Kapitel 10

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Nilay war gegen ihren Willen eingeschlafen, weshalb sie nun unsanft wachgerüttelt wurde. „Los, aufstehen Prinzessin. Wir dürfen nicht zu spät kommen, das würde unserem König sauer aufstoßen." Der Mann, der sich zuvor schon mit ihr unterhalten hatte, stand über sie gebeugt neben ihr. Mühsam rappelte sie sich auf und rieb sich ihren schmerzenden Rücken. Die Männer hatten bereits alles zusammengepackt und warteten nur noch auf sie. Schnell schlang sie ein trockenes Stück Brot hinunter und spülte mit eine Schluck Wasser nach. Kaum war sie damit fertig, wurde sie von einem der Männer aufs Pferd gezogen. „Was soll das? Ich möchte ein eigenes Pferd haben!" „Für wie dumm haltet Ihr uns eigentlich, Prinzessin? Ich soll Euch ein eigenes Pferd geben, damit Ihr mir so schnell wie möglich davonreiten könnt? Davon könnt Ihr lange träumen. Und jetzt seid still, sonst bringe ich Euch anderweitig zum Schweigen!" Einige der Männer lachten und Nilay konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er sie still bekommen wollte. Da sie keine Lust hatte, sich noch mehr Ärger einzuhandeln, als sie schon hatte, beschloss sie einstweilen leise zu sein. Es war ihr äußerst unangenehm, vor dem fremden Mann zu sitzen und sie gab sich alle Mühe, ihn so selten wie nur möglich zu berühren. Ein fürchterlicher Gestank ging von ihm aus und jedes Mal, wenn er atmete, überkam sie leichte Übelkeit. Noch nie hatte sie einen Menschen getroffen, der so wenig auf Körperpflege hielt, wie dieser Mann. Angeekelt verzog sie ihr Gesicht. Ein Bad wäre nicht nur für ihre Begleiter, sondern auch für sie eine schöne Abwechslung, aber Nilay hütete sich davor, ihre Gedanken laut auszusprechen. Sie ritten den ganzen Tag und als es bereits zu dämmern begann kamen sie in ein kleines Dorf. Da sie das Dorf nicht kannte, war Nilay sich sicher, dass sie sich weit außerhalb ihres Königreichs befanden. „Heute werden wir in einem Gasthaus übernachten. Morgen werden wir den halben Tag reiten, am späten Nachmittag sollten wir bei König Lewis ankommen. Ich bin mir sicher, er erwartet Euch bereits sehnsüchtig", der Anführer blickte mit einem dreckigen Grinsen in Nilays Richtung, die nur mit einem Schnauben antwortete. Im Gasthaus war viel los und Nilay sah sich um, in der Hoffnung, ein bekanntes Gesicht zu finden. Doch so sehr sie es auch versuchte, keiner der Anwesenden erschien ihr in irgendeiner Weise als bekannt. „Beatrice, bring die Lady hinauf in eines der Zimmer und gib ihr zu Essen." Eine Frau mittleren Alters kam auf Nilay zu und lächelte sie warm an: „Bitte folgen Sie mir, ich habe bereits ein schönes Zimmer hergerichtet. Es gibt Fleischeintopf, ich hoffe das ist nach ihrem Geschmack?" Nilay nickte bloß und folgte Beatrice in ein kleines Zimmer. Auf der linken Seite stand ein kleines Bett, gegenüber befand sich ein Schrank und in der Mitte des Zimmers stand ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. „Gäbe es die Möglichkeit, mir ein Bad heraufbringen zu lassen? Ich würde mich wirklich gerne waschen." Beatrice lächelte sie an. „Ich bin mir sicher, dass ich das einrichten kann. Wartet hier. Den Eintopf bringe ich Euch sofort." Kaum war die Frau aus dem Zimmer gegangen setzte sich Nilay auf das Bett. Sie musste sich etwas einfallen lassen, wie sie aus der ganzen Situation wieder herauskam. Vielleicht sollte sie Beatrice um Hilfe bitten? Sie machte einen netten Eindruck und sicher würde sie eine Entführung nicht gutheißen. Zumindest versuchen würde sie es. Kurze Zeit später kam Beatrice gefolgt von zwei Männern, die eine Wanne und warmes Wasser hineintrugen, wieder. Während die Wanne mit dem dampfenden Wasser gefüllt wurde setzte sich Nilay an den Tisch und verspeiste den Eintopf, welcher ausgezeichnet schmeckte. Beatrice wandte sich schon wieder ans Gehen, als Nilay aufsprang und zu ihr lief. „Bitte, ich brauche Eure Hilfe, Beatrice. Mein Name ist Nilay DeCromford, Tochter von König Richard DeCromford. Die Männer, die unten sind haben mich gewaltsam entführt und wollen nun mit mir zu König Lewis reiten, um mich ihm zu übergeben. Ich bitte Euch, helft mir von hier zu fliehen!" Verzweifelt blickte Nilay die Frau an und in ihren Augen konnte sie erkennen, wie Beatrice mit sich rang. „Mylady, es tut mir wirklich leid, aber ich darf Euch nicht helfen. Wenn Markus und seine Männer davon erfahren, dann werden sie nicht nur mein Gasthaus zerstören, sie werden mich schänden und dann qualvoll umbringen. Ich würde Euch wirklich gerne helfen, aber es geht wirklich nicht." Mit einem mitleidigen Blick verließ Beatrice das Zimmer und Nilay fühlte sich noch hilfloser als zuvor. Keiner würde ihr helfen wieder zurück zu Cromford Castle zu kommen. Sie war ihren Entführern einfach schutzlos ausgeliefert! Zum ersten Mal seit ihrer Entführung ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Die Verzweiflung zerfraß ihr Inneres und Angst kroch in ihr auf. Es fühlte sich an, als würde sie daran ersticken, denn die Angst umklammerte ihren Körper und ließ sie zittern. Um sich etwas abzulenken entkleidete Nilay sich und stieg in die Wanne. Seufzend glitt sie in das warme Wasser, welches ihren Körper freudig empfing. Mithilfe einer nach Rosen duftenden Seife fing sie an, ihre Haare und ihren Körper vom Schmutz zu befreien. Wie hatte sie das Gefühl von Sauberkeit vermisst! Als sie fertig war spülte sie ihre Haare mit einem Kübel voll sauberen Wasser aus, danach kletterte sie aus der Wanne und wickelte ihren nackten Körper in eines der Handtücher, die Beatrice auf den Tisch gelegt hatte. Das verdreckte Kleid betrachtete sie mit einem angewiderten Blick. Nilay beschloss, das stinkende Teil im Wasser zumindest etwas zu säubern und danach vor den Kamin zu hängen. Das Unterkleid musste sie so wie es war anziehen, denn das Risiko, einem der Männer nackt gegenüberzustehen, wollte sie nicht eingehen. Nach getaner Arbeit legte sie sich unter die flauschige Decke und ehe sich Nilay versah war sie eingeschlafen.

Die Frau des WikingersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt