Kapitel 5

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Seit sechs Uhr morgens war ich hier und hatte mit Ralf zusammen die neuen Beete umgegraben.
Er hatte mich auf Michael angesprochen und schien sichtlich verärgert darüber, dass irgendwer ihn alleine in den Garten gelassen hatte. Doch nachdem ich ihm versichert hatte, ich würde aufpassen, hatte er die Augenbrauen zusammen gezogenen und genickt.
Als endlich alles zu Ralfs Zufriedenheit war, war es fast zehn Uhr und völlig fertig ließ ich mich im Pausenraum auf eines der Palettensofas sinken. Ralf war nicht unfreundlich und an sich kam ich gut mit ihm klar, auch wenn er strenger war als alle anderen hier, doch manchmal war er unfassbar pingelig.

In diesem Augenblick betrat Freya zusammen Milena, einer Auszubildenen, den Raum. Sie ließ ihre Tasche neben mir auf das Sofa fallen und während sie ihre braunen Haare zu einem Zopf band, fragte sie: "Und? Wie läuft's mit Michael?"
"Woher weißt du wie er heißt und außerdem werde ich ihn nie wieder sehen.", stellte ich irritiert die Gegenfrage und setzte noch hinzu: "Nicht, dass das tragisch wäre."
Milena lachte leise. "Du klingst wie ein kleines Kind, das beim naschen erwischt wurde.", stellte sie fest und wandte sich dann an Freya: "Ich kümmer mich um die Kirschbäume."
Meine Freundin nickte und bevor Milena verschwand erinnerte sie, sie pünktlich zum Verkauf zu kommen.

"Zu Freitag soll die Bestandsaufnahme fertig sein, die angefangene Liste ist hier irgendwo. Magst du heute noch Gewächshaus drei machen, ich kann nachher alles abtippen.", erklärte sie und wühlte in einem Stapel von Zetteln.
"Vielleicht solltest du wirklich mal Ordner anlegen.", überlegte ich laut, sie grinste nur und drückte mir ein Klemmbrett mit der Liste in die Hand.

Zusammen mit den Blättern machte ich mich auf den Weg zum Laden. Ralf hatte die Angewohnheit, egal was seine Aufgabe war, ab und zu im Verkauf vorbei zu schauen und wenn ich Schicht hatte sollte ich lieber da sein.
Obwohl der Laden gut besucht war und zeitweise eine Familie mit tobenden Kindern, die ich mehrmals bitten musste vorsichtig zu sein, da war, hingen meine Gedanken durchweg bei Freyas Kommentaren über Michael.
Ja, das er hübsch war ließ sich nicht bestreiten, doch das war doch nicht wichtig. Er hatte sich zwar entschuldigt und in diesem Moment als gar nicht mal unsympatisch herausgestellt, doch wer wusste ob er nicht die meiste Zeit über doch ein unglaublicher Idiot war.

Außerdem würde er sich nicht die Mühe machen hier nocheinmal aufzutauchen, was sollte ihm das auch bringen?

Milena schaffte es tatsächlich mich, zwei Stunden später, pünktlich abzulösen. Also durfte ich nun Gemüsepflanzen, Gartengeräte und Samenmischungen zählen.
Ich arbeitete mich durch die Pflanzen und notierte zunehmend unordentlicher wie viele Gurken- und Tomatensamen in den Regalfächern lagen. Als mich von hinten jemand antippte.
Ich hatte mit Freya oder Isabella gerechnet und erschrak als ich mich herumdrehte.

Michael lachte über meinen Gesichtsausdruck als ich ihn erkannte und verwirrt fragte: "Was machst du denn hier?"

"Ich... naja zum Einen dachte ich du könntest bestimmt Hilfe gebrauchen und zum Anderen hatte ich eine Frage."
Es klang als hätte er sich vorher genau überlegt was er sagen wollte und nun musterte er mich erwartungsvoll.
"Ich würde ja sagen, du hast dir den richtigen Zeitpunkt zum helfen ausgesucht, aber das wirst du bestimmt anders sehen. Ich bin bei der Inventur, das heißt du darfst jetzt Gartengeräte zählen.", grinste ich etwas schadenfroh, denn wenn er schon anbot zu helfen, hatte ich nicht vor mir das entgehen zu lassen.

Zusammen mit Micha brauchte ich für den Rest nur noch gut eine halbe Stunde und schließlich ließ der Braunhaarige sich genervt gegen die Wand fallen. "Meine Güte ist das langweilig!", stöhnte er.
"Du hast es ja jetzt geschafft.", tröstete ich ihn mit vorgeschobener Unterlippe, er lachte.
Dann fiel ihm ein: "Ich hab dir was mitgebracht."
Mit schnellen Schritten verließ er das Gewächshaus, neugierig folgte ich ihm auf den Parkplatz wo er gerade den Kofferraum seines Autos öffnete. Es war das selbe, wie das was vor zwei Tagen hier gestanden hatte, aus dem allerdings niemand ausgestiegen war.

Plötzlich drehte er sich zu mir herum und setzte mit einen großen Strohhut auf den Kopf. Ich verzog das Gesicht. "Ich sehe komisch aus mit Hut."
Michael grinste mich an. "Das sehe ich anders. Außerdem musst du mir noch meine Frage beantworten."
"Was denn?", wollte ich wissen.
Er schloss den Kofferraum und lief langsam zurück zum Garten. "Das kling jetzt wahrscheinlich ein bisschen seltsam, aber was hab ihr mit eurem Garten gemacht? Wir sind einen anderen Weg zurück gegangen als ich gekommen bin, dabei sind wir aber gleich abgebogen und bevor du irgendwas zusammen stammelst, ich bin mir absolut sicher."
Er schaute mich von der Seite an als ich nicht direkt antwortete.

"Lass uns nochmal in den Garten, wir gehen ein Stück und dann gehen wir genau so zurück. Wenn der Weg wieder genau so aussieht wie vorher auch, nimmst du es hin und wenn nicht, erkläre ich es dir.", entschied ich mit einem geheimnisvollen Schmunzeln
Sollte der Garten sich Micha wirklich zeigen wollen, würde er das tun und dann könnte ich ihm auch den Rest erzählen.

So schlenderten wir nebeneinander her und bogen zwischen den Beeten und Büschen einfachheitshalber immer rechtsherum ab. "Hast du Geschwister?", wollte Micha irgendwann wissen um ein Gespräch in Gang zu bringen. Ich begann etwas zögerlich von meiner Familie zu erzählen, doch bald waren wir vertieft darin einander von lustigen Kindheitserinnerungen zu berichten.
Irgendwann zog er sein Handy aus der Hosentasche und tippte darauf herum.
"Meine Mutter hat mir neulich alte Fotos geschickt. Ich wusste nichtmal, dass soetwas existiert."

Wir blieben stehen und interessiert betrachtete ich die Fotos. Als Kleinkind hatte er noch strahlend blaue Augen und viel hellere Haare gehabt. Er saß auf dem Schoß eines Jungen und versuchte hochkonzetriert eine angebissene Möhre zu zerbrechen, während der andere Junge leicht überfordert in die Kamera grinste.
Als er das nächste Bild zeigte musste ich auflachen. Er saß auf dem Boden umringt von Bauklötzen und trug einen viel zu großen, violetten Zylinder auf dem Kopf. Man konnte sehen wie er förmlich vor Freude johlte.

"Ach ist das niedlich.", quietschte ich lachend. "Du bist auch niedlich wenn du dich freust wie ein kleines Kind.", lachte Micha und obwohl ich mit lachte, stieg mir die Röte ins Gesicht.

Garden || ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt