Kapitel 4

103 29 55
                                    

Ella

Die Musik war nicht mehr zu hören. Dafür hatte nun ein schrilles Piepen ihren Platz eingenommen. Mein Kopf dröhnte und alle meine Glieder schmerzten.

Stöhnend öffnete ich die Augen. Grelles Licht blendete mich und ich musste mehrmals blinzeln, da diese plötzliche Helligkeit in den Augen weh tat. Ich wusste weder wie viel Uhr es war noch, wo ich mich hier befand. Ich saß auf einer Holzbank. Gegenüber von mir konnte ich eine Reihe von Spinden erkennen. Angestrengt versuchte ich mich zu erinnern, wie ich bloß hier hergekommen war. Plötzlich tauchten Bruchstücke an Erinnerungen vor meinem inneren Auge auf.

Ich, wie ich ein Glas Alkohol nach dem anderen in mich hineinschüttete, Amy, wie sie mit ihrem Kerl den Club verließ und... Ich stockte.

Der andere Kerl, Tyler. Er hatte sich an mich rangemacht und war mir nahe gekommen. Beängstigend nahe.

Wie lange war das her? Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Was, wenn er hier war? Dieser Typ war so widerlich gewesen! Ich wollte ihn nie wieder sehen. Höchstens, um ihm eine reinzuhauen...

Ich sah mich vorsichtig im Raum um, den ich mittlerweile als Umkleide ausgemacht hatte. Als ich eine männliche Gestalt im Türrahmen erblickte, zuckte ich unwillkürlich zusammen. Doch es war nicht Tyler, der in der Tür lehnte. Gott sei Dank! Es war ein erstaunlich attraktiver, junger Mann mit blonden Locken und strahlend blauen Augen. Erleichtert atmete ich aus.

Er trug ein hellgraues Hemd, bei dem die zwei oberen Knöpfe geöffnet waren, und eine enge schwarze Jeans.

Er sah gut aus, stellte ich fest. Irgendwie kam er mir so seltsam bekannt vor. Ich legte den Kopf schief, runzelte die Stirn und betrachtete ihn von oben bis unten.

Aber natürlich! Ich gab mir innerlich einen Facepalm. Das war dieser süße Barkeeper!

In diesem Moment stieß er sich vom Türrahmen ab und kam auf mich zu.

„Hey", krächzte ich und räusperte mich sofort. 

„Hallo", erwiderte er. Sein Blick war vollkommen undurchdringbar. Er hatte eine Wasserflasche in der Hand, die er mir hinhielt. Dankbar nahm ich sie entgegen und trank gierig ein paar Schlucke daraus.

„Ähm...sorry, aber wo bin ich hier?", fragte ich, nachdem ich meinen ersten Durst gestillt hatte. „Wie viel Uhr ist es? Und wo ist dieses widerliche Arschloch namens Tyler? Wenn er es wagt, mir noch einmal zu nahe zu kommen, dann..."

Wow, ich musste dringend mal Luft holen! So aufbrausend kannte ich mich überhaupt nicht. Ich war wohl immer noch nicht ganz nüchtern. Ich lehnte mich an den Spind hinter mir und vergrub stöhnend mein Gesicht in den Händen. Gott, das war alles so unglaublich peinlich! Ich wusste nicht wie das hatte passieren können. Normalerweise ließ ich es niemals zu, dass ich die Kontrolle verlor. Ich war sauer und gleichzeitig so enttäuscht von mir.

Ich konnte hören, wie sich der Barkeeper neben mich auf die Bank setzte. Dann zog er mir sanft meine Hände vom Gesicht und sah mich ernst an.

„Hey, beruhige dich. Es ist alles gut. Du warst fast zwei Stunden ausgeknockt, es müsste jetzt etwa kurz nach halb 3 sein." Ich nickte einfach nur, nicht imstande dazu, ein Wort zu sagen.

„Dieses Arschloch", er sah mich grimmig an, „Ich habe ihn aus dem Club geschmissen."

„Danke", hauchte ich. „Hat...hat er...", ich stockte, „...was hat er mit mir gemacht?", flüsterte ich und ein Schauer lief über meinen Rücken, als ich mich an seine Hände an meiner Taille und seinen übel riechenden Atem in meinem Gesicht erinnerte. Mir wurde schlecht, allein bei dem Gedanken daran, was er wohl mir angestellt haben könnte. Warum zum Teufel hatte ich nur so viel getrunken?

PetrichorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt