Grace und Mr. Connor ~ Teil 1

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⚠️ Triggerwarnung: Häusliche Gewalt ⚠️

"Du bekommst aber auch nichts auf die Reihe!", schrie meine Mutter. Dann die Stimme meines Vaters. "Mach es doch selbst, wenn du glaubst, du kannst es besser!"
Die Lautstärke schaukelte sich immer weiter hoch, meine Mutter brüllte durch den Flur und machte meinen Vater mal wieder zur Schnecke.
Eigentlich müsste ich ihre Streitereien bereits gewohnt sein, es ging jetzt schon mehrere Monate so, doch jedes Mal, wenn sie aufeinander losgingen, kamen mir die Tränen. Es war viel zu laut, viel zu viel für mich.
Ich verkrampfte meine Hände ineinander und versuchte, das Geschrei so gut es ging, auszublenden, doch als meine Mutter anfing, meinen Vater zu beleidigen, hielt ich es fast nicht mehr aus.
Ich riss meine Tür auf und rannte wutentbrannt in die Küche, wo meine Mutter wie eine Verrückte mit dem Geschirr klapperte.
Ich baute mich vor ihr auf. Vielleicht war es dumm von mir, so zu handeln, doch Wut und Anspannung brachten mein Blut zum Kochen.
"Verdammt, halt endlich die Klappe!" Meine Stimme war kaum mehr als ein Knurren.
"Ihr benehmt euch wie kleine Kinder!"
Eine Sekunde lang starrten wir uns einfach nur an, wortlos, allein pure Rage stand zwischen uns.
Plötzlich umklammerte sie mein Handgelenk und zog mich zu sich hin. "Werd nicht frech, Fräulein!", zischte sie mir zu, ihr wutverzerrtes Gesicht ganz nah an meinem. So nah, dass ich ihre Fahne schon riechen konnte.
"Du hast schon wieder getrunken, oder? Du hast getrunken. Du hast versprochen, dich zu bessern! Manchmal wünschte ich, ich wäre tot. Oder du. Ganz egal!" Meine Stimme war nicht mehr als ein aufgebrachtes Zittern.
Keine Sekunde später spürte ich ihre Hand mit einem lauten Klatschen auf meine Wange schlagen. Ein heißes Brennen und Kribbeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.
Sie hatte mich schon oft geschlagen oder gedemütigt, meinen Vater nur beleidigt. Aber der wehrte sich sowieso selten und auch jetzt griff er nicht ein.

Obwohl ich wusste, dass es vermutlich am besten gewesen wäre, in mein Zimmer zu gehen und die Türe abzuschließen, tat ich es nicht. Meine Wange pulsierte und das Handgelenk, das sie wie in einem Schraubstock umklammert hielt, pochte wie wild.
Irgendwo in meinem Kopf ermahnte mich meine innere Stimme zur Ruhe und versuchte, mich dazu zu überreden, in mein Zimmer zurückzugehen, doch meine Wut überwog.
"Was denkst du dir eigentlich?", fragte ich ruhig und starrte ihr mit ausdruckslosen Augen direkt ins Gesicht. "Du ertränkst deine Sorgen in Alkohol, du blendest aus, dass sämtliche deiner Bewerbungen und Gespräche erfolglos waren und jetzt schlägst du dein Kind als Ventil für deine Selbstzweifel und dein Versagen?
Erbärmlich."
Die letzten Worte spuckte ich so verächtlich aus, dass die Sicherung bei meiner Mutter völlig durchbrannte. Sie packte mich an den Schultern, so fest, dass ihre Nägel sich in meine Haut bohrten und schubste mich gegen die geflieste Küchenwand. Ich hatte ihren wunden Punkt eiskalt erwischt.
"Werd nicht frech!" Diesmal brüllte sie so laut, dass vermutlich auch die Nachbarn alles mitbekamen. "Du kleine Ratte, wenn ich mit dir fertig bin..."
Mit diesen Worten ballte sie ihre Hand zur Faust und schlug mir direkt aufs Auge. Der Schmerz jagte durch meinen Körper und ich biss mir so fest auf die Lippe, bis ich Blut schmeckte. Es tat furchtbar weh, doch ich blickte ihr weiterhin stoisch in die Augen. Weglaufen war sinnlos. In ihrer Verfassung würde sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um mir für meine Frechheit eine Lektion zu erteilen.
Also wartete ich. Doch zu meiner Überraschung ließ sie meine schmerzenden Schultern los und sank auf den kalten Fliesen in sich zusammen, leise schluchzend und hin und her wippend.
Mit hoch erhobenem Kinn quetschte ich mich an ihr vorbei und ging auf mein Zimmer.

Am nächsten Tag in der Schule konnte ich mich kaum wach halten. Die Nacht war lang gewesen und irgendwer musste noch das Chaos in der Küche beseitigen, das meine Mutter nach meinem Abgang in ihrem Rausch noch veranstaltet hatte.
Der Boden war übersät mit zerbrochenen Flaschen, meine Finger waren voll mit Pflastern, zerschnitten von Scherben.
Das Veilchen, das mein rechtes Auge zierte, hatte am Morgen sehr viel Zeit und Make-Up gefordert, da es wie ein blau-lila Warnsignal in meinem Gesicht prangte.

Langsam ließ ich den Kopf auf die Tischplatte sinken und lauschte Mr. Connors warmer Stimme, die mich langsam mit den verschiedenen Winkeln der Tangenten zum Graphen x in einen tiefen Schlaf begleitete.

Ich schreckte hoch, als ich eine sanfte Berührung an meiner Schulter spürte. "Nein", rief ich panisch, das Gesicht meiner betrunkenen Mutter vor Augen.
"Grace?", fragte Mr. Connor besorgt. Der Klassenraum war leergefegt.
Ich wurde rot und stellte schnell sicher, dass die blauen Flecken an meinem Handgelenk immer noch von meinem Pullover verdeckt wurden.
"Mr. Connor, es tut mir so leid! Es wird nie wieder vorkommen, ich versprechs!"
Ich redete drauflos wie ein Wasserfall, doch er brachte mich mit einer abwinkenden Geste zum Schweigen.
"Grace, dein Verhalten in letzter Zeit ist besorgniserregend. Du bist blass, hast kaum noch etwas auf den Rippen..."
"Es ist alles in Ordnung!", unterbrach ich ihn schnell und setzte mein überzeugendstes Lächeln auf. "Ich bin nur in letzter Zeit etwas angeschlagen, vielleicht bekomme ich bald eine Grippe", redete ich mich heraus.
"Grace", er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber," schau mich an."
Ich tat wie geheißen. Mein Gesicht brannte heiß, ich konnte nicht sagen, ob es von der Ohrfeige gestern oder von meinem Unbehagen kam.
"Grace, glaubst du wirklich, ich habe die blauen Flecken nicht bemerkt?"
Behutsam schob er meinen Ärmel zur Seite und enthüllte den hässlichen Bluterguss, den ich darunter verborgen gehalten hatte.
Er strich sich eine dunkle Locke aus der Stirn und sah mich aus seinen haselnussbraunen Augen erwartungs- und sorgenvoll an.

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Hallöchen!
Ich habe mich lange nicht gemeldet, tut mir leid...
Ich hoffe sehr, dass euch Teil 1 der Geschichte über Grace und Mr. Connor gefallen hat. Ich selbst habe keinerlei Erfahrung mit häuslicher Gewalt, weshalb diese Szenen frei erfunden sind. Also falls ihr Verbesserungsvorschläge habt, würde ich mich sehr freuen!
Im nächsten Teil gibt es endlich romance, lasst euch überraschen!

Teacher x Student // OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt