Als ich ihm begegnet war, hatte ich ihn für seltsam gehalten. Donghae hatte immer in seiner eigenen Welt gelebt. In seinem kleinen Reich aus Fantasie, das es nur in seinem Kopf gab. Doch er war immer so positiv gewesen, dass es mich schließlich angesteckt hatte. Ich hatte ihn an mich herangelassen, obwohl ich eigentlich immer ein verschlossener Teenager gewesen war.
Ich war sechzehn gewesen, als wir uns miteinander angefreundet hatten. Er hatte meinen Tag zum Blühen gebracht. Er hatte mich an fremde Orte entführt, die wunderschön waren und dennoch nur in unseren Köpfen gewesen waren. Nach der Schule waren wir oft in den Wald gegangen. Wir hatten im Bach Frösche beobachtet und ihnen Namen gegeben.
Oft hatten wir auch einfach nur auf irgendeiner Wiese gelegen und geredet. Dann hatte er oft beschrieben, wie er sich seine Zukunft vorgestellt hatte. Er wollte immer auf Weltreisen gehen und damals versprach ich ihm ihn zu begleiten. Wir hatten eine ganze Menge geplant. Nach New York hatten wir gewollt. Nach Paris.
An dieser Stadt hatte er besonders einen Narren gefressen. Paris war die Stadt seiner Träume gewesen. Sein Zimmer war mit Postern von dem Eiffelturm und Fotos aus der Innenstadt zugekleistert gewesen. Manchmal hatten wir sogar Macarons selber gebacken und anschließend gegessen. Donghae hatte immer behauptet jetzt würde er sich wie ein richtiger Parisianer fühlen und ich hatte gelacht und geantwortet: "Parisianer? Gibt es das Wort überhaupt?"
Und irgendwie waren wir uns mit der Zeit immer näher gekommen. Mir war schon damals klar gewesen, dass ich nicht nur auf Mädchen stand. Jungen hatten immer diesen gewissen Reiz für mich gehabt und ich fand sie einfach viel attraktiver, als die ganzen Mädchen an unserer Schule mit ihren kurzen Röcken und bauchfreien Oberteilen.
Und dann wie aus dem Nichts hatte er mich eines Tages geküsst. In seinem Zimmer. Nachdem wir ein paar klebrige, etwas missratene Macarons verspeist hatten. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie der Kuss geschmeckt hatte: Nach Erdbeere und Schokolade, denn das waren die Geschmacksrichtungen der Macarons gewesen.
Danach hatten wir uns drucksend unsere Liebe gestanden und seit dem Tag waren wir zusammen gewesen. Doch mit der Zeit hatte er immer häufiger ins Krankenhaus gemusst. Bei ihm war Lungenkrebs diagnostisiert worden. Endstadium. Die Ärzte hatten ihm noch ein halbes Jahr gegeben. Eine Welt war für mich zusammengebrochen.
Alle unsere Pläne lösten sich in Luft auf, doch, wenn ich darüber traurig wurde, hatte Donghae immer gelacht und behauptet, dass manche Träume eben nur dafür bestimmt waren Träume zu bleiben. Jeden Tag war er dünner worden. Doch das Lächeln in seinem Gesicht geblieben. Egal, wie sehr er gelitten hatte, egal wie schmerzvoll und rasselnd sein Husten geklungen hatte, er hatte immer darüber gelacht und Witze gemacht.
Noch nie war ich so einem starken Menschen begegnet, wie damals Donghae. Sogar im Tod hatte er gelächelt. Er hatte immer sein Bestes gegeben mich aufzuheitern, wenn ich vor Sorge um meinen Freund angefangen hatte zu weinen. "Nicht weinen, Jungkook", hatte er zu mir gesagt. "Noch bin ich hier. Noch kann ich dir auf die Nerven gehen." Und dann hatte er irgendetwas Dummes angestellt.
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𝐇𝐈𝐆𝐇 【𝐓𝐚𝐞𝐤𝐨𝐨𝐤】✓
Fanfiction"Herein." Die tiefe Stimme des Älteren klang dünn und schwach. Ich wollte diese Türklinke nicht herunterdrücken. Es würde wieder ein geschwächter Mensch in dem Zimmer sitzen, für den ich stark sein musste. Doch ich konnte das nicht mehr. Stark sein...