Kapitel 8: Helden und Erzähler

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„Fürchte dich vor den Namenlosen! Ohne die Magie des Namens sind sie Opfer ihrer niederen Instinkte. Sie jagen, sie töten, sie sind wollüstig und begehren, was unser ist:  einen Namen und einen Platz in der Gesellschaft.“ (unbekannt)

Zum Festmahl waren etwa hundert Personen geladen und Rustan, Nelia, Baro und Allira wurden mit Jubel empfangen, als sie den Festsaal des Rathauses betraten. Ich blieb ein bisschen hinter den anderen zurück, weil ich mich für mein Äußeres schämte. Durch meinen Wachstumsschub waren mir nun die Ärmel zu kurz und meine Hose hatte Hochwasser.

Auf die Schnelle passende Kleidung zum Wechseln aufzutreiben, hatte sich als schwierig rausgestellt, denn uns blieb nur wenig Zeit bis zum Festmahl. Zu wenig, um noch schnell zu einem Lakonita zu rennen und neue Kleidung zu kaufen. Rustan hatte mir Kleidung von sich angeboten, aber mir fehlten mit meinen nun 1,65 Meter immer noch etliche Zentimeter zu seiner Größe und zudem war er auch doppelt so breit wie ich. Ich hätte wie ein Kind in der Kleidung eines Erwachsenen gewirkt. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als weiterhin meine alte Freizeitkleidung zu tragen.

Unter dem Applaus der Gäste eilte Renira Ipso Holzstadt auf Rustan zu und schüttelte ihm die Hand, während sie über das ganze Gesicht strahlte.

„Verehrte Gäste!“, rief sie. „Begrüßt mit mir die großen Helden! Rustan Polliander! Baro Derada! Nelia Wabloo und Allira Varianda!“

Die Gäste jubelten und stampften mit den Füßen, während Rustans Gesicht vor Verlegenheit rosig anlief. Ich lächelte ihm zu, als er kurz zu mir zurücksah.

„Vielen Dank“, erwiderte er.

Wir wurden an eine lange Tafel geführt. Rustan bekam einen Platz neben der Rätin und bestand darauf, dass ich auf seiner anderen Seite saß, was dazu führte, dass die Gäste auf unserer Seite jeder einen Platz weiter rutschen mussten. Ein paar murrten leise in meine Richtung, verstummten aber, als Rustan ihnen einen kurzen Blick zuwarf.

„Ich glaube, wir wurden uns noch nicht vorgestellt“, sagte Renira Ipso Holzstadt zu mir, die mich anscheinend nicht wiedererkannte.

„Tirasan Passario“, stellte ich mich vor. „Ich reise mit Rustan und den anderen. Wir waren bis vor Kurzem Klassenkameraden in Tummersberg.“

„Wie interessant!“, sagte die Rätin und begann kurz darauf, Rustan nach seinen Plänen für die Zukunft auszufragen. „Wir können einen Helden wie Sie gut gebrauchen“, meinte sie, „wenn wir das Problem mit den Namenlosen ein für alle Mal in den Griff bekommen wollen. Die Reise zwischen Holzstadt und Tummersberg ist inzwischen so gefährlich geworden, dass die ersten reisenden Händler Reiserouten um den Holzwald und das Dollgebirge herum wählen.“

Baro, der uns gegenüber saß, hielt beim Kauen inne. „Wirklich? So schlimm? Ein solcher Umweg verschlingt schließlich gut und gerne das Drei- bis Vierfache der Kosten!“

Während Baro und die Rätin über den Handel und die Politik diskutierten und Renira Ipso immer wieder versuchte, Rustan ins Gespräch mit einzubeziehen, schweiften meine Aufmerksamkeit und mein Blick ab. Einige Plätze weiter sah ich Nelia und Allira, die inmitten einer Schar von Männern von jung bis alt saßen, die allesamt gebannt Allira lauschten. Ich konnte Alliras glockenhelles Lachen bis zu meinem Platz hören und fragte mich, ob sie die Männer verzaubert hatte. Falls ja, schien Nelia dieses Mal keine Einwände zu haben, denn sie lachte ebenfalls.

„Ein Lied, ein Lied!“, forderten die Bewunderer von Allira schließlich lautstark. Der erste Gang wurde gerade abgetragen und die Gäste hatten Lust auf Unterhaltung bekommen.

Allira errötete ganz zauberhaft, als sie nun langsam aufstand. „Ist vielleicht ein Teeries im Saal?“, fragte sie und lächelte einem Mann Ende zwanzig zu, der nun mit seiner Laute vortrat.

Die Magie der NamenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt