Mira und Rose

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Wir saßen etwa seit einer halben Stunde in "Briggees Eissalon" und ich genoss jede Minute. Rose, so hieß die Frau, war nur fünf Jahre älter als ich, arbeitete seit einem Monat im Rossmann am Markt und wohnte in Niederjahna. Sie mochte Katzen, Ski fahren und romantische Komödien. Außerdem hatte Sie eine lange Liste an Orten die sie besuchen wollte. "Ich habe nie lange an einem Punkt gewohnt...", erzählte sie mir gerade, während ich versuchte den letzten Rest Schokoladeneis aus meinem Becher zu kratzen,: "... Es hat immer für ein paar Monate gepasst, aber dann wollte ich etwas Neues. Meine Eltern waren anfangs genervt, zumal ich immer weiter von meinem Heimatdorf wegziehe, aber ich denke sie gewöhnen sich mehr und mehr daran." Ich nickte und schob die Gedanken der Romanze die ich in meinem Kopf zusammengestellt hatte zum hundertsten mal weg. Ich wollte mir keine Hoffnungen machen. Mir fiel kein Happy End zu meiner Romanze ein und ich hasste schlechte Enden. Aber sie waren Teil der Realität und ich lebte lieber hier als in einer Traumwelt.

"Ich bin erst zweimal umgezogen. Als ich klein war, mussten meine Mutter und ich weg von meinem Vater und sobald ich 18 war bin ich vor Ma's jetzigem Freund geflohen." sagte ich und gab den Kampf gegen den Becher auf. Blöde, dünne Bechergläser! "Dein Vater war nicht sonderlich väterlich?" fragte Rose und leckte ihren Löffel ab. Geh weg, du Kopfkino! "Nein. Er wollte keine Kinder. Er hat sich wirklich bemüht, sich an mich zu gewöhnen, aber schließlich hat ihn meine Anwesenheit und die Liebe die Ma mir entgegengebracht hat, rasend gemacht. Er fing an auf sie einzureden mich ins Heim zu geben, zerstörte Dinge und gab mir die Schuld, bedrohte mich auch ab und zu. Irgendwann hatte Ma es satt und wollte die Beziehung beenden, aber das wollte er nicht. Nur mit der Hilfe ihres Bruders bzw. seinem Kumpel von der Polizei haben wir es geschafft wegzuziehen." "Wie muss ich mir diese Hilfe vorstellen?" fragte Rose schmunzelnd. "Ma hat mich von meiner alten Schule abgemeldet und mich an einer neuen angemeldet ohne mir etwas zu sagen. Meine Klassenlehrerin wusste davon und eines Tages kam sie mit Limo und Süßigkeiten in die Klasse. Da war ich 8. Sie sagte es gäbe etwas zu feiern und das wir das tun sollten. Nach etwa einer Stunde kam Ma in die Klasse. Sie sagte dass ich jetzt von meinen Freunden Abschied nehmen müsse, weil wir von Pa wegmüssten. Ich habe viel geweint, aber ich hatte damals Angst vor meinem Vater und wusste wo meine Freunde wohnten und das ich sie wiedersehen konnte, also habe ich mich gefügt. Wir sind zu ihrer Freundin gefahren und haben etwa drei Wochen bei ihr gelebt bis wir eine Wohnung hatten. Pa hat zwar versucht uns zu finden, aber tatsächlich hat er seinen Fehler irgendwann eingesehen und hat uns in Ruhe gelassen. Die Hilfe bestand darin, dass er "zufällig" eine Polizeikontrolle hatte, als Ma zur Schule aufgebrochen ist." Ich starrte auf meinen fast leeren Becher. "Vermisst du deinen Vater?" hörte ich Rose' Stimme "Nein. Ich vermisse es einen richtigen Vater zu haben. Der stolz auf mich ist und mir hilft, wenn ich etwas bauen will oder mit mir Fahrrad fährt. Aber hey, wenn man alles hätte, wäre das Leben doch öde!" Ich sah auf und sah Rose lachen. "Dein Optimismus würde vielen guttun!" sagte sie und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Sie winkte einem Kellner um zu zahlen. Ich wusste nicht ob ich noch mehr Zeit mit ihr verbringen wollte oder nicht. Ich mochte sie sehr, aber ich war unsicher. Ich wollte sie nicht um ein weiteres Treffen bitten. Ich hatte Angst zurückgewiesen zu werden. Das war ein schöner Nachmittag und ich sollte mein Glück nicht weiter herausfordern.

Rose und ich verließen das Lokal. Der Himmel verfärbte sich schon leicht und die Luft war frisch. Ich zog meine Jacke enger. Rose sah mich besorgt an. "Ist dir kalt?" Ich lächelte. "Ein wenig, aber das ist nicht schlimm..." bevor ich weiterreden konnte, stellte Rose sich hinter mich und legte ihre warmen Arme um meinen Körper. Einfach so. Ich spürte ihre Wärme durch meine Jacke. Und ich spürte ein starkes Herzklopfen. War es meines oder ihres? "Der Nachmittag war sehr schön! Hast du Lust das zu wiederholen?" fragte Rose leise. Nun war ich mir sehr sicher, dass es mein Herz war. Wollte ich? Ich schloss die Augen. Eine Bekannte hatte mir einst den Tipp gegeben, auf den ersten Impuls zu hören der sich ergab. Nur dieser würde aus dem Herz kommen, alle folgenden vom Gehirn. Also sagte ich "Ja. Sehr gerne."

Wir standen noch kurz so da. Dann lies Rose mich los und wühlte in ihrer Tasche nach ihrem Telefon. Ich gab ihr meine Handynummer und schließlich ging ich allein zu meinem Auto und fuhr nach Hause. Als ich die Wohnung aufschloss, begrüßte mich mein Kater Miro. "Hallo Fellknäul. Tut mir leid, dass ich so spät komme. Es gibt gleich Essen." Ja alleine zu leben mit Haustieren hatte meist die Begleiterscheinung, dass man anfing sich mit den Haustieren zu unterhalten. Mein Kater strich um meine Beine, während ich ihm sein Futter zurechtmachte. Normalerweise tat er das auch wenn ich mir anschließend meine Schnitten schmierte aber heute saß er einen halben Meter von mir entfernt und sah mich neugierig an. Er spürte das mich etwas beschäftigte. "Sie war toll!" sagte ich zu ihm, als hätte ich schon drei Stunden über das Treffen gesprochen. "Aber irgendwie... " ich unterbrach meine Arbeit und hob ihn hoch. Er schnurrte als ich mein Gesicht an seinem Fell rieb. Seine Körperwärme beruhigte mich. "Ich hab Angst, das wieder was doofes passiert." er stupste mich an. "Jaja, ich lass dich runter." ich beendete meine Schmiererei und setzte mich vor den Fernseher. Miro setzte sich auf meine Füße. Es dauerte nicht lange bis ich eingeschlafen war. Ich träumte von nackten Körpern und liebkosenden Händen. Doch irgendwann wurden die streicheleinheiten zu Schlägen und ich hörte mich schreien. Wieder und wieder... Ich fuhr hoch und schreckte Miro aus dem Schlaf. Der Kratzer, den er mir zum Dank am Bein hinterließ war zum Glück nicht groß. Ich rieb mir die Augen. Ja, meine Angst hatte eine Vergangenheit.

Zeig mir mich selbst in besser (GirlXGirl, BoyXBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt