Kapitel 1

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Kleine Schweißperlen standen auf meiner Stirn, während ich hier saß war die Sonne ein ganzes Stück über den Himmel geklettert und schien nun heiß auf mich hinab. Nur der kleinste Teil des Beetes war noch übersäht mit grünen Blättchen, Löwenzahn und Gänseblümchen. Andere würden es vielleicht Unkraut nennen, doch in meinen Augen neigten diese Pflanzen einfach dazu am falschen Ort zu wachsen. Auf Wiesen sahen sie wunderschön aus, sie kündigten früh im Jahr die warme Zeit an und reckten ihre kleinen Blüten bis in den Herbst hinein der Sonne entgegen.

Schließlich stand ich auf und klopfte die erdigen Hände leicht an der Hose ab, mit dem Eimer voller Stiele und Blätter machte ich mich auf den Weg zum großen Schuppen der Gärtnerei. Als ich die Sachen verstaut hatte, wusch ich mir die Hände und in einem Hinterzimmer kramte ich eine kleine Flasche Sonncreme heraus. Ich arbeitete die ganze Zeit draußen und war ein Mensch der viel zu schnell Sonnenbrand bekam und auch wenn mich der Geruch der flüssigen Creme an den früheren Strandurlaub mit meiner Familie erinnerte, hasste ich das fettige Gefühl auf der Haut.

Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg zum Eingang der Gärtnerei. Im vorderen Teil gab es einen großen Bereich des Verkaufes, dahinter lag der Garten. Ich schloss das filigrane, schmiedeeiserne Eingangstor und hängte das Schild, welches eine Mittagspause verkündete, auf. Im Vorbeigehen schnappte ich mir meine Tasche und machte mich auf den Weg in den Garten.

Immer weiter folgte ich den verschlungenen Pfaden. In dem Teil, der für unsere Kunden zugänglich war, standen Regale mit Planzen, von aufgestellen Metallstangen baumelten hängende Blumentöpfe und der leicht caotische Platz war mit bunten, farbtupfienartigen Blüten besprenkelt. Weiter hinten rankten schmale Efeupflanzen an den Gewähshäusern empor, dazwischen standen zu verkaufene Rosenstöcke und kleine Obstbäume. Ein niedriger Holzzaun umfasste das Gelände und durch ein Tor neben dem Schuppen gelangte man in die Gärtnerei.
Zunächst wuchsen dort Blumen und Kräuter aller Art in ordentlich gepflegten Beeten, doch schon bald beherschte ein gemütliches Chaos aus Pflanzen wieder den Garten. Stören tat das Keinen wirklich, alle die hier arbeiteten kannten sich aus und fanden sich super zurecht.
Mein Ziel lag noch hinter den verwunschen wirkenden Azaleen, denn hier, wo die eigentlichen Wege nur noch Trampelpfade waren, verlor sich der Garten in sich selbst.
Er wurde sich überlassen und war ein Meer aus duftenden Blüten und satten, grünen Blättern zwischen wenigen knorrigen Bäumen.

Diesen Ort konnte man nur finden wenn man ziellos durch die Gärtnerrei schlenderte, zu oft hatte ich ihn gesucht, doch war erfolglos.
Dieser mystische Garten war das Herz der Gärtnerei, ich hatte ihn durch Zufall entdeckt und kurze Zeit später meine Chefin darauf angesprochen.

"Vielleicht kann ich es dir als eine Art urzeitliche Magie beschreiben.", hatte sie gesagt und mich mit ihren, fröhlichen, faltenumrundeten Augen angeblitzt. "Dieser Ort Maurice, ist etwas Besonderes und er lässt die Gärtnerei zu etwas Besonderem werden. Nur Menschen die ein offenes und lebensfrohes Wesen haben, werden hier einkaufen, alle Anderen werden den Laden einfach übersehen.", hatte sie zufrieden erklärt.
Das war der Moment gewesen, an dem ich entschieden hatte hier arbeiten zu wollen. Isabella war schon alt und vor zwei Jahren in den Ruhestand gegangen, doch sie besuchte den Garten oft. Ich hatte unglaublich viel von ihr gelernt.

Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich nicht bemerkt hatte wie ich vor einem schwarzen Metalltor stand. Es war dem Eingang des Blumenladens sehr ähnlich, doch übersäht mit wunderschön geschmiedeten Blüten und Schnörkeln. Der Türgriff wurde von einer blau schimmernden Schnecke verziehrt, gerade als meine Hand darüber schwebte, bewegte sie sich.
Grinsend beugte ich mich zu ihr hinunter. "Du warst aber lange nicht wach."
Sie blinzelte mich mit ihren runden Stielaugen an, sprechen konnte sie nicht, doch ich bildete mir gerne ein, dass das Schneckchen mich verstand.
Wie von Zauberhand glitt die Türklinke herunter und das Tor schwang auf.

Dahinter lag ein Weg der aus bemosten, zerbrochenen Steinplatten gebildet wurde. Die Sonne fiel durch ein Blätterdach und tauchte alles in waldähnliches Grün. Ich war nicht in einem Wald gelandet, ganz deutlich erkannte man die gepflegten Beete, in denen zierliche Blumen und kleinere Sträucher wuchsen.
Nach Ende des Winters, war der Boden hier stets bedeckt mit den schönsten Frühblühern, im Sommer sah man etwas weniger Blüten.

Glücklich schritt ich weiter den Pfad ab und bald wurden die Bäume wieder weniger, statt dessen blühten hohe Rosensträucher und unter Efeu bewachsenen Baumwurzeln schmiegten sich kleine violette Blumen in ihre Töpfe. Sonnenlicht strahlte auf die ein wenig verblühten Tulpen und duftende Fliederbüsche. Die Beete mündeten schließlich in eine kleine Rasenfläche, dahinter lag ein verwunschen aussehender Teich. Seerosen blühten dort und man hörte das allgegenwärtige Quaken der Frösche. Ich hätte Lust gehabt noch einen der immer anders scheinenden Wege hinter dem Teich zu erkunden, doch mir blieb nicht die Zeit.
Vor einigen Wochen hatte ich eine überwucherte Brunnenruine an einem lauschigen Picknickplatz mit einem Kirschbaum gefunden, der umgeben war von Himbeersträuchern, doch danach hatte ich ihn nicht wieder gesehen.

Schneller als erwartet hatte, war ich zurück in der Gärtnerei und machte mich daran Geranien einzutopfen und einige der Rosen zurück zu schneiden. Als ich zuletzt eine neue Hortensie einpflanzte, tippte mir von hinten jemand auf die Schulter. "Hey Maurice, ich weiß du hast in 15 Minuten Feierabend, aber könntest du für mich die letzte halbe Stunde Verkauf übernehmen? Ich habe auch schon fast alles aufgeräumt und gegossen.", Freya schaute mich bittend an.
Sie war in den letzten Jahren eine gute Freundin geworden und ich würde ihr den Gefallen bestimmt nicht ausschlagen, doch vorher wollte ich wissen: "Warum denn? Hast du eine Verabredung?", bei der zweiten Frage zog ich bedeutend die Augenbrauen hoch.
Statt einer genervten Reaktion wurde sie rot und nickte. "Taja hat gefragt ob ich heute Abend Zeit habe."
Ich lachte leise: "Viel Spaß euch beiden."

Als Freya verschwunden war machte ich mich auf den Weg zum Verkaufshäuschen, ich freute mich ungemein auf den Rest meiner Lasange und das gemütliche Bett, welches zu hause auf mich wartete, doch ich liebte die Arbeit hier und fand es nicht schlimm ein Wenig länger zu bleiben.

Garden || ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt