Ich starre die Decke an. Ich weiß nicht wie lange schon. Ich weiß nicht wie viel Uhr wir haben. Ich weiß nur, dass es Nachts sein muss. Vielleicht auch schon morgens. Ich hab keine Kraft und Lust auf die Uhr zu schauen. Ich versuche einfach nur zu widerstehen. Zu widerstehen die Schublade zu öffnen. Die Griffe, die ich brauche um es rauszuholen kenne ich auswendig. Auch ohne Licht schaffe ich es. Auch, wenn ich es nicht will. Es geht ganz von alleine. Und ich will es nicht mehr. Ich bewege mich krampfhaft extra nicht, denn mit jeder Bewegung komme ich näher daran, meinen Arm zu verunstalten. Aber ich fürchte, dass ich bald nicht mehr genug Platz auf dem Arm finde. Ähnlich wie vor 3 Jahren. Auf meinem Bauch sieht man an der linken Seite immer noch zierliche Narben. Auch, wenn die Wunden damals nicht gerade zierlich waren, sind sie gut verheilt. Ich versuche die Leere in mir irgendwie zu füllen. Bloß nicht mit Schmerz. Nicht mit meinen Messern in meiner Schublade. Wie so oft vernebeln sich meine Gedanken und ich merke wie ich langsam mich aus dem Bett bewege. Obwohl ich mich aufhalten will, nicht die Schublade öffnen will, bewege ich mich wie von alleine. Auf einmal wird schwunghaft die Türe aufgerissen und Timothy und stecken den Kopf zur Türe herein. Sie müssen gerade von der Party wieder da sein und Cate schauen mich verwundert an. Ich komme schlagartig zu Bewusstsein und schiebe die Schublade wieder zu. Cate wankt im Türrahmen und Timothy fängt sie gekonnt auf. Die beiden haben offensichtlich genug getrunken in dieser Nacht. Ich verdrehe die Augen als Cate anfängt Thy, wie wir ihn meistens einfach nennen, abzuknutschen, als Dank, dass er sie aufgefangen hat wohl. Dicht wie er ist erwidert er den Kuss und die beiden werden schnell ziemlich stürmisch. Als Cate sich schon fast atemlos an seinem Tshirt zu schaffen macht und es Thy stürmisch über den Kopf zieht während dieser unter ihrem knappen Top ihren BH erfolglos versucht zu öffnen, kommt mir das Würgen hoch und ich schließe die Tür vor ihrer Nase. Ihre Gelüste dürfen die beiden gerne in ihrem eigenen Zimmer ausüben. Aber nicht in meinem Türrahmen. Ich bin ja schon froh, dass sie auch betrunken immer mit dem gleichen Partner nach Hause kommen und noch nie mit einem One Night Stand hier angetanzt sind. Ich gehe schnell zurück in mein Bett und mache mir leise etwas klassische Musik an bevor ich wieder nicht mehr Herr meiner Sinne bin. Zwar kommen Thy und Cate nicht selten so nach Hause, trotzdem wühlt es mich jedes Mal auf, die beiden zusammen so glücklich zu sehen. Egal ob betrunken oder nicht, ich habe seit ich 16 war keinen Freund mehr gehabt, keinen Menschen an mich rangelassen und wurde von keinem Menschen mehr berührt. Bis auf Menschengedränge in Straßenbahnen natürlich. Ich sehne mich einerseits danach endlich wieder mich jemandem anvertrauen zu können und mich jemandem hinzugeben. So wie ich es bei Chris konnte. Ich sehne mich danach. Nicht nach Chris. Mit ihm habe ich nie wieder geredet, ich habe es einfach nicht geschafft. Ich wünsche mir nur eine Vertrauensperson, die mich auffängt und in Nächten mich hält und mir Mut zuspricht. Aber andererseits kann ich das nicht. Ich kann mich nicht mehr einer Person anvertrauen. Einen Menschen an mich ranlassen und in mein Inneres schauen lassen. Dafür wurde ich zu häufig zu sehr verletzt. Es muss nichtmal Liebe sein. Nicht einmal Freundinnen kann ich vertrauen. Das Gefühl von Freunden kenne ich nicht. Wirklich nicht. Jedenfalls nicht von Freunden, die mich kennen und die meine Schwachpunkte kennen. Und ich habe fest vor, niemals jemanden so tief in mich schauen zu lassen. Um keinen Preis. Mit diesen Gedanken gleite ich langsam in den Schlaf und ich träume.
Träume von bunten Wiesen und Feldern. Tulpenfeldern. Rosarot, Orange. Nach dem Regenbogen geordnet. Ich springe zwischen den Tulpen freudig hin und her bis ich ein Gewicht an meinem Arm spüre. Eine Frau hängt an meinem Arm, springt mit mir durch die Felder und lacht mich an. Ich lache zurück. Die strahlende Sonne ruft ein Kribbeln auf meinem Gesicht hervor und ich lache laut auf. Hinter mir ertönt auf einmal ein Krachen und ich drehe mich um. Windmühle, die eben ihre Runden gedreht hat, wird von einem gewaltigen Blitz getroffen, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner. Dunkle Wolken ziehen auf als die Windmühle zusammenkracht und ich fliehe dorthin, wo ich die Frau von eben vermutete. Ich falle ihr in die Arme, will mich von ihr beschützen lassen. Doch ich falle ins Leere. Sie ist weg. Und ich falle.
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hoping for sunlight
RomanceManchmal ist kein Ausweg der einzige Ausweg für die damals noch 16-jährige Mia stürzt an einem gewöhnlichen Freitagnachmittag ihre Welt zusammen. Die Schule wird zu einem Ort des Schreckens und mit der Zeit gehen ihr die Pflaster und Verbände für ih...