Kapitel 1

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Ich haue genervt auf den Wecker. Es ist schon das fünfte mal an diesem Morgen, deshalb schaue ich vorsichtig auf die Uhr. Verdammt. In 20min fängt meine Vorlesung an und ausgerechnet heute ist Pflichtveranstaltung. Ich darf nicht zu spät kommen, aber die Uni ist mit dem Fahrrad 15min weg. Ich springe aus dem Bett, während ich mich frage woher dafür überhaupt die Energie kommt und werfe mir Klamotten über. Schwierig ist es nicht etwas zu finden, mein Schrank hat sich in den letzten 4 Jahren auf Pullis beschränkt. Selbst bei Tagen, an denen wie heute 28°C angekündigt sind muss das sein. Und jetzt spüre ich auch wieder wieso. Mein Arm pocht. So wie jedesmal, wenn ich einen Zusammenbruch hatte. Gestern Abend. Oder eher heute Morgen. Erinnerungen steigen wieder hoch und ich halte mich kurz an meinem Schrank fest. Ich darf nicht schwach werden. Ich muss zur Vorlesung. Ich sprinte aus meiner kleinen Wohnung raus, schnappe mein Fahrrad und fahre los. Ich darf keine Zeit verlieren. Den Weg zur Uni kenne ich auswendig, wie oft ich ihn schon in einem Mördertempo gefahren bin, weil ich wie heute verschlafen habe. Weil ich die Nacht durchgemacht habe. Aber nicht so, wie andere 20-jährige auf Parties mit ihren Freunden und jeder Menge Alkohol. Also Alkohol schon, aber nur alleine. Vor meinem Schreibtisch. Ich bin anders. Mein ganzes Leben ist anders. Und wie gerne hätte ich eins, das anders ist. Hauptsache anders. Ich will dieses Leben nicht mehr. Auf einmal werde ich brutal aus den Gedanken gerissen. Ein anderer Fahrradfahrer streift gefährlich nah an mir vorbei und fast wäre ich auf die Straße vor ein Auto gekippt. Nicht dass ich da sonderlich was gegen gehabt hätte. Trotzdem. Idiot. Und das sage ich ihm auch. Er blickt mir jedoch nur kurz über die Schulter und grinst mich blöd an. Aber wie. Mit mandelbraunen Augen. Und Grübchen. Aber was für welche. Doch so schnell wie er gekommen ist ist der Idiot auch schon wieder weg und aus meinem Blickfeld. Ich richte meine volle Konzentration wieder auf die Straße. Dort hinten ist die Uni zu erkennen, die neon grünen Dächer und die spiegelnden Fenster würde ich überall erkennen. Ich lege einen Sprint ein und stelle mein Fahrrad ab. Klick, abgeschlossen. Ich renne los und finde den Raum fast blind. Wie oft ich hier schon hingefahren bin. Obwohl es erst mein zweites Semester ist kenne ich diese Uni wie meine Westentasche. Ich drücke die schwere Holztüre auf und stürze in den Hörsaal. Erst jetzt fällt mir auf wie verschwitzt ich bin, kein Wunder bei dem dicken Hoodie. Ich versuche unauffällig zu bleiben, auch wenn mich gefühlt viel zu viele Augenpaare anschauen. Ich merke, wie ich langsam zu zittern anfange. Kein Trigger ist größer, als das Gefühl von vielen Augen auf mir. Ich setze mich auf den erstbesten Platz. Hauptsache sitzen. Langsam blicke ich zu meiner Linken. Direkt in mandelbraune Augen.

hoping for sunlightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt