05

31 1 0
                                    

Eine Weile später kommen Ivy und ich wieder in unser Zimmer. Chelsey liegt auf ihrem Bett, während Kimberly nirgendwo zu sehen ist.
»Hey, wir sind wieder da«, verkündet Ivy fröhlich.
Chelsey heht kurz mit einem Ausdruck der Belustigung den Kopf. »Offensichtlich.«
Kurz fällt ihr Blick auf mich und ganz selbstverständlich halte ich den Augenkontakt. Ein vertrautes Gesicht und trotzdem kann ich es nie wieder so ansehen, wie ich es einst tat.
Mein Gegenüber kennt das Gift in meinen Augen nur zu gut, doch sie hätte niemals erwartet, dass sie mal einen dieser Blicke erhält. Kurz flackern ihre Lider und sie schluckt. Dann wendet sie sich sowohl von Ivy, als auch von mir ab.
»Das Haus ist toll, du solltest es dir unbedingt mal näher ansehen!«, schwärmt Ivy, die zum Glück nichts von unserem lautlosen Austausch mitbekommen hat.
»Dazu werde ich in den nächsten Wochen noch genügend Zeit haben«, antwortet sie, ohne sich großartig zu regen.
Spürt sie, dass ich sie mit schmalen Augenschlitzen verfolge? Sie kennt den Grund für den Hass und das Misstrauen, ebenso wie sie weiß, dass es berechtigt ist.
»Was hast du dann morgen vor?«, fragt Ivy neugierig und streicht sich ihre langen Haare zurück.
»Die Metallstimme im Transporter hat was von einem Schwimmbad gesagt...«
»Oh ja, wir beide waren da gleich als erstes. Es ist zwar nur ein Becken, aber trotzdem wirklich hübsch. Courtney musste mir versprechen, mal mit mir dort schwimmen zu gehen.«
»Hat sie das?«
Ivy zuckt leicht zusammen, als Kimberlys Stimme hinter uns ertönt, doch ich mache mir nicht mal die Mühe mich umzudrehen. Ich kenne dieses Verhalten nur zu gut von ihr.
»Wie süß«, fährt sie fort und tritt mit einem spöttischen Lächeln in die Mitte des Raums.
Unsicher richtet Chelsey sich ein wenig in ihrem Bett auf. Die meisten Streitereien innerhalb unserer Gruppe haben zwischen Kimberly und mir stattgefunden und als dritte hat sie sich nie besonders wohl damit gefühlt, doch in diesem Haus sind unsere Möglichkeiten auf Außeinandersetzungen ziemlich eingeschränkt.
Ich gehe nicht auf Kimberlys Provokation ein, sondern lege nur den Kopf leicht schräg. Mir ist selbst nicht klar wann und warum es passiert ist, doch Ivy steht unter meinem Schutz.
Es gibt eine andere Version dieser Situation - eine Version, die sich vor etwa drei Jahren noch genauso abgespielt hätte: Kimberly, Chelsey und ich verbünden uns wie drei toxische Schwestern gegen unsere schwächliche Zimmernachbarin und machen ihr so lange das Leben schwer, bis sie einem Menschen nie wieder offen begegnen kann und ihre Selbstzweifel ihr verbieten auch nur ein Gespräch anzufangen.
Urplötzlich bin ich angeekelt von diesem Ich.
Wir drei sind kein Team mehr und Ivy Bennett wird nicht angerührt, solange ich in diesem Haus bin!
Es wird nicht wieder gut machen, was ich Menschen in der Vergangenheit angetan habe, doch es ist ein Anfang - ein Anfang ein viel besserer Mensch zu werden.
»Ivy«, sage ich langsam, ohne Kimberly dabei aus den Augen zu lassen. »Wolltest du heute Abend dich nicht für das Kochteam melden?«
»Oh, du hast Recht!« Leicht erschrocken wirft die Angesprochene einen Blick auf die Uhr. »Ich sollte mich besser beeilen. Aber ich sehe euch alle dann in einer Stunde zum Abendessen.«
Sie strahlt uns an und eilt hastig aus dem Zimmer.
»Deine kleine Freundin ist süß, Courtney.« Kimberlys Ton ist schneidend. Ich hoffe ihr ist bewusst, wie gut sie aufpassen muss, dass auch die Kameras nicht mitbekommen, dass wir uns kennen.
»Ja«, antworte ich kühl. »Es ist eine ganz neue Erfahrung mich mit Menschen wie ihr zu umgeben.«
»Klingt als hättest du eine raue Vergangenheit.« Verächtlich sieht sie mich an. Ich kann förmlich spüren, wie sehr sie es hasst, dass ich mich von der Person, die ich auf der Highschool war, abwende.
»Nicht der Rede wert.« Ein böser Blick reicht leider bei ihr nicht aus, um sie einzuschüchtern. Es wird hart sie tatsächlich abzuwimmeln.
»Da bin ich anderer Meinung.« Endlich wendet sie sich ab. Vielleicht hat die genug - zumindest für heute. Die wird es mir garantiert nicht leicht machen.
Chelsey hat die ganze Zeit geschwiegen. Eine kluge Entscheidung von ihr, in Anbetracht der Tatsache, dass der Hass ihr gegenüber noch größer ist, als der zwischen Kimberly und mir.
Seit ihrer Ankunft ist Angst in ihren Augen zu sehen. Die Kameras sind das einzige, was ihr Sicherheit gibt.
Kopfschüttelnd drehe ich mich zur Tür. »Ich gehe noch duschen vor dem Abendessen.«
»Gut so«, ruft Kimberly mir hinterher. »Deine kleine Freundin wird sich bestimmt freuen, wenn du dich für sie hübsch machst.«
Genervt verdrehe ich die Augen, doch ich wende mich nicht mehr um.

Strangers with memoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt