Erinnerungen

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Aileen:


Früher war der Nebenraum ihr Zimmer gewesen. Ihr Reich, in dem sie ihren Gedanken nachhängen konnte. Als ihre Eltern verschwanden, war aus den Ferien bei ihrer Großmutter ein Leben bei ihr geworden. Sie vermisste ihre Eltern und häufig schlich sie sich nachts ins Bett ihrer Großmutter, weil sie Angst hatte, alleine zu sein.  

Mit den anderen Kindern aus dem Dorf kam sie nicht besonders gut klar. Aileen liebte es mehr, mit ihrer Oma Zeit im Garten zu verbringen und sich Geschichten über die vielen Blumen und Kräuter anzuhören, die ihre Großmutter kannte.  Über das Nachtkraut, welche Albträume vom Haus fernhielt oder dem Hexenlicht, welches nachtaktive, finstre Gestalten vom Eindringen in das Grundstück abhalten sollte. Genauso über die Zitronenmelisse, die mit ihren Duft beim Nachdenken half oder die einfache Zwiebel, welche ihre Großmutter mit Zucker bestreute, um den Saft bei Erkältungen einzunehmen. Vielleicht kam ihre Neigung für die ungewöhnlicheren Dinge im Leben aus dieser Zeit. 

Und obwohl sie ihre Eltern sehr vermisste, war es eine schöne Zeit mit ihrer Großmutter. Sie und dieses Haus waren ihr Schutz vor allem Unbill des Lebens. Selbst als sie in die Großstadt gezogen war, besuchte sie ihre Großmutter jede zweite Woche und verbrachte auch einen Teil ihres Urlaubs hier. Sie sah, wie es ihrer Oma immer schwerer fiel den Garten zu pflegen und auch das Haus zu umsorgen. Aber mit ihren fünfundachtzig Jahren war sie trotzdem noch fit genug, ihre Leben zu bestreiten.

Als Aileen an ihrem ersten Abend alleine in diesem Haus saß, fielen ihr die vielen kleinen Veränderungen ein, welche ihre Großmutter in den letzten Monaten eingefallen waren. Es gab eine neue Essecke, andere neuere Einrichtungsgegenstände sowie neue elektrische Küchengeräte. Obwohl sie es wirklich versuchte ihrer Großmutter auszureden, hatte sie ein neues Bett für Aileen bestellt, dass allerdings noch nicht geliefert worden war. Ein paar der alten Schränke und altes Geschirr wurde durch Neues ersetzt und es gab helle, neue Vorhänge  in den Zimmern. Immer wieder hatte sie Aileen um ihre Meinung gebeten und hatte sich von ihr in die entsprechenden Geschäfte fahren lassen. Und während Aileen auf der Couch saß und den Gedanken sacken ließ, dass ihre Großmutter wahrscheinlich das herannahende Ende gespürt hatte und alles für sie herrichten wollte, schlief sie auf dem gemütlichen neuen Sofa ein. 

Leseprobe "Aileen Wolf - Erwachen"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt