Aileen:
"Du weiß bereits die Antwort auf diese Frage. Du brauchst keine Erlaubnis dafür, um ehrlich zu dir zu sein."
Nach Wochen war es dem Telefonanbieter endlich gelungen, meinen Internet-Anschluss freizugeben und die ersten Stammkunden reservierten bereits ihre Termine. Bei den meisten legte ich nur noch unterstützend die Karten. Ich hatte eine gute Antenne dafür, was in den Menschen am anderen Ende der Leitung los war, sodass ich nicht wirklich auf sie als Hilfsmittel angewiesen war. Zumindest nicht, wenn ich die Kunden bereits etwas kannte.
Das Telefonat dauerte eine Dreiviertelstunde und meine Kundin hatte mit neuen Perspektiven vor Augen das Gespräch beendet. Das war es, was mich an meiner Berufung so befriedigte. Und nein, ich hatte kein schlechtes Gewissen, dafür Geld zu nehmen. Dies war bei den meisten spirituellen Menschen verpönt, weswegen ich dort zwar einige Menschen kannte, aber keinen engeren Kontakt pflegte. So war es besser - für beide Seiten.
Als es an der Haustür klingelte, legte ich das Headset zur Seite und eilte zur Tür. Mein Bett kam heute an und die letzten Tagen hatte ich damit verbracht, das meiner Großmutter abzubauen. Es war ein altes Bett aus schwerem Echtholz, das ich in meinem alten Zimmer wieder aufbauen würde, sobald die Kisten ausgepackt waren. Ich würde darin nie schlafen können, aber es war ein gutes Bett und viel zu schade zum wegwerfen. Mein altes Kinderbett und andere Dinge waren bereits zur Wohlfahrt und zum Wertstoffhof gewandert. Ich hatte die letzten Wochen genutzt, das Haus zu meinem Zuhause zu machen und gleichzeitig das Andenken an meine Großmutter zu ehren. Ich fühlte mich heimisch und machte mich nun daran, den Garten herzurichten. Es war bereits Mai und für viele Saaten eigentlich zu spät, aber ich versuchte mein Glück. Das Arbeiten in und mit der Erde hatte etwas erholsames und meditatives für mich. Ich mochte es, wie der Garten langsam wieder in Form kam.
Ich öffnete schwungvoll die Tür und lies die Möbelpacker ein. Sie würden nicht nur die Matratzen nach oben wuchten, sondern auch mit geübten Handgriffen das Boxspringbett aufbauen. Ich traute mir viel zu, aber ich wusste auch, wann ich Hilfe annehmen durfte.
Nach nur einer Stunde und einem Kaffee waren die beiden Männer von der Möbelspedition fertig. Ich begleitete die beiden hinaus, bis zur Gartentür. Das ganze Grundstück wurde von einem kleinen Mäuerchen mit einem kunstvollen Zaun darauf umschlossen, sodass niemand ungefragt über das Grundstück flanierte und schon gar keine Hunde ihr Geschäft hier drin hinterlassen konnten. Gerade als ich wieder in das Haus gehen wollte, spürte ich, wie sich meine Nackenhaare aufstellen. Irritiert blieb ich stehen und blickte mich um. Das Grundstück lag am Rand des kleinen Örtchens und von dort ging es über Felder bis zum Wald. Vom Hauseingang konnte ich die schmale Straße entlang sehen, die auf die Hauptstraße abzweigte. Überall waren Bäume und Büsche zwischen den Häusern, sodass der Eindruck entstand auf einem Einsiedlerhof zu leben, obwohl der nächste Nachbar nur einen Steinwurf entfernt war.
Jemand beobachtete mich und ich erhaschte einen kurzen Moment die Silhouette einer Gestalt. Sie wirkte etwas größer als ich und ich war mit meinen einen 1,75 m recht groß für eine Frau. Die Gestalt wirkte jedoch breiter, weswegen ich sie als männliche Person einstufte. Der Moment ging vorbei und der Mann war verschwunden. Trotzdem war ich mir sicher, dass er existiert hatte. Ich spürte keine Gefahr für mich ausgehen, aber das seltsame Gefühl blieb.
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Leseprobe "Aileen Wolf - Erwachen"
WerewolfWie angekündigt, erscheint diese Geschichte 2024 als EBook und Taschenbuch bei, großen A. Im Dezember geht der Text ins Lektorat und bekommt auch ein neues Cover. Aus diesem Grund habe ich die Kapitel auf eine Leseprobe reduziert. Folgt mir, damit i...