30. Kapitel

10 0 0
                                    

Als ich aufwache, ist es in Liams Zimmer noch dunkel. Deshalb denke ich zuerst, dass es noch sehr früh am Morgen sein muss, doch mit einem Blick auf Liams Uhr und seine Fenster fällt mir auf, dass es schon elf Uhr am Vormittag ist. Er hat einfach nur dunkelgraue Vorhänge vor seinen Fenstern. Ich drehe mich auf den Rücken, gähne und reibe mir die Augen. Dann starre ich an die Decke und ein leichtes Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht, als ich den gestrigen Abend Revue passieren lasse.

Liam und ich haben uns geküsst. Mehrmals!

Ich sehe mich in seinem Zimmer um, kann Liam aber nirgends entdecken. Das heißt, er muss schon aufgestanden sein. Ich kuschele mich noch ein Mal in sein gemütliches Bett und drücke meine Nase in sein Kissen, um seinen Geruch in mich aufzunehmen. Einige Minuten verstreichen, bis ich mich dazu aufraffen kann, sein Bett zu verlassen. Ich schäle mich also aus seiner Bettdecke, in die ich irgendwie ganz seltsam eingewickelt bin. Dann verlasse ich leise sein Zimmer und betrete mein eigenes. Ich gehe schnell ins Bad, dusche und suche mir dann frische gemütliche Klamotten aus dem Schrank. Erst jetzt merke ich meine starken Kopfschmerzen und ich stöhne genervt auf. Ich trage einen Hoodie, der mir viel zu groß ist und eine Sportleggins. Nach einem letzten Blick in den Spiegel mache ich mich auf den Weg in die Küche. Auf halbem Weg, genauer gesagt noch im Flur vor meinem Zimmer, sinkt meine Laune noch weiter, denn aus dem Zimmer meiner Eltern dringt ein lautstarker Streit in den Flur. Sie schreien sich schon wieder an, das passiert in letzter Zeit viel zu oft für meinen Geschmack. Völlig genervt und auch ein bisschen traurig laufe ich die Treppe runter und durch das Wohnzimmer in die Küche.

"Na, auch mal ausgeschlafen, Schlafmütze?" redet Rain gleich fröhlich los, als sie mich erblickt. Ich zucke zusammen, weil bei ihrer lauten Stimme ein Stechen durch meinen Kopf fährt. Und als ich mich umsehe, scheine ich nicht die einzige gewesen zu sein, der es bei ihrer Aussage so ging. Hope sitzt am Tisch, den Kopf auf die Hände gestützt und das Gesicht nach unten. Josh hat es sich einfach gleich mit dem Kopf auf der Tischplatte gemütlich gemacht und Liam lehnt am Küchentresen und mustert das ganze Schauspiel schmunzelnd. Sein Blick fliegt zu mir und seine Augen funkeln. "Brauchst du ne Aspirin?" fragt er und zieht eine Augenbraue hoch. Ich lasse mich stöhnend auf einen der Küchenstühle fallen und nicke in Liams Richtung. "Man, was ist denn falsch mit euch, dass es euch nicht so scheiße geht?" fragt Josh nach einigen Minuten der Stille, an Rain und Liam gewandt, die nebeneinander am Küchenregal stehen und sich leise unterhalten. "Also ich krieg nie nen Kater, egal wie viel ich trinke", erzählt Rain begeistert und Hope stöhnt laut auf. "Kein Grund so zu schreien", mault sie und ich grinse leicht. Josh sieht abwartend zu Liam und er zuckt mit den Schultern. "Ja, ich hab halt einfach nicht so übertrieben wie ihr. Bin nicht so der große Trinker", erklärt er und wirkt bei seinem letzten Satz angespannt. Ich runzele kurz die Stirn, dann lege ich meinen Kopf auf meine Arme, die ich auf dem Küchentisch verschränkt habe. Nach einer Weile stellt Liam mir ein Glas Wasser vor die Nase und legt eine Tablette dazu. Ich lächele ihn dankend an und schlucke auf der Stelle die Aspirin mit ganz viel Wasser runter. "Ach, also Winter bringst du ein Glas Wasser und eine Tablette und mir nicht? Ich bin enttäuscht von dir, Bruderherz", regt sich Hope auf, verzieht aber gleich das Gesicht und wird wieder ruhig. Liam reagiert nicht auf ihre Aussage, obwohl seine Augen bei ihren Worten kurz zu mir geflogen sind.

"Ihr seid mir vielleicht ein trauriger Haufen", sagt Rain nach einer Weile, in der sie uns einfach nur gemustert hat. Bei mir wirkt die Tablette langsam, weshalb meine Energie zurückkehrt. "Wollen wir nicht einfach nen Film schauen?" frage ich dann in die Runde. Als alle zustimmend nicken, läuft Liam mit schnellen Schritten los ins Wohnzimmer, um sich als erster die Fernbedienung und den besten Platz auf dem Sofa zu sichern. Wir anderen folgen ihm langsam, ich komme als letzte ins Wohnzimmer, weil ich noch etwas getrunken habe. Alle Plätze sind besetzt, es ist nur noch der ungemütliche Sessel frei. Enttäuscht blicke ich die anderen an. "Muss ich ehrlich auf den doofen Sessel?" frage ich und versuche mein bestes Hundegesicht, um irgendwen zu überzeugen, mit mir zu tauschen. Keiner reagiert wirklich darauf und als ich schon auf den Sessel zugehe, hält mich Liam an meiner Taille fest und zieht mich ohne ein Wort auf seinen Schoß. Ich grinse und lehne mich an ihn.

Winter SongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt