1. Der vierte Mann

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Der erste Schultag nach den Sommerferien und somit der Start eines neuen Jahres.
Die Sonne knallte erbarmungslos auf den Asphalt, vor der West River High.

Noch waren die Gänge der Schule leer, doch das würde sich bald ändern.
Denn noch vor dem ersten Gong der Schulglocke würde ein buntes Treiben in den Gängen herrschen.
Schüler würden sich begrüßen und von ihren fantastischen Sommerferien erzählen.
Ja, es war ein ganz normaler erster Schultag.

Ein roter Pick Up fuhr auf den Leherparkplatz.
Dort, wo der für einen Tompson reserviert war, hielt er. Ein Mann mitte Vierzig stieg aus. Seine dunkelbraunen Haare fielen ihm ins Gesicht und um seinen Hals baumelte eine silberne Trillerpfeife, die im Sonnenlicht aufblitzte.

Die grünen Augen des Mannes wanderten über den Parkplatz.
Nur wenige Autos standen vereinzelt auf dem großen Platz.

Jetzt wurde auch die Beifahrertür aufgeschlagen und ein kleines, zierliches Mädchen ließ sich vom Ledersitz gleiten.
Der Pick Up war sehr hoch und so landete sie, leichtfüßig, einen halben Meter tiefer.
Ihre Augen lagen schwermütig auf den roten Steinmauern vor ihr.

"Sel, Liebling. Heute ist der erste Schultag. Mach was draus, ja?", riss sie die Stimme ihres Vaters aus ihren Gedanken.

Das Mädchen sah zu dem Mann und nickte knapp: "Natürlich Coach Tompson."
Dieser verdrehte grinsend die Augen: "Ich dachte, das wäre ich erst nach dem ersten Gong. Ich dachte, noch bin ich einfach dein Dad."

"Tja Dad. Ab jetzt, bis der Wagen heute Nachmittag den Parkplatz verlässt, bist du nur der Coach", mit diesen Worten drückte sie ihrem Vater einen Kuss auf die Wange, schulterte ihre Tasche und stolzierte in Richtung Schulgebäude.
Ihr roter Pferdeschwanz wippte bei jedem Schritt und ihre grünen Augen waren zielstrebig auf die große Glastür gerichtet.

Ja, das war Selina Tompson.
Das schüchterne Mädchen, dass sich in der Bibliothek verschanzte.
Die Unsichtbare, die jeder übersah.
Und sie liebte es genau so.

Ihre Füße trugen sie wie von selbst zu den Waschräumen, wo sie vor einem der Spiegel halt machte.
Auf der spiegelnden Oberfläche blitzten ihr zwei grüne Augen entgegen, die von dichten, dunklen Wimpern umrahmt wurden.
Ihr Gesicht war sehr schmal, ihre Wangenknochen standen leicht hervor und dezente Sommersprossen zeichneten sich auf ihrem Gesicht ab.

"Etwas Lippenstift könnte nicht schaden", eine Mädchenstimme ließ sie herumwirbeln.
"Maya!", erfreut fiel Selina ihrer besten Freundin um den Hals.

Maya Harper, eine junge Spanierin, war ihre beste Freundin seit der Elemantary-School.
Diese erwiderte ihre Umarmung lächelnd: "Du hast mir auch gefehlt, Sel!" 

"Wie waren deine Sommerferien?", fragte Selina, während sie sich auf den Weg zu ihren Schließfächern waren.
Mittlerweile füllten sich die hellen Schulflure.

Quitschen der Schuhsohlen und ein heiteres Stimmengewirr hallte durch die Gänge. 

"Ganz gut. Aber nicht sonderlich erzählenswert. Aber eine viel wichtiger Frage: was machen wir jetzt eigentlich, wo Milo nach Europa gezogen ist?", fragte Maya ihre Freundin, während sie ihr Schließfach öffnete und ihren Rucksack verstaute.

"Berechtigte Frage, Harper. Aber viel wichtiger ist die Frage: was sind das für Schuhe, Tompson?" Mark Bishop stand, nur einen Meter entfernt, an sein Schließfach gelehnt und schob seine Brille auf dem Nasenrücken zurecht.

Verwirrt sah sie zu ihren Schuhen hinunter: "Was gibt es gegen meine Boots den einzuwenden?"
Mark grinste schief: "Eben, es sind Boots. Sel wir haben fast 29 Grad draußen."

Sel zuckte mit den Schultern: "Mir gefällt es so."
"Und deshalb lieben wir dich ja so sehr", lachte Mark und legte seiner besten Freundin einen Arm um die Schulter.
Maya stöhnte genervt und sah ihre Freunde an: "Ist ja schön, dass wir wieder alle vereint sind aber können wir zurück zum Thema. Wir wollten dieses Jahr wieder am Schulduell teilnehmen, aber uns fehlt ein Teammitglied."

Bishop seufzte theatralisch und fasste sich an die Stirn: "Die Bürde der Schulbesten. Sie liegt schwer auf unseren Schultern."
"Ach halt die Fresse, Bishop", brummte Maya und donnerte ihre Schließfachtür zu.

Aber ihr Freund hatte ja recht.
Das Schulduell stand an und sie mussten ihre Mannschaft stellen.
Nun rissen sich leider nicht viele Schüler darum, in ihren Nerdclub einzutreten.
Sie waren eben nicht die Cheerleader oder das Footballteam.
Um ehrlich zu sein hatte sogar der Schachclub mehr Mitglieder.

"Wir sollten zum Unterricht", riss Mark sie aus ihren Gedanken.
Maya nickte und zum ersten Mal am diesem Morgen stimmte sie ihm zu: "Das sollten wir wohl wirklich. Nicht dass wir zu spät zu unserer ersten Stunde kommen."

"Okay Leute. Geht ihr schon einmal vor, ich komme nach", mit diesen Worten, löste sich Selina aus den Armen ihres besten Freundes und holte ihre Bücher aus ihrem Spind.

Mark musterte die kleine Rothaarige: "Und wo willst du hin?" Auch Maya sah sie neugierig an.
Sel zuckte lediglich mit den Schultern und lächelte: "Werdet ihr schon noch früh genug erfahren." Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und stolzierte den Gang entlang.

Die fragenden Blicke ihrer Freunde spürte sie noch in ihrem Nacken, doch sie drehte sich nicht um.

.

Sie steuerte direkt auf Lehrerzimmer zu und klopfte gegen die massive Holztür.
Diese wurde geöffnet und ein junger Mann stand ihr gegenüber.
Er biss gerade von seinem Apfel ab, während er Sel musterte: "Ja bitte?"

Selina lächelt höflich: "Hallo Mister. Ich wollte fragen ob Coach Tompson da ist?"
Der Mann drehte um, wobei seine langen blonde Haare ihm ins Gesicht fielen.
Sie hatte diesen Lehrer noch nie gesehen, wobei sie sich sicher war, alle Lehrer ihrer Schule zu kennen.

"Wer ist denn da, Hilton?", hörte sie die Stimme ihres Dads aus dem Raum.
Der Mann, der offenbar auf den Namen Mr. Hilton hörte, trat zu Seite und ließ Selina eintreten.

Ihr Vater stand in der kleinen Küchenecke und lehnte sich locker gegen die Küchenzeile: "Miss Tompson. Komm doch herein." Ihr Dad lächelte sie an. "Natürlich, Dad", flüsterte Selina, als sie an Hilton vorbei ins Lehrerzimmer trat.

Ihr Vater stieß sich von der Küchenzeile ab und kam auf seine Tochter zu: "Was gibts denn?"
Verlegen sah Selina zu Boden.

Sie besuchte ihren Dad ungerne im Lehrerzimmer, doch dieses mal war es wirklich wichtig. "Du weißt doch, dass das Schulduell ansteht oder?" Sie sah zu ihrem Vater, der wissend nickte, bevor sie fortfuhr, "Es ist so: Wir müssen vier Mitglieder sein um uns anzumelden und Milo ist in Europa. Ich wollte fragen ob-"
"Ob es Möglich ist zu erfragen, wer noch in euer Team könnte", beendete Coach Tompson ihren Satz.
Mit schief gelegtem Kopf und hochgezogener Augenbraue sah er seine Tochter an.

Diese lächelte verlegen und nickte.
Ihr gegenüber seufzte: "Du weißt schon, dass du es gerade sehr ausnutzt oder? Na gut, dann will ich auch mal nicht so sein." Er drehte sich um und wandte sich an eine seiner Kolleginnen.

Selina blieb schweigend im Raum stehen und sah zu ihrem Dad, der sich gerade angeregt unterhielt.
Dann kehrte er zu seiner Tochter zurück: "Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht Prinzessin. Welche möchtest du zuerst hören?" Da brauchte sie nicht lange zu überlegen: "Die Gute!"

Ihr Vater nickte verstehend: "Das dachte ich mir. Also die gute Nachricht ist, es gibt einen Schüler, der euren Anforderungen gerecht werden könnte."
"Aber?", zögernd sah Sel ihren Dad an. Dieser kratzte sich verlegen am Hinterkopf: "Dieser besagte Schüler ist Xander King."
Selina entglitten jegliche Gesichtszüge: "Der Xander King?!"

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