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"Luciana", grinste er mich an. Völlig perplex  guckte ich ihn verdust an. War das jetzt grade sein ernst? Das kann er doch nicht wirklich denken. Also bitte. Als ob er so mit mir reden kann und darf und dann auch noch so tut als ob nichts gewesen ist.

"Nichts Luciana. Wie kannst du eigentlich denken, so mit mir reden zu können? Egal, ob mit mir oder mit sonst jemandem. So redet man mit nienandem. Was bist du nur für ein schlechter Mensch. Guck doch selbst auch mal nach vorne bevor du jedem anderen die Schuld gibst für deine Dummheit. Wage es ja nicht noch einmal so mit mir zu reden. Oder generell mit mir zu reden!", schrie ich schon fast. Mein Herz raste vor Wut und meine Hände ballten sich zu Fäusten. Seine ganze Miene verdunkelte sich innerhalb eines Wimpernschlages. Seine Augen wurden schwarz und wirkten als würden sie jedes Licht und jede Freude absorbieren und zerstören. Sein Kiefer war angespannt und nach vorne gedrückt. An seinem Hals tauchte eine Ader auf, die schnell pulsierte.

"So redet keiner mit mir!", zischte er zornig und umfasste meine Hand, die er vorher genommen hatte, um mir aufzuhelfen, fester. Schmerz verteilte sich in meinem Körper. Ein Teil meiner Wut war wie weggeblasen, dafür fühlte ich mich verletzt. Eine Träne floss über meine Wange. Wieso tut er das? Wieso tut er mir weh? Ich verstand ihn nicht und ich verstand mich nicht. Ich sollte sauer sein. Ihn anbrüllen bis er mich los lässt. Und das schlimmste wäre ihn Montag wiederzusehen beim Meeting. Sein Griff wurde immer stärker und schmerzhafter.

"N-nicolas", flüsterte ich zitterig. Eine weitere Träne quoll aus meinem Auge und meine Stimme war schmerzerfüllt. Sein Griff lockerte sich kein Stück. "D-du tust mir weh." Schluchzte ich. Auch jetzt blieb seine Miene eiskalt.

"Red nie wieder so mit mir.", fauchte er ein letztes Mal und ließ dann von mir ab. Mein Handgelenk war rot und ich hatte das Gefühl es wäre auch etwas angeschwollen. Über beide meiner Wagen rollten Tränen. Ein Schluchzen konnte ich mir grade noch zurückhalten. Ich versuchte mich zu fangen, aber vergeblich.

"L-luciana.", hörte ich seine Stimme plötzlich. Sie klang so zerbrechlich und verletzt. "Ich wollte dir nicht weh tun. Ich... ich weiß auch nicht. Es tut mir leid. Warte, ich helf-"

"Nimm deine dreckigen Finger weg.", unterbrach ich ihn zornig, stand auf, schnappte meine Tüte und meine Tasche. Mit Tränen in den Augen stand ich nun vor ihm. Er deutlich größer als ich und viel angsteinflösender, dennoch ließ ich mich nicht abhalten. "Ich bin Ms May für Sie und nichts mehr. Rede nie wieder ein Wort außerhalb der Arbeit mit mir. Und fassen Sie mich nie wieder an."

"Aber-", er wollte noch etwas sagen, aber ich schnitt ihn ab, indem ich einfach an ihm vorbei ging und ihn verdust mitten in der Einkaufsstraße habe stehen lassen. Was glaubt er wer er ist.

Zuhause angekommen brach ich kurz in Tränen aus. Clair schien mich gehört zu haben, denn sie kam angelaufen und nahm mich fest in den Arm. Nach ein paar Minuten fing ich mich einigermaßen wieder. Wir setzten uns aufs Sofa und ich erzählte ihr was passiert war.

"Was ist das nur für ein komischer. Aber du hast gut reagiert. Hätte ich dir gar nicht zugetraut."

"Ich mir auch nicht." Murmelte ich leise.

"Aber das wird schon. Du musst einfach immer professionell bleiben, dann hat er kein Grund dich zu feuern und du kannst weiterleben wie sonst auch.", beschloss sie.

"Aber das ist schwer. Seine Abwesenheit alleine reicht schon, um aus der Rolle zu fallen. Ich steh das keine 5 Monate durch." Ich war verzweifelt. Sie wusste nicht wie anziehend er auf mich wirkte und trotz seiner Tat heute, konnte ich nicht aufhören an ihn zu denken. Sie nickte bloß. Es war neu für sie, dass ich mal von jemandem schwärmte. Klar hatte ich schon Beziehungen, aber von keinem fühlte ich mich bisher so angezogen oder konnte nicht genug kriegen. Meine letzten beiden Beziehungen wurden mir nach ein paar Monaten zu anstrengend und ich beendete sie einfach ohne, dass es mich wirklich traf.

Wir redeten noch ein wenig weiter bis ich dann müde wurde und mich ins Bett legte. Schlafen konnte ich zwar nicht wirklich, aber ich wollte einfach nur alleine sein. Plötzlich vibrierte mein Handy. Eine neue Nachricht.

Luciana. Es tut mir schrecklich leid. Ich möchte es wieder gut machen. Können wir was trinken gehen? ~N

Unbekannte Nummer, aber es war eindeutig Nicolas. Scheinbar hatte er meine Nummer ja dann wohl doch, aber hatte es einfach nicht für nötig gehalten, sich bei mir zu melden. Ich entschloss einfach nicht zu antworten. Er ist mein Boss. Das wäre seltsam und unprofessionell. Und zusätzlich hatte er mich stark verletzt.  Wer weiß, nachher ist das seine einzige Initiative, die er ergreift.

Ein Satz von Clair schlich mir die ganze Zeit durch den Kopf. Sie meinte, ich sollte ihn googeln. Es würde vielleicht was bei Facebook stehen oder es würde Artikel über ihn geben. Vielleicht würde man dort etwas über ihn erfahren. Aber soetwas wollte ich niemals machen. Ich find sowas nicht fair. Im Internet steht halt auch nicht immer die Wahrheit und manches ist völlig aus dem Kontext gezogen. Neugierig war ich dennoch. Also schnappte ich mein Handy und öffnete Google. "Nicolas Johnson" flüsterte ich beim Schreiben mit. Ich wollte es wissen. Aber andererseits auch nicht. Er sollte mir egal sein. Immerhin hat er mich mehrfach schlecht behandelt. Er ist es nicht wert. So entschloss ich mich widerspenstig dazu mein Handy auszumachen und zur Seite zu legen.
In dieser Nacht schlief ich unruhig ein.


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Hallo ihr Lieben,
Ich hoffe es gefällt euch bisher so :) was meint ihr, was Nicolas zu verbergen hat? Oder ist das nur Einbildung? Möchtet ihr mal ein Kapitel aus seiner Sicht lesen?

Love Or DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt