[ Point of view: Kenma Kozume ]
Ich hoffte durchgehend, dass mich niemand beobachtete, während ich in der Schulbücherei stand und jedes Buch in der Religionsabteilung begrapschte und nachsah, ob da was brauchbares über Okkultismus* drin stand, sonst würden sie wieder denken, ich hätte einen an der Klatsche.
"Sag mal, was machst du denn da? Hast du über Nacht zu Gott gefunden oder was?", meldete sich nun auch Kuroo zu Wort. Ich rollte mit den Augen und suchte weiter.
"Nein, ich versuche gerade, dein Gesäß zu retten.", flüsterte ich zurück, als mein Blick auf ein pechschwarzes Buch stieß. Irgendwie war es mir vorher gar nicht aufgefallem, obwohl es so auffällig aussah. Kurzerhand nahm ich es aus dem Regal und schlug die ersten Seiten auf. Auf den Seiten waren verschiedenste Zeichen verteilt, beispielsweise Pentagramme, Henkel*- und Nerokreuze*. Ich kannte mich nicht besonders mit Okkultismimus aus, aber nachdem mir zum fünften Mal das Wort "Satan" ins Auge fiel, sah ich endlich ein, dass dieses Buch vielleicht hilfreich wäre und zog mich in eine Ecke zurück, in der ich weder sichtbar noch hörbar war. Dann klappte ich das Buch auf und blätterte es durch.(*¹- Okkultismus = Satanismus
*²- Henkelkreuz = satanistisches Symbol, ähnelt meiner Meinung nach stranguliertem Strichmännchen ohne Beine; steht für "magische sexuelle Wirkungen" und soll eigentlich die Vaginalöffnung einer Frau darstellen [xD]
*³- Nerokreuz = eher bekannt als Symbol des Friedens und eher unter Heavy Metal-Anhängern verbreitet, steht im Okkultismus jedoch für die Niederlage des Christentums )Weil ich nicht vorhatte, den ganzen Schinken zu lesen, überflog ich nur einige Seiten, bis mich etwas interessierte.
"Der Okkultismus bestreitet jegliche spirituelle Existenz. "
Sofort machte sich ein wenig Hoffnung in mir breit. Die Ringe waren mit satanistischen Zeichen versehen, was bedeutete, dass die Herkunft Kuroos und die der Ringe bestritt, dass es sich bei Kuroo um eine spirituelle Existenz handelte. Das wiederum würde bedeuten, dass er entweder auf eine legitime Art existierte, aber auch, dass er es vielleicht gar nicht tat.
Der nächste Satz, der meine Aufmerksamkeit gewann, war, dass man "die Realität so akzeptieren soll, wie sie ist und nicht bedauern sollte, dass sie so ist und außerdem nicht nach dem Gedanken streben soll, wie die Realität sein könnte oder sollte."
Wenn ich genauer darüber nachdachte, folgte kein Mensch dieser Regel. Jeder hat sich sicher schonmal gedacht, "hätte ich das getan", "wäre es so" oder generell darüber nachgedacht, durch die Veränderung der Vergangenheit die Zukunft zu verändern. Natürlich zählte auch ich dazu. Dies betraf nicht nur normale Situationen, sondern natürlich auch das mit Kuroo. Wie oft ich wollte, dass er verschwindet, dass ich ein anderes Leben hätte, all diese Gedanken hatten viele Jahre meines Lebens geprägt. Ein wenig weiter stieß ich auf den Satz:
"Die erste satanistische Sünde ist die Dummheit und eine wichtige Lebensweisheit der Anhänger des Okkultismus ist es, einen Lebensweg anzustreben, der möglichst klug gewählt ist. Sollte es dennoch zu undurchdachten Handlungen kommen, ist es eines Menschens Pflicht, die volle Verantwortung für die bereiteten Umstände zu übernehmen. Dies ist die Buße, dessen Nötigkeit selbst erkannt und Ausführung selbst bestimmt werden muss."
Es ging also darum, Verantwortung für Fehler zu übernehmen. Normalerweise hätte ich jetzt geglaubt, dass das langsame Verschwinden von Kuroo diese Begleichung der Sünde war, dass ich mich stets gegen ihn stellte, allerdings sprachen die nächsten Sätze dagegen, da der Verlauf der Buße ja selbst bestimmt werden sollte und ich hatte mir Kuroos Verschwinden nicht als Strafe ausgesucht.In der Mitte des Buches traf ich zufällig auf einen Satz, der mich stutzig machte.
"Die Entwickling und Produktion eines künstlichen, menschlichen Körpers ist die verbotene Industrie. "
Das war natürlich eine Grundlage der Menschlichkeit, neu war mir das nicht. Aber jetzt wo ich es las, dachte ich natürlich an Kuroo. Es war mir klar, dass ich Kuroo ganz sicher nicht "künstlich produziert" hatte, er war ja einfach da. Aber zählte der Wunsch von Kuroo, der in unserem vergangenem Leben ja eher ein Witz war, nicht irgendwie dazu? Unseren Vermutungen nach war es ja durch diesen Wunsch dazu gekommen. Also hatten wir nicht indirekt einen Menschen künstlich erschaffen? War das der Grund, weshalb alles so war, wie es denn war? Das erinnerte mich an das "Pass auf, was du dir wünschst"-Prinzip.
Der nächste Satz, der mich zum Nachdenken brachte, war:
"Respektiere die Kraft der Magie, wenn du sie erfolgreich eingesetzt hast, um deine Wünsche zu erfüllen. Wenn du die Kraft der Magie abstreitest, nachdem du sie erfolgreich angerufen hast, wirst du alles verlieren, was du hast."
Es war eine der satanistischen Regeln der Erde. Was mit Magie gemeint war, verstand ich nicht genau und gleichzeitig brachte es mich auf eine Idee. Die Magie, die wir vielleicht angewandt hatten, war die Wiedergeburt und Verbindung unserer Körper durch die Erfüllung eines Wunsches, vielleicht konnte man das mit dem "künstliche Körper"-Ding verbinden. Ich stritt Kuroos Existenz immer und immer wieder ab, nachdem ich "die Magie erfolgreich angerufen habe". Und jetzt war ich dabei, Kuroo zu verlieren. Und wenn ich es mir genau überlegte, war er alles, was ich hatte.Mehr an brauchbaren Informationen gab es nicht, bis ich erneut auf etwas stieß.
Dort stand, dass jeder Satanist ein "einsamer Wolf" und kein Rudeltier ist und die Bildung eines Rudels ebenfalls den satanistischen Sünden angehörte. Zu den Eigenschaften eines "frommen" Satanistens gehörte außerdem Homophobie aufgrund ritueller Vergewaltigungen aus der Vergangenheit.*
Besonders viel half es mir nicht weiter, ich hatte noch immer keine Ahnung, wie ich Kuroo jetzt retten konnte. Das bereitete mir ein wenig Angst, da die Zeit immer knapper wurde. Meiner Berechnungen nach waren es noch etwa zwei Tage, bis es ganz vorbei war. Bis dahin brauchte ich dringend eine Lösung.(*: die Ausführung des Okkultismus hat sich über die Jahre stark verändert. Die angeführten Informationen gelten für das achtzehnte Jahrhundert, heute ist Satanismus lediglich das Streben nach dem eigenen Willen, soweit niemand zu Schaden kommt. Das bedeutet, dass heutige Anhänger des Okkults größtenteils Atheisten (nicht Gottgläubige) sind, die an Satan glauben, der allerdings nicht wirklich als "böser Teufel" gilt, sondern als ein Symbol der Freiheit des Menschen. Man teilt heutzutage Anhänger des Satanismus in zwei Gruppen ein, die Theisten (die, die den traditionellen Bräuchen aus dem 17/18 Jahehundert nachgehen) und die rationalen Atheisten oder auch "Anhänger des Anthropozentrismus" genannt (die, die lediglich nach Freiheit und Unabhängigkeit von irgendwelchen Göttern streben). Das Buch aus der Bibliothek habe ich deutlich an den Theismus angelehnt.)
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Als die Schule vorbei und ich zuhause war, hatte ich endlich Zeit, über all das nachzudenken und mich mit Kuroo auszutauschen. Da er durch meine Augen sah, müsste er schließlich das Gleiche wie ich wissen.
"Kuroo? Können wir reden? ", flüsterte ich, damit meine Eltern nicht wieder durchdrehten und wartete darauf, dass ich einschlief und dann außerhalb meiner fleischlichen Hülle unterwegs war.
Schließlich stand ich dann vor ihm. Während ich ihn unauffällig musterte und bemerkte, dass sein Unterkörper komplett verschwunden war und er selbst immer transparenter wurde, fragte ich ihn, ob er etwas damit anfangen konnte, was in dem Buch stand. Aber ich wollte die Antwort einen Moment lang gar nicht erst hören, denn ihn so zu sehen, tat wirklich weh. Ich hatte Angst, dass ich es nicht schaffte, ihn daraus zu holen und zu sehen, wie schnell es sich verschlimmerte, machte mir immer größere Angst.
"Ich weiß es nicht. Wir müssen herausfinden, ob es vielleicht schonmal Fälle dieser Art gab. Echte Fälle, keine komischen Fantasien von Kindern oder gefälschte Artikel von Möchtegern-Besonderheiten. Vielleicht hilft das irgendwie. Bis jetzt können wir mit dem Wissen nicht viel anfangen. Laut dem Buch haben wir nur zig satanistische Regeln gebrochen und Sünden begangen, aber wir wissen nicht, wie wir diesen Prozess nun aufhalten sollen. Vielleicht ist das auch die Buße, die wir deswegen tun sollen. Sollte ich mich deswegen auflösen, bezweiflte ich, dass es etwas gibt, das wir noch tun können."
Ob meine Hoffnung nun insgesamt gesunken oder gestiegen war, war schwer zu sagen. Klar waren wir nun etwas aufgeklärter, aber eine Lösung hatten wir beide nicht. Und solange wir keine Lösung für das Problem hatten, konnte ich alles über Satanismus erfahren was ich wollte, helfen würde es nicht. Wir brauchten endlich eine Lösung- und das innerhalb der nächsten 48 Stunden.- - -
So, in diesem Kapitel habt ihr mehr gelernt als in der Schule und das ist nicht abzustreiten! XD
Seriously, Okkultismus ist übelst interessant. Ich hoffe, meine Erklärungen waren nicht allzu schwer zu verstehen. Wenn ich es geschafft habe, irgendjemanden davon zu überzeugen, dass das echt voll interessant ist, nennt mich Senpai. Oder die Missionarin. Oder verrückt, weil ich drei Stunden damit verbracht habe, mich mit dem Thema auseinander zu setzen um das auch zu verstehen und mir drei der satanistischen Symbole auf meine Finger gekritzelt habe. Mensch, ich glaub, ich will dem Anthropozentrismus angehören. 😂✊🏻✊🏽✊🏿