Anna Karenina

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Elias wurde durch ein Poltern aus seinem Arbeitszimmer aus dem Schlaf gerissen. Verschlafen stand er auf und lauschte an der Tür, doch es war still dort. Gerade als er dachte er hätte es sich nur eingebildet drang leises Rascheln durch die Tür zu ihm. Ohne Vorwarnung riss er die Tür auf und erwischte Jasper, der vor Schreck einen Buch fallen ließ, welches er gerade noch in der Hand gehabt hatte. "Dad, du bist wach!", rief er überrascht. Elias verschränkte mit finsteren Blick die Arme. "Ja, das bin ich. Ich wurde geweckt weil ich jemanden hörte der mein verschlossenes Arbeitszimmer durchsuchte.", knurrte er und betonte verschlossen extra um es noch zu unterstreichen. Jasper setzte eine Unschuldsmiene auf. "Verschlossen? Nein nein, die Tür war offen als ich vorbeikam und da ich ja weiß, wie gewissenhaft du diese Tür immer verschließt, wollte ich nachsehen ob alles ok ist.", verteidigte sich Jasper. Elias nickte zwar, kaufte seinem Sohn jedoch kein einziges Wort ab. "Und wieso durchsuchst du dann meine Sachen? Suchst du was bestimmtes? Ein Testament zum Beispiel?", gab Elias zurück und ahmte Jaspers unschuldigen Ton nach. "Testament? Was? Wieso sollte ich das den suchen? Nein, natürlich nicht. Ich wollte nur...", begann er und sah sich suchend im Raum um ehe sein Blick auf das Buch fiel welches vor ihm am Boden lag und mit einer fließenden Bewegung hob er es auf. "Ich wollte eigentlich wieder gehen als ich sah das alles in Ordnung ist, als mir das Buch ins Auge gesprungen ist.", meinte er und hielt das Buch hoch. Elias hob eine Augenbraue. "Du interessierst dich für Anna Karenina?", fragte Elias zweifelnd. Jasper warf einen kurzen Blick auf das Buch und runzelte die Stirn als er zum ersten Mal den Titel des Buches las. "Ja, also nein, ich meine...wieso hast du Anna Karenina in deinem Regal?", gab er überrumpelt zurück. "Es war das Lieblingsbuch deiner Mutter.", antwortete Elias und kurz war Traurigkeit in seinen Augen zu sehen. Jasper nutzte diesen Moment und sah gespielt sehnsüchtig auf das Buch. "Ich wusste es musste einen Grund geben. Du hast es bestimmt aufbehalten um Mutter in Erinnerung zu behalten.", flüsterte er und warf einen kurzen Blick zu seinem Vater der den Blick traurig gesenkt hatte, als er an seine tote Frau dachte. Jasper verkniff sich das triumphierende Grinsen. "Diese Buch hat einen Ehrenplatz verdient.", fügte er hinzu und wollte es zurück stellen. "Nicht doch.", unterbrach ihn Elias plötzlich. Jasper drehte sich überrascht um. Die Trauer war aus dem Blick seines Vaters verschwunden und es lag beinahe so etwas wie Schadenfreude darin, als Elias weitersprach. "Du kanntest sie am wenigsten, du warst noch so jung als sie starb. Behalte das Buch, vielleicht kommst du ihr näher wenn du es ließt." Jasper unterdrückte ein gequältes Stöhnen und versuchte eine möglichst dankbare Miene aufzusetzen. "Das wäre mir eine Freude, doch ich will es dir nicht weg nehmen, es ist eine so schöne Erinnerung an Mutter.", versuchte er sich raus zu reden, doch Elias ließ ihn nicht so einfach von der Angel. "Nein, bitte, ich bestehe darauf. Ließ es, dann haben wir endlich ein gemeinsames Gesprächsthema.", meinte er und lächelte Jasper an der resigniert das Lächeln erwiderte. "Danke, Dad.", knurrte er ehe er mit dem Buch unter dem Arm den Raum verließ. Elias lachte in sich hinein. Jasper würde es sich in Zukunft zweimal überlegen, ehe er wieder versuchte sein Büro zu durchsuchen.

Ivana wartete mit einem hämischen Grinsen draußen am Gang auf Jasper. Sie wurde von Stimmen wach, und hatte das Ende des Gespräches mitbekommen. Nun sah sie erfreut wie Jasper mit finsterer Miene aus Elias Arbeitszimmer kam. "Na, was interessantes gefunden.", flötete sie und versuchte erst gar nicht die Schadenfreude zu verstecken. Jasper schnitt eine Grimasse in ihre Richtung. "Halt die Klappe Ivana.", knurrte er nur. Im Moment hatte er recht wenig Lust auf einen weiteren Schlagabtausch mit seiner doppelzüngigen Schwester. Diese ließ jedoch nicht so leicht locker. "Ach komm schon kleiner Bruder, vergiss nicht das wir auf der selben Seite stehen, falls du also etwas herausgefunden hast, solltest du mich einweihen.", erinnerte sie ihn leise und sah ihn auffordernd an. Jasper verdrehte die Augen und setzte dann ein ebenso falsches Lächeln auf wie es seine Schwester gerne tat. "Ich habe gar nichts gefunden. Der alte Kauz versteckt wichtige Dokumente recht geschickt. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss diesen russischen Roman lesen, das verdammte Ding hat über 800 Seiten.", knurrte er und drängte sich an Ivana vorbei die anfing zu lachen. "Das ist ja die perfekte Lektüre für dich.", rief sie ihm provokant hinterher, ehe sie lachend die Treppe Richtung Küche runter nahm, wo sie beinahe mit Lionard zusammengestoßen wäre, der in Begleitung von Marian und den Kindern auf den Weg zur Küche gewesen war. "Was amüsiert dich so?", fragte Lionard misstrauisch. "Jasper.", antwortete Ivana immer noch kichernd. "Was hat er den getan?", fragte Marian neugierig, und Ivana wandte sich an sie. "Es geht nicht darum was er getan hat, sondern was er tun muss." "Und das wäre?", hackte Lionard jetzt auch neugierig nach. "Er muss Anna Karenina lesen.", rief Ivana schadenfroh bevor sie lachend in der Küche verschwand.

"Finden Sie heraus wohin diese Überweisungen gingen. Vater hat die letzten Jahren regelmäßig größere Summen an eine Briefkastenfirma überwiesen, ich sende Ihnen die Details per Mail. Oh, wenn ich herausfinde das er Ivana oder Lionard als stiller Sponsor geholfen hat, kann er was erleben.", knurrte Jasper leise in den Hörer. "Wie Sie wünschen Monsieur Wilson. Kann ich sonst noch was für Sie tun.", antwortete Elijah ihm vom anderen Ende. "Nein, das war alles. Obwohl...", Jasper warf einen kurzen Blick auf das Buch welches vor ihm lag. "Sie kennen nicht zufälligerweise Anna Karenina und könnten mir sagen um was es darum geht." Das Schweigen am anderen Ende war Jasper Antwort genug. "Vergessen Sie es, vielleicht lass ich es einfach Lahey lesen, der ist eh für nichts anderes nutze." "Wie Sie meinen Monsieur Wilson, doch ich wenn es nur darum geht das Sie es nicht lesen wollen, empfehle ich Ihnen einfach die Verfilmung anzusehen." "Das Ding wurde verfilmt?", fragte Jasper überrascht. "Ja.", antwortete Elijah kurz angebunden. "Wunderbar! Danke Mr. LeRou. Und jetzt machen Sie sich an die Arbeit.", befahl Jasper ehe er auflegte und im Internet nach dem Film suchte, der ihn vor stundenlange Qualen durch das Buch retten würde.

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