Der Duce klagt an

20 1 0
                                    

Das demokratische Frankreich interniert und misshandelt Italiener in Konzentrationslagern – faschistische Propaganda oder wahres historisches Zeugnis? Italien publizierte 1941 eine Sammlung angeblicher Tatsachenberichte.

Dieses Buch ist zu Recht in Vergessenheit geraten: Bereits das Vorwort ist an rassistischen und antisemitischen Ressentiments kaum zu überbieten. Verfasst hat es der damalige Kulturminister Italiens, Alessandro Pavolini. Er schreibt:

«In Frankreich war die Nachricht von unserer Kriegserklärung nichts anderes, als das erwartete Signal zum Losbrechen einer planmässig vorbereiteten, wilden Jagd auf die Italiener.»

Dass sich Pavolini über die Verhaftung von Italienern aufregt, ist ziemlich heuchlerisch für einen, der später den Schauprozess von Verona organisierte. Aber das ist eine andere Geschichte. Das italienische Ministerium für Volkskultur hat noch während des Krieges angebliche Dokumente, Briefe und Zeugenberichte von Italienern, die sich im Zeitpunkt der Kriegserklärung in Frankreich aufhielten, gesammelt und herausgegeben. Das Buch ist auf Deutsch erschienen und richtete sich wohl an ein Lesepublikum im verbündeten Deutschland. Es kostete jedenfalls eine Reichsmark.

Die Behauptung, Italiener seien vom demokratischen Frankreich (vor der Besetzung durch Nazideutschland) in Konzentrationslagern unter unwürdigen Bedingungen eingesperrt und misshandelt worden, klingt gewagt. Fakt ist aber: Es gab in Frankreich mehrere Internierungslager, die noch vor der Besetzung durch Nazi-Deutschland gebaut wurden, um die Flüchtlinge des Spanischen Bürgerkrieges unterzubringen. Später wurden sie für die Inhaftierung «unliebsamer Ausländer» genutzt. Während einer kurzen Zeitspanne (von der Kriegserklärung Italiens am 10. Juni 1940 bis zur Besetzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland Ende Juni 1940) gehörten wohl auch Italiener dazu. Somit sind die Berichte nicht gänzlich als faschistische Propaganda abzutun. Interessant sind die Berichte vor allem als Zeitzeugnis: So spricht aus den Briefen der Bürger häufig ein ins Blut übergegangener Antisemitismus.

Die Berichte über die französischen Lager stehen in keinem Vergleich zu den Gräueln in nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Kein Wunder also gerieten diese Beschreibungen in Vergessenheit, angesichts dessen, was im zweiten Weltkrieg sonst noch geschah.

Italiener in Konzentrationslagern Frankreichs,Dokumente und Tatsachenberichte, Rom 1941. Bei Amazon als E-Book erhältlich (auf Italienisch).

Vergessene Bücher (Buchbesprechungen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt