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Ich war ewig nicht mehr in Shin-Ah's Wohnung. Zum einen weil sie am anderen Ende der Stadt lebt, und zum anderen weil sie meistens zu mir kommt.
Dennoch habe ich einen Schlüssel der sonst einsam und verlassen in meinem Zimmer auf dem Bücherregal liegt.
Sie hat ihn mir gegeben damit ich vorbei kommen kann auch wenn sie nicht da ist, und für den Fall das sie ihren mal verliert.
Nachdenklich lasse ich den Blick durch den dunklen Flur wandern.
Ich komme mir komisch vor, auch wenn das die Wohnung meiner Freundin ist.
Ich gehe nicht weiter rein, sondern lege nur den Schlüssel auf der Kommode ab und trete wieder aus der Tür.
Ich hab den ganzen Nachmittag darüber nachgedacht wie, wo und wann. Doch am Ende bin ich zu keinem Ergebnis gekommen.
Wahrscheinlich gibt es keinen Richtigen Weg.
Ich muss einfach Ehrlich sein.
Nachdenklich kicke ich ein paar Kieselsteine vor meinen Füßen weg und umfasse den Regenschirm fester. Seit ich von Zuhause losgefahren bin hat es nicht mehr aufgehört zu Regnen, aber ich will nicht oben oder im Treppenhaus warten.
Gedankenverloren starre ich die Pfütze vor mir an, auf der immer wieder Regentropfen landen und die Oberfläche in Bewegung halten.
Der Wetterbericht hat angesagt das es die nächsten Tage immer wieder regnen wird.
Das perfekte Wetter um den ganzen Tag im Bett zu liegen und nichts zu tun.
Ich weis nicht wann Shin-ah nachhause kommt, aber ich werde einfach hier warten.
Ich kann nicht bis morgen warten, oder wann immer sie auch Zeit hat.
„Jungkook?"
Aus den Gedanken gerissen sehe ich auf, zu Shin-ah die mit ihrem Regenschirm aus dem Nichts neben mir aufgetaucht ist.
Ich erschrecke mich ein wenig und drehe mich zu ihr herum, sodass ich ihr gegenüber stehe.
„Warum stehst du hier draußen? Du erkältest dich" sagt sie und berührt leicht meinen Arm.
Ein schwaches Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht, doch ich zog den Arm leicht weg.
„Lass uns hoch gehen" sagt Shin-ah. Das Lächeln auf ihren Gesicht ist ein wenig verrutscht.
Sie wollte an mir vorbei zum Treppenhaus, doch hielt sie auf in dem ich leicht ihren Arm berührte.
Shin-ah drehte sich wieder herum und sieht mich verwirrt an.
Ich friere ein wenig, vor allem weil der Regen trotz des Schirms meine Sachen an manchen Stellen durchnässt hat.
Es eine komische Zeit sich daran zu erinnern, aber Jimin's Semester fängt bald wieder an.
Ich weis auch nicht warum mir das plötzlich einfällt. Bisher ist er nur zum Trainieren dort gewesen, doch der Unterricht sollte auch in 2 oder 3 Wochen wieder starten.
Ich atme tief durch und verdränge den Gedanken.
Shin-ah sieht mich abwartend an.
Bei dem Anblick ihrer großen Augen die mich besorgt Mustern, zieht es mir die Kehle zu.
„Kannst du mir zuhören?" frage ich leise.
Der Regen prasselt auf unsere Schirme und füllt die lange Stille die auf meine Worte folgt.
Ich nehme die Stille einfach als Zustimmung und öffne den Mund.
„Ich habe in letzter Zeit viel nachgedacht, über alles mögliche. Aber vor allem über uns."
Ich wollte weitersprechen, doch Shin-ah unterbrach mich indem sie ihre Lippen auf meine Legt.
Für eine Sekunde erwidere ich den Kuss, dann besinne ich mich jedoch wieder und schiebe sie bestimmt weg. „Nicht" murmle ich leise.
„Was soll das heißen? Willst du eine Pause?"
Ich schüttle langsam den Kopf und beiße mir auf die Unterlippe.
Das ist wirklich noch tausendmal schwerer als ich es sowieso schon erwartet hatte.
Vielleicht liegt es daran das wir so lange zusammen waren.
„Warte" sagt Shin-ah, wobei ihre Stimme leicht bricht. „Jungkook"
Ich weiche Zurück als sie versucht meinen Arm zu berühren und vermeide es sie anzusehen.
Es ist wirklich tausendmal schwerer.
Eine ganze Weile sagt keiner von uns etwas, dann öffnet Shin-ah wieder den Mund und macht einen Schritt auf mich zu.
„Hast du wieder was genommen? Was war es? Lass uns hoch gehen. Die Wirkung muss erstmal nachlassen, dann kannst du auch wieder klar denken und wir können reden"
Als sie geendet hatte drehe ich langsam wieder den Kopf zu ihr. Ich weis natürlich was sie meint, und es stört mich das sie darauf anspielt.
„Ich habe nichts genommen. Schon ewig nicht mehr"
Letzteres war eine Lüge. Dennoch musste ich ihr klarmachen das ich es ernst meine.
„Es ist okay. Lass uns hoch gehen" sagt Shin-ah in einem leicht verzweifelten Ton und versucht wieder meinen Arm zu berühren.
Ich weiche zurück und reibe mir verzweifelt über die Augen.
„Ich habe nichts genommen, ich kann klar denken." wiederhole ich und lasse erschöpft den Arm sinken.
„Shin-ah" sage ich leise und schüttle leicht den Kopf.
„Dir kann doch nicht entgangen sein dass, das was wir haben keine Beziehung mehr ist."
Es tut vielleicht weh, aber es ist die Wahrheit.
Ich beiße mir auf die Lippe und versuche meine Gedanken zu ordnen.
„Das weis ich"
Überrascht hebe ich wieder den Blick und begegne Shin-Ahs von Tränen verschleierten Blick.
„Ich weis das wir nicht mehr wie früher sind, ich bin nicht blind." redet sie weiter wobei ihre Stimme lauter wird. „Aber ich dachte dass wir das wieder hinbekommen. So wie sonst auch immer. Wir haben schon so viel überstanden"
Ich weis was sie meint, wie könnte ich es vergessen. Als ich die Fotografie aufgegeben habe und in dieses Loch gefallen bin.
Sie hat mir raus geholfen und dafür werde ich sie immer lieben, aber nicht mehr auf diese Art.
„Ich will keine Pause" sage ich matt. „Ich will einen Schlussstrich. Damit ich mich selbst wieder finden kann."
Es ist das erste mal das ich ausspreche was mir schon die ganze Zeit durch den Kopf schwirrt.
Ich dachte es wäre wegen meines Gewissens, wegen des Gefühls das mir die Kehle zuschnürt weil ich mich nicht von Taehyung fern halten konnte.
Aber das war es nicht.,
„Ich war in den letzten Wochen wirklich verwirrt und habe versucht heraus zu finden was ich eigentlich will.
Ich habe noch immer kein richtiges Ergebnis, aber ich weis das ich ehrlich mit dir sein muss.
Weil es nicht fair ist, wenn ich weiter mit dir zusammen bleibe wo ich sogar an meiner Sexualität zweifle. 
Es klingt vielleicht wie eine Ausrede oder ein vorgeschobener Grund, aber es ist die Wahrheit."
Ich hatte so schnell geredet und ohne einmal Luft zu holen dass mir am Ende fast die Stimme versagte.
Shin-Ah sieht mich eine lange Zeit schweigend an, dann wendet sie den Blick ab.
Mein erster Impuls ist es, sie in den Arm zu nehmen doch ich unterdrückte ihn.
„Es tut mir leid" füge ich hinzu und atme tief durch.
Wieder eine ewig lange Stille.
Ich dachte sie würde wenigsten irgendetwas sagen, mich vielleicht sogar anschreien, doch sie sagt gar nichts.
Stattdessen dreht sie sich herum und geht zum Eingang.
Stumm beobachte ich wie sie dir wenigen Treppen hochsteigt, die Tür aufstößt und ins Innere des Treppenhauses verschwindet.
Ich atme hörbar aus uns lasse die Schultern sinken. Ich weis das es das beste war, doch ihre Worte von vorhin geistern mir noch im Kopf herum.
Es hinkriegen. Ich glaube nicht das wir es diesmal hingekriegt hätten.
Erschöpft ziehe ich mein Handy aus der Jackentasche und schreibe Jimin eine Nachricht.

Wo seid ihr gerade?

Ich wollte die Nachricht gerade abschicken, überlegte es mir jedoch nochmal anders.
Auf den zweiten Gedanken ist mir nicht nach Alkohol oder Ferien gehen. Ich will ins Bett.
„Vielleicht werd ich wirklich alt" murmle ich vor mich hin.
Bevor ich zurück zum Auto gehe sehe ich nochmal nach oben, ungefähr zu der Stelle wo Shin-ah's Wohnung liegt.
Es würde mich überraschen wenn sie je wieder mit mir redet.
Ich seufze leise und gehe zurück zum Auto.

 𝑺𝒆𝒙𝒖𝒂𝒍 𝒅𝒆𝒔𝒊𝒓𝒆 | ᵛᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt