Der Raum hinter den wachenden, verzauberten Türen glänzte aus purem Gold und den Reichtümern vergangener Epochen, die ordentlich aufgebaut zur Schau für die Könige gestellt waren.Kreuzförmige Deckengewölbe rakelten sich wie züngelnde Schlangen viele Meter über ihren Köfpen an der Decke, übersät mit feinsten Kristallen rühmten die Gebilde ihre Makellosigkeit. Mit Kristallen, die in der Dunkelheit strahlten wie helle Himmelssterne und den Gebrauch von Fackeln überflüssig erscheinen ließ. Regale voller Bücher und Schriftrollen, die sich bis zu den Kristallen hinauf stapelten, errichtet in einer Form, deren innere Wandrücken geradewegs auf einen konzentrierten Punkt zusammenliefen. Der Raum, der Saal, ähnelte den Größenverhältnissen des Thronsaals der Verdanischen Herrscherfamilie, erkannte Emiras nach seiner Zeit im Palast, damals bevor seine Eltern ihn aufgrund Arbeitssuche mit sich in eine fremde Provinz nahmen. Namjoon Herz erschwerte sich, als sein Blickfeld die Ahnengalerie erblickte, Portraits der Könige und Königinnen, unter denen Verdanien in der Vergangenheit geführt wurde. Ordentlich aufgerichtet waren die Bilderrahmen auf einem langen Tisch, und als Namjoon näher trat und auf das Gemälde seines Freundes spähte, musste er arg Blinzeln um die salzigen Perlen nicht fließen zu lassen. „Lirion...", flüsterte er und nahm sich zusammen, musste er ja stark sein und seine Vorbildsfunktion nicht hintenanstellen. „...Verdanien verließt du in seiner Blütezeit...sieh dir von dem seligen Himmelreich an, zu was dieses Paradies verkam...". Schallend verkniff er sich einen sentimentalen Gefühlsausbruch und ertastete weitere Gebiete und Gänge der Bibliothek, er trauerte doch nach beinahe 2 Jahrzehnten musste er damit abschließen. Er verlor einen Freund, wohin der Junge mit dem bernsteinfarbenen Augenlicht einen Vater verlor. Der Schmerz in dem jungen Knaben vermochte sich Emiras nicht einmal ansatzweise auszumalen.
Seltene Pflanzen räkelten sich in allen Ecken der Gänge, Beute von Kreuzzügen oder Beigaben eines alten Abkommens, tropischer Duft von süßen Beeren und reinstem Nektar stieg Namjoon in die Nase und er schnupperte verzückt von der Vielfalt dieser unentdeckten Schönheiten. Ein kleines bisschen weckte dieses Ambiente die Erinnerungen an die großen Schlossgärten, in denen er das ein oder andere Mal auf Lirion's vierbeinigen Freund Yeontan Acht geben durfte. Erinnerungen an bessere Zeiten waren es, die fortan im Herzen der Verdaner weiterlebten.
Die parallel verlaufenden Bücherregale säumten in der Mitte des Gewölbes eine Formation um einen majestätischen Brunnen, dessen Wasser fröhlich zwischen den Skulpturen aus Marmor und Silber plätscherte, ganz so, als habe es die Kunde vom Krieg verschlafen. Des Brunnen Wasserbecken erinnerte entfernt an die Fischbecken des Königsanwesens, dutzende Metern über ihren Köpfen, wie ein Tokheimer äußerte und sich einer Reihe altertümlicher Kampfschwerter näherte, die sein Interesse weckten.
Und inmitten dieser exotischen, befremdlichen Phänomene bestaunte der letzte Prinz der Verdanischen Blutlinie mit dem bernsteinfarbenen Augenlicht dieses Paradies, nahm die Eindrücke und Nuancen in sich auf wie den Duft frischer Beeren im Maisommer. Er drehte sich herum als er Schritte vernahm, die sich ihm näherten, und lächelte so strahlend wie zwei Horizonte voller Sternlein. In diesem Lächeln erstrahlte das Heimweh, denn die Aura und die Einrichtungsstücke erinnerten ihn an den Nebelwald. Seltene Pflanzen, betörend süßer Duft, die Ruhe die hier ein Zuhause fand. Taelarion's Schulter strafften sich erfüllt mit neuem Mut, neuem Antrieb in dieser seelenlosen Welt. Stehend inmitten dieser Tausenden von Wissensüberlieferungen wurde ihm klar, dass er seiner Heimkehr einen großen Schritt näher rückte. Neuer Mut entfachte sich in seinem Herzen. Ein Name. Nurmehr Buchstaben trennten ihn von seiner Rückkehr in den Nebelwald. Von dem Wölfchen, der sicherlich außer Rand und Band über seinen Spielgefährten stürzte und seine raue Zunge an der weichen Wange leckte. Von dem Ungetüm, dessen fromme Freundschaft Taelarion zu keinem Tag vergaß.
Den Freund, den Taelarion schmerzlichst an seiner Seite misste.
„Der Zauber hat diese Welt nicht verlassen", flüsterte er ehrfürchtig und deutete mit funkelnden Augen hin zu dem Brunnen, in dessen Becken sich die buntesten Fische säumten und aus deren Tiefen sich plötzlich das Wesen erhob, welches er zum ersten Mal in dem Ramschladen in Barbolos gesichtet hatte. Eilig erinnerte er sich an die Gattung und freute sich, als ihm dazu eine Geschichte aus dem Märchenbuch einfiel, die er Yoongi auf der Krankenstation in Tokheim vorlas. Eine Erzählung, zu alt um zu erkennen ob diese der Wahrheit oder der Fantasie einer Geschichtenerzählerin entsprang, in der sich Mensch und Meerwesen aneinander banden und der herkömmlichen Trennung ihrer Welten trotzten. Es war eine wirklich berührende Handlung und obwohl Taelarion kein Mensch war, der leichtfältig sein Glauben verschenkte, wusste er aus tiefstem Herzen, dass man sich eine solch heroische Geschichte über Vertrauen, Freundschaft und Liebe nicht einfach so ausdenken vermochte.
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▪Kingdom of forgotten Names▪ Vkook
FantasyVerdanien, 17 Jahre nach Kriegsbeginn. Auf der Suche nach Nahrung verschlägt es den Jäger Yoongi hinein in die mythischen Nebelwälder. Er glaubt nicht an die Geister, die an der Waldgrenze patroillierten. Oder daran, dass tatsächlich ein grausames...