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Die nächste Stunde verging nur sehr langsam.
Gelegentlich fröstelte ich noch kurz, aber eigentlich fühlte ich mich wieder okay.
Kathi flöste mir literweise warmen Tee mit Honig und Milch ein, damit mir nicht gleich wieder kalt wurde.
Dann durften wir endlich das Krankenhaus verlassen.
Wir nahmen ein Taxi zu ihrem Haus und sie machte das Bett im Gästezimmer fertig.
Dorthin brachte sie mir erneut alle möglichen warme Getränke und Decken damit mir nicht wieder kalt wird.
Die Heizung war meiner Meinung nach viel zu hoch gestellt und ich hatte das Gefühl, vor Hitze umzukommen.
Dann fingen wir an zu reden.
"Magst du drüber reden?" fragte sie zögerlich. "Also wegen Natha..."

Bei der bloßen Erwähnung seines Namens brach in mir das totale Gefühlschaos aus.

Einerseits hasste ich ihn. Ich hasste ihn dafür, dass er so oft betrunken war und dass er sich dann so daneben benahm. Er hat dich geschlagen!, versuchten meine Gedanken mir klar zu machen. Wie weit wäre er gegangen, wenn du nicht weggelaufen wärst?

Andererseits war er doch immer noch mein Freund. Oder?

"Lynn?" Kathis Stimme holte mich aus meinen Gedanken zurück in die Gegenwart. "Mh?" machte ich verwirrt und sie lächelte mich abwartend an: "Was war denn jetzt mit Nathanael? Ich dachte, er wäre so perfekt?" Oh ja, das dachte ich auch mal...

"Er...er...ach Kathi!" Ich spürte, wie mir eine einzelne Träne still und leise die Wange hinunterhuschte, aber meine Gastgeberin hatte es gesehen. "Hey Mäuschen, nicht weinen!" nuschelte sie traurig und legte mir sanft eine Hand auf den Arm. "Danke..." murmelte ich und versuchte ein Lächeln. "Das ist echt lieb von dir, dass ich erst mal hier bleiben kann. Es tut mir wirklich leid, was passiert ist!" - "Sht." machte sie lächelnd und legte mir einen Zeigefinger auf die Lippen, damit ich aufhörte, mich zu entschuldigen. "Also gut." seufzte ich und dann begann ich ihr alles zu erzählen. Und mit alles meinte ich alles!

Das Essen schmeckte wirklich lecker und danach wollte ich nur noch schlafen. Kathi, die das zum Glück verstehen konnte, lieh mir eine gemütliche Schlafhose und ein Top, da meine gesamten Sachen ja zuhause waren.

Nach schier endlosen Diskussionen war auch endlich geklärt, wer wo schlafen würde. Kathi bestand darauf, dass sie mir ihr Bett überließ, während ich mich auf die Couch verkrümeln wollte. Schließlich willigte ich nur ein, doch ihr Bett zu nehmen, weil ich so unendlich müde war und einfach schlafen wollte und es nicht so aussah, als ob Kathi nachgeben würde. Kaum hatte ich mich in die warme Decke gekuschelt, entschwand ich sofort ins Land der Träume.

Am nächsten Morgen wurde ich durch die Sonnenstrahlen, die durchs Fenster hereinfielen und mich an der Nasenspitze kitzelten, geweckt. Ich blieb noch ein paar Minuten liegen, ehe ich mich genüßlich streckte. Mir entwich ein herzliches Gähnen und irgendwie war ich fast so etwas wie...glücklich.

"Ly?" Kathi streckte vorsichtig ihren Kopf ins Zimmer. Bei meinem alten Spitznamen musste ich breit grinsen und antwortete mit einem Lächeln. "Es gibt Frühstück." teilte meine Gastgeberin mir mit. "Im Bad liegen frische Klamotten." - "Oh Kathi, du bist ein Schatz!" jubelte ich, sprang auf und drückte sie kurz, ehe ich mich ins Bad begab, wo ich mich eilig abduschte und danach in Kathis Klamotten schlüpfte. Zum Glück hatten wir fast die gleiche Größe!

Am Frühstückstisch herrschte zunächst ein behagliches Schweigen. "Du, Ly, wir sollten vielleicht ein paar Sachen von dir holen, meinst du nicht auch?" fing Kathi irgendwann an und ich kaute nervös an meiner Unterlippe. "Ich weiß nicht..." - "Hey, kein Problem!" Kathi lächelte mir aufmunternd zu. "Das reicht sicher auch noch morgen!" Erleichtert nickte ich ihr zu und als wir fertig gegessen hatten, räumten wir zusammen den Tisch ab und räumten eilig ihre Küche auf.

"Magst du eigentlich noch Sunrise Avenue?" meinte meine wieder-beste-Freundin, während sie mit einem feuchten Lappen abwesend über die Theke fuhr, um einen festgetrockneten Tomatensoßenfleck zu entfernen. "Klar! Du etwa nicht mehr?" fragte ich überrascht und räumte das letzte Glas zurück in den dafür vorgesehenen Schrank. "Doch, natürlich! Deshalb wollte ich dich ja auch etwas fragen..." - "Schieß los!" Jetzt war meine Neugier geweckt und ich schaute sie erwartungsvoll an. "Also..." begann Kathi und legte den Lappen ordentlich zur Seite, ehe sie mich aufgeregt angrinste. "Sie geben ja in ein paar Tagen ein Konzert hier in der Nähe und ich hab noch 'ne Karte übrig..." Mein Gehirn brauchte ein paar Momente, ehe die Information angekommen war. "Was?! Heißt das, dass wir da zusammen hingehen?!" kreischte ich hysterisch los. Kathi grinste mich frech an: "Genau das heißt es." - "Oh Gott, du bist so...oh mein Gott!" Ich vergaß tatsächlich ein paar Freudestränen, was auch Kathi einen kleinen Fangirl-anfall verpasste und am Ende lagen wir uns heulend in den Armen und freuten uns. Nathanael war in diesem Moment vergessen. In der Zeit, in der Kathi und ich noch beste Freundinnen gewesen waren, hatten wir immer Sunrise Ave gehört und wir liebten ihre Musik einfach. Die Vorstellung, bald auf einem Konzert zu sein und dann auch noch mit Kathi, war einfach unbeschreiblich überwältigend.

Und da es nur noch wenige Tage bis zum Konzert waren, beschäftigten Kathi und ich uns den ganzen restlichen Tag mit einer sehr wichtigen Frage:

Was zur Hölle sollten wir anziehen?!

Merry X-mas 《Sunrise Ave》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt