Kapitel 4

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Das penetrante Ringen meines Weckers reißt mich aus dem Schlaf. Ich schaue um mich und versuche wach zu werden. Es ist stockduster in meinem kleinen Zimmer, nur in der Ecke rechts leuchtet die grüne Lamoe meines Laptops und signalisiert mir, dass dieser jetzt aufgeladen ist. Ich lehne mich rüber und taste nach dem Schalter der Lampe. Das Licht geht an und ich halte mir die Hände vor die Augen. Es blendet, aber langsam gewöhnen sich meine Augen an das Licht. Als ich an mir runterschaue merke ich, dass mein pastellblaues Tshirt, das ich immer zum Schlafen trage, durchnässt ist. Ich scheine nichts schönes geträumt zu haben, doch so sehr ich mich auch anstrenge kann ich mich trotzdem nicht erinnern, was der Traum war. Ich verwerfe den Gedanken an den Traum und schmeiße meine Bettdecke von mir. Ein Schauer überfährt mich, offensichtlich habe ich die Heizung nicht angemacht. Oder der Temperaturunterschied zwischen unter der warmen Decke und der Umgebung ist einfach groß. Ich stehe auf und muss mich erstmal sammeln. Wie meistens verwandelt sich mein Augenlicht erstmal in eine Galaxie und ich sehe nur noch schwarz. Schwarz mit kleinen Sternchen. Ich halte mich routiniert an meinem Nachttisch fest und reibe langsam meine Augen. Die Schwärze verschwindet nach etwa zehn Sekunden wieder und ich bewege mich zum Kleiderschrank. Dieses Schwarze vor Augen bekomme ich einfach nicht in den Griff. Immer, wenn ich aufstehe überkommt es mich und ich bin kurzzeitig blind. Ich sollte mehr Eisen zu mir nehmen, das hilft angeblich. Aber wie? Ich werde ganz sicher nichts essen oder trinken, was wie eine Metallstange schmeckt. Diese Eisensäfte, die angeblich helfen sollen schmecken mehr als grässlich. Und Fleisch ist sowieso nicht drin, ich bin seit fast 8 Jahren vegetarisch. Seitdem habe ich auch diese Probleme beim Aufstehen. Ich öffne den Kleiderschrank und überlege, was ich wohl anziehen könnte. Ich fühle mich motiviert auf den Tag, denn die Vorlesungen die anstehen klangen interessant. Also entscheide ich mich für einen pastellgelben Hoodie und eine schwarze enge Jeans. Auch, wenn das wahrscheinlich nicht das praktischste bei diesen Temperaturen ist fühle ich mich darin wohl. Meine lange Lockenmähne versuche ich erst gar nicht zu bändigen. Die Haare, die mir bis zur Höhe des Bauchnabels gehen und störrischer kaum sein könnten, versuche ich selten in eine Frisur zu zwängen. Und wenn, dann dauert das ewig. Nach der Visite im Bad fühle ich mich direkt frischer und hole mir ein Toast aus dem Schrank in unserer Küche. Die anderen sind noch nicht wach. Kein Wunder, denn Cate und Thy haben wohl einen Kater nach der Nacht gestern und haben genauso wie Janet erst um Mittagszeit Vorlesungen. Ich versuche also so leise wie möglich zu sein und gehe aus der Wohnung ins Treppenhaus. Der Weg bis zur Garage ist nicht besonders lang, wir wohnen im dritten Stock, deshalb mache ich mir immer einen Spaß draus, die Treppen runter zu rennen und so viele Stufen wie möglich zu überspringen. Ich schwinge mich aufs Fahrrad, stecke meine Kopfhörer rein. Mein Handy gleitet in meine Tasche und ich trete in die Pedale.
Die Vorlesungen vergehen wie im Fluge. Der Professor, der diese hält hat eine angenehme Stimme, der ich ewig zuhören könnte. Er schafft es, dass ich wirklich die ganzen Stunden ausnahmslos zuhöre und nicht in meine Gedanken verfalle. Sein Vortrag über die Vulkane und Erosionen der Erde packt mich mehr als erwartet und obwohl dieses Thema eigentlich schon ziemlich bekannt ist, gibt er mir ganz neue Sichten und Informationen über die Plattentektonik der Welt. Ich merke garnicht, wie ich fünf Seiten mitschreibe und die Vorlesungen auf einmal vorbein sind. Während ich das Unigelände schlendernd verlasse überlege ich, was ich jetzt machen soll. Ich weiß, dass Janet nicht in der WG ist, weil sie heute ihren Karate Kurs besucht. Ich könnte also in die WG gehen, mir die Nudeln von gestern anbraten und dann mich bei dem schönen Wetter in den Park setzen. Ich könnte sogar picknicken und meine Nudeln mitnehmen. Der kleine Park mit dem klaren See ist nur wenige Minuten zu Fuß entfernt. Ich komme bei meinem Fahrrad an und fahre Richtung WG. Da es erst 2Uhr ist muss ich mich nicht stressen, die Nudeln sind sowieso in wenigen Minuten fertig.
Ich schließe die alte Holztür auf und trete ein. Der muffige Geruch unserer Wohnung weht mir entgegen und fühlt sich sofort vertraut an. Auf dem Gang rechts liegen noch ein Hemd und ein BH unbeachtet herum. Ich muss nicht lange überlegen von wem das wohl stammt und rümpfe die Nase. Die Dinkelnudeln stehen noch auf dem Herd im Topf und ich gebe sie mit etwas Öl in die Pfanne. Während die Nudeln braten schneide ich mir etwas Gemüse und gebe das auch in die Pfanne. Es hat ja noch niemandem geschadet die gebratenen Nudeln etwas asiatisch zu machen. Während das Essen brät sammel ich mir einige Dinge zusammen, die ich mit in den Park nehme. Besteck, Teller, meine Kopfhörer und das Buch, das ich aktuell lese. Als der Timer des Herdes piept, eile ich zu den schon leicht angekokelten Nudeln und gebe noch ein Ei und eine Menge Soja-Sauce dazu. Perfekt. Schnell werden die Nudeln eingepackt, damit sie schön warm bleiben und ich laufe los.
Die Nudeln schmecken hervorragend. Ich verstehe gar nicht, warum Janet nie etwas haben möchte, wenn ich eine meiner Pfannen mache. Sie scheint auf dem Campusgelände schon zu essen, denn in der WG hat sie meistens keinen Hunger mehr. Höchstens abends isst sie mit uns einige Happen mit. Dafür ist sie ziemlich beschäftigt. Wie heute hat sie mehrmals die Woche Karate und kommt meistens total fertig wieder. Abends höre ich immer von ihr, wie sie ihr 30min Workout macht und in den freien Minuten fährt sie unglaublich viel Fahrrad oder geht joggen. Ich beneide sie ein wenig dafür, dass sie so aktiv ist. Ich persönlich hätte dafür einerseits zu wenig Motivation, andererseits zu wenig Kraft. Auch, wenn ich häufig ein Workout mache, wenn ich mich unwohl in meinem Körper fühle, würde ich niemals so viel wie sie machen. Bald macht sie schon die Prüfung für den zweiten Schwarzen Gürtel. Das hat sie sich aber auch verdient, denn sie kämpft schon seit dem Grundschulalter wie sie mir mal erzählt hat.
Gut gesättigt lehne ich mich auf meiner kleinen Decke nach hinten. Die Sonne brennt sich durch meinen warmen Pulli auf meine Haut, doch das bin ich schon gewohnt. Es macht mir nichts mehr aus bei über 25°C mit einem dicken Pullover herumzulaufen und zu schwitzen. Ich bin fast schon wärmeempfindlich geworden. Ich genieße die prickelnden Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht, als eine Gruppe Jugendlicher vorbeiläuft. Als sie auf meiner Höhe sind stellen sie ihr Gelächter kurz ein und schauen mich an. Mir läuft ein Schauer über den Rücken und meine Arme wären um ein Haar eingeknickst. Diese Blicke. Ich kenne sie. Und ich hasse sie. Sie schauen mir direkt in die Seele, egal ob ich es mir einbilde oder nicht. Sie treffen mich. Und auf einmal fühlt sich die Sonne wieder ganz anders an. Brennend. Schmerzend. Viel zu heiß. Die Vögel, die im Sommer zwitschern und singen stechen in meine Ohren wie ein Tinitus. Laut. Penetrant. Was diese Blicke mit mir anstellen beängstigt mich immer wieder. Die Gruppe ist schon lange vorbei. Doch meine Arme geben nach und ich liege im Gras. Ohne Gedanken. Leere. Und mit der Sonne, die meinen Körper in Flammen setzt.

hoping for sunlightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt