Spaziergang

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Linus schrieb Jakob mehrere Nachrichten, doch nie reagierte er darauf. Linus hielt es vor Sehnsucht nicht mehr aus und nahm seinen ganzen Mut zusammen. Er klingelte an der Haustür von Jakob. Jakob lugte durch den Türspalt und fragte dann mit hart klingender Stimme: "Was willst du?"

"Ich ... ich glaube, du hast mich falsch verstanden. Deine Freundschaft ist mir sehr wichtig. Bitte komm raus und lass uns etwas gehen", flehte Linus mit seinen blauen Augen. Dabei musste er sich beherrschen, dass er nicht zu weinen anfing. Das zittern konnte er nicht unterdrücken. Jakob öffnete die Tür und meinte: "Also gut, warte bitte kurz hier."

Irrte sich Linus oder hatte sich Jakob extra für ihn gestylt? Er sah ja sowieso top aus, egal was er trug.

Wortlos gingen sie nebeneinander her. Dann fragte Jakob: "Wenn dir unsere Freundschaft so wichtig ist, warum bist du dann so abweisend zu mir?"

"Warum denkst du das überhaupt?", wollte Linus wissen.

"Weil du extrem darauf achtest, dass du mich nicht berühren musst, als hätte ich eine ansteckende Krankheit", antwortete Jakob.

"Es liegt nicht an dir, wirklich nicht", sagte Linus verlegen.

"Ach ja?", fragte Jakob herausfordernd und sah Linus mit einem tiefen Blick an. Linus konnte dem Blick nicht standhalten und schaute betreten zu Boden. Da spürte er die Hand von Jakob an seinem Kinn. Jakob drückte das Kinn von Linus sanft nach oben und meinte dann: "Es ist ja nur, weil ich dich wirklich gerne habe. Wenn dich etwas an mir stört, sag es mir bitte." Linus schluckte, denn allein diese Berührung führte bei ihm zu einem schneller werdenden Herzschlag.

Linus steht immer noch am Fenster, während diese Bilder in seinem Kopf vorbeiziehen. Mit tränennassen Augen denkt er an diese Berührung und fasst an sein Kinn. Es scheint so, als würde er Jakobs Hand noch immer spüren. Das Gewitter schwächt sich etwas ab. Linus spürt das Verlangen einfach in den Regen hinauszulaufen. Schnell zieht er sich eine Jacke über. Als er die Regentropfen auf seinen Haaren spürt, ist es wie eine Befreiung für ihn. Als würden sie all seinen Kummer von ihm weggewaschen. Linus läuft über die regennasse Straße, vorbei an Jakobs Elternhaus. Er stapft durch die Pfützen. Es stört ihn nicht, dass das Regenwasser dabei an ihm hochspritzt. Wie ferngesteuert läuft er zu dem kleinen Feldweg. Genau zu der Stelle, als Jakob sein Kinn gehoben hat. Das war nur eine kleine Berührung gewesen und doch für Linus ein besonderer Moment. Linus breitet seine Arme aus und lässt den Regen einfach auf ihn niederprasseln, bis er sich schluchzend auf seine Knie wirft.

Minutenlang verharrt er so. Der Himmel scheint sich ein wenig aufzuhellen. Tatsächlich blitzt die Sonne ein wenig zwischen den Wolken hervor.

In den Moment, als Jakob sein Kinn gehoben hatte, war es umgekehrt gewesen. Denn da fing der Himmel an sich zu verdunkeln. Im Gegensatz zu Linus' Herz, was in jenem Moment vollends entflammte. Als damals der erste Regentropfen gefallen war, hatte Jakob ihn einfach von seiner Wange gewischt. Wieder eine Berührung, die ihm wohlige Gefühle verschafft hatte. Und nun sitzt er pitschnass genau an dieser Stelle und wünscht sich, dass Jakob noch hier wäre und ihm die Tropfen und Tränen aus dem Gesicht wischen könnte.

als der Himmel Feuer fing Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt