Flora und Mr. Chevalier

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Er drehte wie jeden Freitag seine Runden auf dem Pausenhof, immer darauf bedacht, nicht in ihre Richtung zu sehen. Er befürchtete, wenn er hinsähe, bliebe sein Blick an ihr hängen, es war beinahe unvermeidbar, die Augen von ihr abzuwenden. Er vergrub die Hände tiefer in den Jackentaschen und beobachtete seinen Atem, der kleine Wölkchen in der kühlen Luft bildete. Obwohl es noch sonnig und trocken war, fielen die Temperaturen jeden Tag ein bisschen weiter ab. 

Ganz in Gedanken bemerkte er das Mädchen, das ihn ansprach, erst spät. Sie war die Klassensprecherin der Klasse, die er dieses Jahr zugeteilt bekommen hatte. Eigentlich ein nettes, höfliches Mädchen, doch er hatte absolut keine Lust, aus seinen Tagträumereien, so falsch sie auch sein mochten, gerissen zu werden. 

"Entschuldige, Marlene", sagte er und zwang sich zu einem Lächeln, "womit kann ich dir helfen?" 

Sie erwiderte sein Lächeln. "Ich wollte nochmal wegen der Hausaufgabe in Geographie fragen", erklärte sie, "müssen wir das Blatt bis morgen ausgefüllt haben? Nate und ich waren uns unsicher, deswegen dachte ich, ich frage nochmal nach." 

"Ähm, ja, also das Blatt ist bis morgen." Innerlich verdrehte er die Augen, ließ sich seine miese Laune jedoch nicht anmerken. 

"Dankeschön, Mr. Chevalier, sie sind ein Schatz!" Mit diesen Worten ging sie davon und gesellte sich wieder zu ihren Freunden, einem kleinen Grüppchen, das sich um eine der Tischtennisplatten auf dem Pausenhof scharte. Keine zehn Meter davon entfernt stand sie. Flo, eigentlich Flora Walters, war vier Jahre lang seine Schülerin gewesen und auch jetzt hatten sie noch die gemeinsame Musical-AG, die Mr. Chevalier erst in diesem Jahr gegründet hatte. 

Als sie vom Boden hochblickte und direkt in seine Richtung sah, wandte er sich schnell ab. Warum schaffte er es nicht, sie zu vergessen? Sie war nicht unbedingt von konventioneller Schönheit, doch ihre fröhliche, warme Ausstrahlung fesselte den Lehrer jedes Mal aufs neue. Er liebte es, sie aus der Ferne zu beobachten, zu sehen, wie sie beim Lachen den Kopf in den Nacken warf und wie sie mit anderen Menschen umging. Sie hatte etwas weiches an sich,  etwas, das er niemals in Worte fassen konnte. Und genau dieses etwas war es, dass ihn unweigerlich zu ihr hinzog und Gedanken in ihm wach rief, bei denen ein Gedankenleser definitiv in Verlegenheit geraten wäre.

Kurz versank Mr. Chevalier wieder in seinen Gedanken und als er sie in die hinterste Ecke seines Gehirns verbannte, war der Pausenhof schon beinahe leer. Plötzlich spürte er eine Hand an seinem Arm. "Mr. Chevalier?" 

Ihm wurde heiß und kalt gleichzeitig. Er musste ruhig bleiben, doch ihre Hand auf seinem Arm und der Gedanke, dass sie ihn gerade berührte, zuckte unermüdlich durch seinen Kopf. Schnell rückte er seine Brille zurecht und wandte sich seiner Schülerin zu. "Was gibt es denn, Flora?"

"Flo", verbesserte sie ihn mit einem spitzbübischen Lächeln, "findet die Musical-AG heute statt?" 

Er nickte. "Ich habe zwei Stücke ausgesucht und wir werden darüber abstimmen, welches wir aufführen werden", antwortete er und wagte es, vorsichtig zurück zu lächeln.

Als Flo ihn neugierig ansah und sich nach den Stücken erkundigte, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ungeduldig war sie schon immer gewesen. "Lass dich überraschen!" Er lachte auf, als sie ihn mit vorgeschobener Unterlippe wehleidig musterte. "Tut mir leid, Flo, aber du musst dich noch ein bisschen gedulden! Zwei Schulstunden, das schaffst du doch, oder?"

Sie schüttelte den Kopf. Dieses Mädchen brachte ihn noch um den Verstand! Er beugte sich zu ihr vor. Dabei stieg ihm der Duft ihres Shampoos in die Nase, es roch süßlich, ein bisschen nach Honig und irgendwoher mischte sich ein sanfter Hauch von Pfefferminze in ihren Duft. 

Er bewegte seine Lippen näher an ihr Ohr. Sie war so nah, dass es ein Leichtes gewesen wäre, sie zu küssen, doch er beherrschte sich. Stattdessen flüsterte er ihr die beiden Musicals ins Ohr. "Moulin Rouge und Westside Story."

Er entfernte sich wieder von ihr. Überrascht stellte er fest, dass ihre Wangen von einem zarten Rosa überzogen waren. Amüsiert zog er einen Mundwinkel hoch. Sie war niedlich, wenn sie es nicht schaffte, ihre Schüchternheit zu überspielen.

"Wir sehen uns dann", sagte er nur und ging in Richtung Schulgebäude davon, in der Hoffnung, es nicht zu offensichtlich gemacht zu haben. 



Das ist eine Art "Teaser" für die Story, an der ich sitze und die ich hier veröffentlichen will :) Ich hoffe, ihr habt Lust, sie zu lesen, der Anfang steht schon! Trotzdem wollte ich euch fragen, ob ihr vielleicht noch Wünsche oder Ideen habt, die ich einbringen könnte :)

Ich freue mich schon darauf, die Story mit euch zu teilen (●'◡'●)

Kleine Anmerkung: Ich weiß nicht, ob "First Love, Last Love" jemals fertig werden wird... die ersten paar Kapitel könnt ihr auf jeden Fall lesen <3

Teacher x Student // OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt