25. Die stille der Nacht

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Es sind die Fehler, die einen Menschen auszeichnen. Sie machen uns zu dem, was wir heute sind und dabei spielt es nicht mal eine Rolle, ob man versehentlich das Handy hat fallen lassen oder vor Wut ein Buch zerrissen hat.

So klein die Fehler auch sein mögen, sie lassen dich das Geschehene überdenken und beeinflussen dein zukünftiges Verhalten.

Mein Fehler war jedoch kein kleiner, denn ich hatte mich selbst belogen und dadurch einen riesigen Scherbenhaufen hinterlassen, einen Scherbenhaufen, den Jolien zu spüren bekam.

Ich war es, der sie zu diesem verletzlichen Mädchen gemacht hatte und vielleicht war ich es auch, der sie dazu verleitete ihr Leben beenden zu wollen.

Ich war mir sicher, dass ich mir diesen Fehler nie wieder verzeihen könnte, oder wohl eher diese Fehler, denn die Rose war nicht das Einzige, das ich ihr angetan hatte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich sie noch selbst einen Freak genannt und war mir sicher, dass sie nur Aufmerksamkeit erregen wollte.

Heute war ich mir sicher, dass sie diese wirklich nötig hatte. In den letzten Tagen wurde mir bewusst, dass, wenn ich falle, Nate für mich da ist, doch Jolien hatte diese Person nicht. Wenn sie fiel, dann fiel sie tief. In ein unendlich tiefes Loch, vor dem ich sie doch die ganze Zeit über fernhalten wollte.

Ein letztes Mal blickte ich nach hinten, um mir die Gesichter meiner wahren Freunde einzuprägen. Ich hatte zunehmend das Gefühl, als wäre es das letzte Mal, dass ich sie sah.

Es war, als würde ich mein Verschwinden zunehmend spüren. Mein Geist war am Ende seiner Kräfte und das Schicksal hatte mir bereits all meine Fehler offenbart. Mein Egoismus, meine Arroganz und meinen falschen Freund René. Nun wurde es Zeit für mich zu sterben.

Ich spürte, wie mein Geist einfach verschwinden wollte, doch ich hatte noch etwas zu erledigen. Vor wenigen Tagen hatte ich mir vorgenommen, erst zu verschwinden, wenn ich Joliens Augen leuchten sehen würde.

Dies würde wohl meine letzte Chance sein. In hohem Tempo lief ich die Straße entlang und versuchte mich auf Jolien zu fokussieren, damit ich nicht wegdriftete.

Wenn ich genau überlegte, war dies gar kein schlechter Tag zum Verschwinden. Es war ein Tag, der mir noch ein letztes Mal die wahren Persönlichkeiten mancher Menschen offenbarte und mich Zeit mit meinem wahren besten Freund verbringen ließ.

Aus diesem Grund war ich auch nicht traurig, als ich die Straße auf der Suche nach Jolien entlanglief. Meine Lippen zierte ein breites Lächeln, denn ich wusste, dass ich meine Spuren hinterlassen hatte und die anderen ohne mich weiterleben könnten.

Ich war mir sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis sich eine Freundschaft unter Nate und Christian bilden würde, auch Lydia würde über mich hinwegkommen und meine Eltern würden es endlich wieder schaffen sich unter die Augen zu treten.

Nur ein Mensch war noch nicht bereit und diesen Menschen musste ich jetzt finden. Ich musste mich für mein Verhalten all die Jahre lang entschuldigen und ihr erklären, dass dies das Beste für mich wäre.

Immer und immer wieder sah ich den Moment, in dem Jolien sich den Zettel durchlas, vor meinem inneren Auge. Ich sah die wenigen Sekunden, in denen aus einem Leuchten Trauer wurde und dann ihren verletzten Blick mir gegenüber. Dieser Moment schien für mich heute surreal.

Es war, als würde ich einem anderen Menschen bei diesen Taten zusehen, denn seit dem vierten Juli konnte ich mich mit dieser Version von mir selbst nicht mehr identifizieren. Es war, als säße René dort und hielt Joliens Blick stand.

Von Sekunde zu Sekunde wurde mir immer mehr bewusst, dass ich sie finden musste. Mir blieb nicht mehr viel Zeit vor dem Verschwinden und ich hatte ihr noch so vieles zu erklären.

Die Stadt, in der es mich nicht gibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt