Hear you me, my friends

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Ich war noch nie in einem Krankenhaus. Auch noch nie zu Besuch, und selber eingeliefert wurde ich erst recht nicht. Ich war nicht dabei, als meine Oma damals gestorben ist, deshalb verbinde ich keine bereits existierenden Emotionen mit Krankenhäusern.

Meine ersten Eindrücke sind, dass es überall sauber aussieht und sauber riecht und die Schritte der Ärzte und Arzthilfen auf dem Linoleum klingen wie Schluckauf. Hin und wieder kommt eine Arzthelferin, die sich erkundigt, wie es mir geht und meine Verbände auswechselt, was sie nicht gerade mit der größten Umsichtigkeit tut. Sie ist eine äußerst nette Frau, dazu ein wenig korpulent, aber eben ohne jegliche Fähigkeit, die Schmerzempfindlichkeit ihrer Patienten einzuschätzen. Sie wickelt mir den neuen Verband um, als würde sie Holz für den Winter hacken. Unterdessen schwafelt sie mir ein Ohr ab.

"Jaja, ihr Kerle und eure Prügeleien." schwatzt sie munter. "Ich hab öfters Jugendliche hier, ist aber nie schlimm. Die bleiben höchstens ein paar Tage. Hast viel einstecken müssen, ned? Was haste denn ausgefressen? Hach, geht mich eigentlich auch nichts an. Geht mich nichts an. Hab mich nur gewundert, du wirkst doch eher anständig...Jedenfalls..zieh ned so ein Gesicht, ich weiß schon, mir tut's ja auch weh. Zähne z'am beißen und durch."

Am Ende packt sie ihr ganzes Zeugs wieder zusammen und hebt ihren massigen Körper vom Bett. "Wir sehen uns dann, Herr Nikolaus. Die Frau Doktor kommt später vielleicht nochmal vorbei." lässt sie mich wissen und zwinkert immer ganz lieb. Mein Name gefällt ihr irgendwie sehr. Am Anfang hat sie sogar gewitzelt, ob ich den Knecht Ruprecht daheim gelassen hätte, oder so ähnlicher Quatsch. Blödsinnig ist das halt schon, aber mir soll es recht sein, Hauptsache die Leute haben ihren Spaß.

Die Ärztin kommt nicht jeden Tag, aber manchmal schon und sie ist superjung und superfreundlich. Ich hätte eine Gehirnerschütterung, hat es gleich zu Beginn geheißen und ich dachte: Klar. So wie ich den Johannes im Sportunterricht immer hab kicken sehen, wenn Fußball Thema war, da wundert mich das nicht, dass er mir fast das Hirn aus dem Schädel getreten hat. Mir wurde Paracetamol verschrieben und noch was gegen Übelkeit. Irgendwann verduftet die Ärztin wieder und für den Rest des Tages bin ich damit beschäftig, nichts zu tun. Ist auch mal was anderes.

Fast vier ganze Tage bin ich da. Mein Vater besucht mich jeden einzelnen davon. Immer bringt er mir irgendwas von zuhause mit, ein T-Shirt, ein Buch und so weiter. Die Entschlossenheit, mein Leben wieder heil zu machen, hat er noch nicht aufgegeben. Leider auch nicht die Absicht, den Ludwig und die Polizei mit ins Bild zu bringen. Es ihm ausreden kann ich jedoch nicht, allein der Versuch misslingt.
Er will die Namen der Schläger aus mir rausbekommen, ich sage ihm jedes Mal, dass ich nichts gesehen hätte und auf irgendeine Weise, stimmt das ja auch. Mir sind da so viele Sternchen und Farben vor den Augen herum getanzt, dass ich gar nicht mehr richtig mitbekam, wer da auf mich einschlug, ob es überhaupt nur einer gewesen war und nicht etwa drei oder vier oder hundert. Johannes war auf jeden Fall dabei. Ihn hatte ich ja noch gesehen, bevor das Licht ausging. Aber das Detail behalte ich bei jeder Befragung meines Vaters für mich. Warum, weiß ich nicht. Ich will Johannes nicht wirklich beschützen. Er ist ein kranker Arsch. Trotzdem kommt mir sein Name nicht über die Lippen.

Mein Vater glaubt mir so überhaupt gar nicht, aber er ist wie immer zu gutmütig, um mir böse zu sein, deshalb hört das Fragen jedes Mal nach einer Weile wieder auf. Ich liebe meinen Vater, für nichts auf der Welt würde ich ihn hergeben, aber manchmal wird ihm die Gutmütig zum Feind.

Am zweiten Tag ist mein Geburtstag. Da ich Nikolaus heiße, braucht es wohl keinen hohen Intelligenzquotienten, um darauf zu kommen, an welchem Datum der stattfindet. Mein Vater schenkt mir Bücher und CDs und dann reicht er mir einen Umschlag. Als ich den aufreiße, befindet sich darin ein zusammengefaltener Zettel. Schwach bedruckt zeigt er die Bestätigungsemail einer Buchung. Ich lese nur irgendwas von Südtirol.

Tony wird die Welt retten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt