Kapitel sechs
„Es schnürte sie zu, trennte sie fast voneinander und kroch dann grinsend weiter in die Mitte seines Herzens."
Freitag war einer dieser Tage, die sich ewig zogen. In irgendeiner Weise fühlte sich eine Sekunde an wie eine ganze Stunde und das war nicht einmal übertrieben.
Harry kannte dieses Gefühl sehr gut. Auf etwas zu warten, auf das man schon ewig wartete, nur, um dann noch länger warten zu müssen, weil irgendwer es nicht auf die Reihe gebracht hatte, das ganze Drama auf später zu verschieben.
Gerade saß er in seiner letzten Unterrichtsstunde für diese Woche und gerade jetzt (nicht später, nicht in einer halben Stunde und schon gar nicht in den nächsten drei freien Stunden) hatte irgendjemand, der anscheinend nicht viel Hirn besaß, in Chemie die falschen Substanzen miteinander vermischt.
Und da diese ganzen Lehrer so übervorsichtig waren, hatte die Lehrerin, die Harry eigentlich sehr mochte, da sie mit dem Vertrauenslehrer verheiratet und auch sonst sehr verständnisvoll war, den Notfall-wirmüssenalleschleunigsthierrausweilwirsonstallesterben-Knopf gedrückt und die Schüler freundlich gebeten unsere faulen und idiotischen Hintern hier raus zu bewegen, bevor sie diese hier noch einsperrt, damit sie alle Störenfriede los war.
Louis schlenderte, mit herausgelassener Zunge, neben Harry her, schien sich nicht an dem lauten und ätzenden Geräusch zu stören, blickte ab und zu nach oben, um sicher zu gehen, dass mit ihm alles in Ordnung war, während sie durch die kahlen Flure gingen und der Masse folgten. Harrys Lehrerin hatte sich dazu bereiterklärt, mit dem Lockenkopf vorauszugehen, damit er nicht von den hunderten von Schülern erdrückt wurde und dann waren sie schon auf der riesigen Wiese angekommen, auf der er Liam und seine Freunde das erste Mal getroffen hatte. Doch gerade war nichts von ihnen zu sehen.
Er hatte auch nicht vor, sich hier groß umzusehen und – wie es seine Klassenkameraden taten – herumzulaufen und Freunde zu begrüßen, die auf der anderen Seite dieses monströsen Feldes standen.
Allgemein war hier viel zu viel los und Harry bat seinen treuen, tiefenentspannten Vierbeiner, der es sich zwischen seinen Beinen gemütlich gemacht hatte, ihn aus dieser Menge herauszuführen.
Es war unangenehm für ihn, doch trotzdem umklammerte er den Führgriff und ließ sich mit schwitzenden und zitternden Händen von Louis in Sicherheit bringen. Ihn überkam ein Gefühl von Panik, als er durch die laute und Menschenmasse gezogen wurde, denn sein Hund steuerte auf eine Bank zu, die etwas entfernter von dem ganzen Trubel, alleine vor einer Hecke stand, aus der die Vögel zwitscherten.
Ohne jegliche Kraft ließ er sich auf das Holz fallen und atmete durch.
Zum Glück hatte er seine Medikamente schon genommen, da er in der Klasse einen Schub bekommen hatte, als sie über das Thema Tod gesprochen hatten. Dort wurde ihm schon ganz schlecht und schwindelig und gerade eben wiederholte sich das ganze Spiel. Schwitzige Hände, die Finger zuckten unkontrollierbar und seine Sicht verschwamm immer mehr. Seine Knie wurden weich und die Angst kroch ihm über die Lippen, durch seinen leicht geöffneten Mund und rein in seine Lunge. Es schnürte sie zu, trennte sie fast voneinander und kroch dann grinsend weiter in die Mitte seines Herzens. Dort ließ es sich auf den Hintern fallen und füllte es mit einer schwarzen Flüssigkeit, die sein Herz dazu brachte, panisch immer schneller zu schlagen, sodass es immer wieder stolperte, aufstand, weiter schlug und als selbst sein Herz anfing zu schwitzen, schaltete Harry ab und alles war ruhig. Nur sein Kopf, in dem spukte es weiter und ließ ihm keine Ruhe.
Der Labrador hingegen, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, als vier Personen auf ihn zukamen. Er blieb tapfer über Harrys Beinen gebeugt und hatte denn Kopf auf dessen Brust abgelegt. Sein Besitzer war weggetreten, und bewegte sich kein Stück mehr.
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Brown-eyed Soul
Fanfiction"Er ist weg!" "Wie er ist weg?" "Er ist weg! Er ist einfach weg!" Angst machte sich in ihm breit, Panik überkam ihn, als er sich auf den Stuhl sinken ließ und hektisch nach seinen Medikamenten griff. "Er ist weg! Einfach... weg." Diese Geschichte i...