Verletzungen

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Als ich die große Fabrik betrat, hatte ich bereits ein schlechtes Gefühl und in mir schlich leichte Sorge hoch. Sorge? Quatsch...eher Bedenken. Wenn Henry ihr wirklich sehr wehgetan hatte, oder sie nicht mehr lebte, sodass ich nichts mehr aus ihr raus bekam, dann würde er sterben müssen. Naja. Zwei Tote mehr... wen interessierte das schon. Falls sie noch lebte, könnte ich sofort beginnen, nachzuforschen, wer sie war. Denn ich hasste ungelöste Rätsel. Das konnte ich nicht haben, wo ich doch sonst alles unter Kontrolle hatte, was unter mir lag. Auch wenn ich ein Freund des Chaos war, so musste ich doch über bestimmte Dinge bescheid wissen, wer wusste, ob die junge Frau nicht doch gefährlich werden konnte, oder zu Menschen gehörte, die mich scheitern sehen wollten. Ich wollte mir nicht ausmalen, was wäre, wenn sie für die Fledermaus arbeitete. Aber wozu spekulieren, wenn sie vielleicht eh tot war oder so behandelt, dass sie nicht mehr reden konnte. Henry war nicht der Intelligenteste, wenn es ums Foltern ging.
Die Halle war ruhig. Keinerlei Geräusch, keine Schreie. Ich hatte es mir anders vorgestellt. Nicht blutig, aber mindestens leise Schreie, die nach oben hallten. Vielleicht waren die Bedenken unbegründet. Ich seufzte. Vielleicht sollte ich daran arbeiten, nicht immer zu denken, dass meine Leute geisteskranke Idioten waren. Vielleicht dachten sie ja doch mit.
Die Metallstufen waren nass und meine Schuhe machten platschende Geräusche, als ich herunter in den Keller stieg. Ich hörte fremde Schritte, die sich mir näherten. Aus dem Schatten trat Henry, der sich die fettigen Haare aus der Stirn strich. Als er mich sah, kam er schnell näher.

"Boss! Was machen Sie denn hier?", fragte er verwundert.
Ich grinste ihn mit einem undefinierbaren Lächeln an:" Ich bin auf dem Weg zu der jungen Frau. Ich hoffe,du hast sie leben gelassen?"
Er nickte zögerlich. Vermutlich war sie mehr tot als lebendig, aber das konnte man ja ändern.
Henry ging nach oben, er sah mir noch kurz nach. Vermutlich würde er sich jetzt us dem Staub machen um nicht Objekt meiner Laune zu werden, wenn mir etwas nicht passen sollte.
Die Eisentür ging schwer auf, ich musste mich etwas dagegen werfen. Es knirschte, dann konnte ich sie leichter öffnen.
Als ich in den Raum trat, schnappte ich kurz nach Luft. Es roch komisch, die Luft war feucht und schwer. Als ich den Bilck hob, bot sich mir ein komisches Bild. Da hing die Frau, fast auf den Knien, was aber nicht ganz möglich war, weil die Ketten von der Decke sie oben hielten. Die Arme waren so fixiert und ihr Kopf hing nach unten. Das Gesicht konnte ich nicht sehen, da ihr ein verrosteter Eimer über den Kopf gestülpt war. Nur die langen verfilzten Haare waren darunter zu erkennen. Unter ihr sah ich eine Pfütze aus undefinierbaren Flüssigkeiten, den schwachen Rotton konnte ich allerdings erkennen. Ich trat näher, ignrierte den Geruch. Ich nahm den Eimer vom Kopf. Sie schien vor Erschöpfung zu schlafen. Ich griff ihr in den Nacken und zog sie so auf die Beine. Sie ließ sich einfach hochheben, aber bewegte sich nicht. Ihr Gesicht erschreckte mich. Es war sehr dunkel und viel konnte ich nicht sehen, aber den Mund, aus dem sich ein kleiner Blutstrom den Weg bahnte, konnte ich erkennen. Die eine Gesichtshälfte schimmerte grün-bläulich. Die Lippe war mehrere Male aufgesprungen. Auf der Stirn war eine Platzwunde. In dem Zustand würde niemand erkennen, wer sie war. Ich biss vor Ärger die Zähne zusammen. Dann ließ ich sie los und ging um sie herum, um sie von den Handschellen zu befreien. Sie schien es selbst versucht zu haben,denn die Handgelenke waren blutig. Ihr Rücken war frei, die Klamotten vom Körper gerissen. Lange rote Striemen zogen sich über die Haut. Was hatte er nur mit ihr angestellt? Ich hatte ihn scheinbar etwas unterschätzt.
Ich öffnete die Handschellen und sie sank zu Boden. Um sie nicht in die Flüssigkeiten fallen zu lassen, fing ich sie schnell auf. Sie stöhnte. Ihre Augen öffneten sich leicht, weiteten sich ängstlich, als sie mich erkannte.
"Shhh... ganz ruhig.", versuchte ich, sie etwas zu beruhigen. Das war sonst nicht meine Art, aber irgendwie musste ich sie wieder aufpäppeln. Vielleicht war sie noch hilfreich. Ihr ängstlicher Blick erinnerte mich an jemanden, den ich mal in einer ähnlichen Situation sah, aber ich kam nicht auf die Person. Ihre Augen schimmerten Trübe. Sie starrte mich nur an.
Ihr Körper war zart, zerbrechlich, als ich sie über meine Schulter hob. Ihr erstes richtiges Lebenszeichen war, dass sie sich bei dieser Bewegung übergeben musste. Da musste sie jetzt durch. Ich trug sie nach oben. Ihr Körper wankte bei jedem Schritt mit. Es war beschwerlich, so die Treppe hochzusteigen, doch es ging schon.
Ich bugsierte sie in ein kleines Bad, damls vermutlich für Fabrikarbeiter erbaut, und setzte sie in die Dusche. Ihre Hände fanden die Kraft, sich gegen mich zu stemmen, aber das war nutzlos. Möglichst vorsichtig, zog ich ihre restlichen Kleider aus, ohne sie zu verletzen. Die junge Frau zog die Beine an den Körper, was es mir zusätzlich erschwerte.
"Das ist nicht schön für uns beide, meine Liebe. Wehr dich nicht, ich tue dir nichts.", murmelte ich.
Nach der langen Prozedur des Ausziehens machte ich das Wasser an. Es war glücklicherweise fast zeitgleich warm und ich spülte sie langsam ab. Sie verzog das Gesicht. Das Wasser musste sehr auf den Wunden brennen. Ich schüttete ihr etwas Seife auf den Kopf und ignorierte ihr stöhnendes Geräusch, als es in die Wunden floss. Sauberkeit war gerade in ihrem Zustand sehr wichtig. Was nützte sie mir tot?Nachdem sie sauber war, wickelte ich sie in ein großes Handtuch, was ich aus einem verschlossenen Spint auftreiben konnte. Ich trug sie so in mein Büro und setzte sie auf ein Sofa. Nachdem sie halbwegs stabil saß, zwang ich sie, etwas zu trinken. Das meiste spuckte sie zwar wieder aus, aber etwas nahm sie doch auf. Es störte mich nicht, dass sie außer dem Handtuch nackt war, dennoch sah ich, dass sie fror und ich gab ihr kurzerhand eine Decke, drückte ihren Körper auf das Sofa, damit sie liegen konnte. Mein Jackett diente als Kissen. Sofort war die Verletzte eingeschlafen. Ich betrachtete sie kurz und fand sie trotz der Verletzungen recht ansehnlich. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich sie kannte. Umso wichtiger, zu erfahren, wer sie war.
Ich drehte mich um, und verließ das Zimmer. Später würde ich wiederkommen, und nach ihr sehen. Vielleicht war das überhaupt der bessere Ansatz. Vertrauen zu schaffen... vielleicht verriet sie mir dann mehr.

Weil ich dich liebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt