplant?

Morgen kommt dann die Bonusszene und das Nachwort.

Wir lesen uns
A.S.

RequiemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt