Kerker

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Vorsichtig öffnete Hermine die Augen. Doch die hätte sie auch zubehalten können, denn an ihrer Sicht änderte sich dadurch nichts. Um sie herum war es stockdunkel und kalt. Sie spürte, dass sie auf einem leicht gepolsterten, aber dennoch harten Boden lag. Als die Hexe sich aufsetzten wollte, erinnerten schmerzhafte Einkerbungen in ihrer Haut daran, dass ihr die Hände auf den Rücken gefesselt wurden. Sie ruckelte herum und versuchte die Hände raus zu winden, doch die Seile sassen Bombenfest und waren wahrscheinlich auch noch verzaubert, sodass sie ohne fremde Hilfe nicht freikommen würde. Doch aufgeben war keine Option. Irgendwie musste man doch hier rauskommen. Doch da musste Hermine jedoch einen Denkstopp einlegen. Wo war sie denn überhaupt? Ihre Entführer hatten sie für mehrere Stunden ausgeschaltet und sie war erst wieder aufgewacht, als ein schmächtiger Mann sie in den Keller trug. Sie hatte eine massive Holztür erkennen können, die mit Eisen verstärkt war und ziemlich sicher auch noch magisch. Noch einmal versuchte die Hexe sich richtig hinzusetzten und dieses Mal schaffte sie es sogar. Hoffentlich hatte niemand ihre Kette weggenommen, ohne die wäre sie verloren. Mit dem Kinn drückte Hermine auf ihrer Brust herum, bis sie den Verschluss der feinen Kette spürte. Sofort fiel ihr ein riesiger Stein vom Herzen. Auch ihre kleine Tasche war noch da, sie war in der Innentasche von ihrem Pullover verstaut. Auch das löste einiges an Anspannung. Doch nach wie vor hatte die Gryffindor weder eine Ahnung, wo sie war, noch wie sie von dem Ort verschwinden sollte. Sie versuchte es mit apparieren, doch das jagte ihr einen stechenden Schmerz durch den ganzen Körper, als ob sie gerade von oben bis unten mit einem Sectumsempra aufgeschnitten würde. Als der Schmerz nach einer gefühlten Ewigkeit nachliess, konnte Hermine wieder normal atmen. Ausserdem spürte sie nun eine Beule an ihrem Kopf, weil sie von dem Apparierschock hach hinten gefallen war. Wieder musste sie unnormal viel Kraft aufwenden, um sich aufzusetzen. Und obwohl sie weiterhin nichts sehen konnte, wurde ihr schwindelig und übel. «Übergib dich ja nicht, sonst könnte bei Merlin alles passieren.» versuchte sich die Brünette zu beruhigen. Lange sass sie einfach da und versuchte, normal zu atmen und nicht in Panik auszubrechen. Sie war ohnehin kraftlos, gegen eventuellen Angreifer könnte sie sich nicht wehren. Nach kurzer Zeit plagte sie wieder der Hunger. Ihr Magen knurrte und erinnerte sie immer wieder an ihre Missliche Lage. Doch nachdem gefühlte Stunden vorbeigezogen waren, öffnete sich endlich eine Türe und Licht strömte in den Raum. Hermine blinzelte. Sie sass in einem Steinkeller auf einigen Tüchern und ein Wasserkrug stand auf der anderen Seite des Raumes. Die Decke war niedrig und von Holzbalken durchzogen. Als sich die braunen Augen an das Licht gewöhnt hatten, konnte die Besitzerin ebendieser auch sehen, wer die Tür geöffnet hatte. Draco Malfoy stand in der Tür und betrachtete sie ohne irgendeine Regung in seinen grauen Augen. Als seine Augen die Ihren trafen, schaute er jedoch schnell weg. Offenbar beschäftigte ihn irgendetwas an dem Anblick von einem wehrlosen Menschen, doch zu Hermines Überraschung konnte sich in keinster Weise Hohn oder etwas dergleichen entdecken. Sie runzelte die Stirn. Was war nur los mit ihm? Sonst machte es ihm doch auch immer Spass, wenn er anderen überlegen war. Wieder einmal merkte Hermine, dass der junge Mann sich verändert hatte. Doch bevor Hermine etwas sagen konnte, kam Draco schon auf sie zu und zerrte sie hoch. «Hey, kannst du nicht etwas weniger grob sein?» murmelte das Mädchen vor sich hin. Doch der Eisprinz neben ihr reagierte nicht und zerrte sie eine lange Treppe hinauf. Sie sah ihm ins Gesicht und erkannte, dass er sich fest auf die Lippe biss, so wie Harry es immer tat, wenn er verzweifelt war. Auch das überraschte sie wieder und langsam musste Hermine sich fragen, ob er überhaupt freiwillig hier war. Sie hatte gehört, dass einige Reinblutfamilien ihre Kinder viel zu streng erzogen und auch gewalttätig sein konnten. Das letzte Gerücht könnte wirklich so einiges erklären, sollte es tatsächlich auf die Familie Malfoy zutreffen. «Wo bin ich denn überhaupt?» versuchte sie es noch einmal, doch auch dieses Mal bekam sie von Draco keine Antwort. Dafür traten die beiden Teenager in ein riesiges Wohnzimmer, in das der Schlafsaal der Gryffindormädchen etwa fünfmal hineinpassen würde. Da standen sie, die ganze Familie Malfoy, und beäugten Hermine. Sogar Bellatrix Lestrange und ihr Ehemann waren da. Da begann Lucius zu sprechen. Offenbar hatte er Hermines letzte Frage gehört, denn er ging darauf ein. «Du bist im Malfoy Manor. Und hier bleibst du auch. Du wirst uns sagen, wo Harry Potter ist, was er vorhat und wenn wir das Wissen haben, lassen wir den Dunklen Lord entscheiden, was mit dir passiert.» Hermine schüttelte den Kopf. Sie würde niemals verraten, wo Harry und Ron waren. Niemals. Sie presste ihre Lippen aufeinander, genau wie Draco vorher und schwieg eisern. Als Lucius merkte, dass sie freiwillig nichts sagen würde, winkte er seine Schwägerin heran. Bellatrix hüpfte vor Hermine und hielt ihr munter den Zauberstab an den Hals. «Draco, geh zur Seite. Ich will jetzt meinen Spass haben.» Ohne Hermine noch einmal anzusehen trat Draco zur Seite, um seiner Tante das Feld zu überlassen. Ohne abzuwarten zischte sie: «Crucio!» Sofort explodierte ein elender Schmerz in Hermines Körper. Mit immer noch gefesselten Händen krümmte sich die junge Hexe und schrie. Als der Schmerz nur kurze Zeit später abflaute, brach sie fast zusammen. Doch sie bewahrte sich den Gedanken von Harry und Ron vor ihrem inneren Auge und versuchte, durchzuhalten. Doch sie hätte nie damit gerechnet, das der Cruciatus-Fluch so gewaltigen Schmerz auslösen konnte. Als Hermine sich wieder aufrecht hinstellen wollte, liess Bellatrix ihr keine Verschnaufpause. Erbarmungslos jagte sie noch weitere Flüche hinterher und als Die junge Hexe vor ihr wimmernd und blutend auf dem Boden lag, lachte Bellatrix und sagte: «Hast du genug, oder willst du noch mehr? Du brauchst und nur einen Ort zu nennen und schon hören wir auf.» Trotz des kaum auszuhaltenden Schmerz, den Hermine in der letzten halben Stunde hatte erleiden müssen, schüttelte sie wieder den Kopf. «Niemals. Ich...werde euch...niemals sagen, wo Harry ist.» brachte sie mühsam heraus und rollte sich auf die Knie. So sass sie nun am Boden, verletzt und erschöpft, und doch würde sie nicht brechen. In ihrem ganzen Leben könnte sie es sich nie verzeihen, wenn sie nun etwas preisgeben würde. «Gut, wie du willst. Wir können es auch auf die Altmodische Art machen...» gab Bellatrix zurück und zog ein glänzendes Messer aus ihrem Umhang. Sie kniete sich hinter Hermine und hielt ihr die Klinge an den Hals. Als sie das Messer ein wenig bewegte, tröpfelte Blut auf Hermines sowieso schon verdreckter Pullover. Die brünette gab ein leises wimmern von sich und sah sich in dem Raum um. Draco hatte schon die ganze Zeit zugesehen, doch seine sonst so unbewegliche Maske hatte einige Risse bekommen. Ihre Schreie hatten ihn deutlich getroffen und nun verhärtete sich seine Mine noch weiter. Als Bellatrix anfing zu lachen und mit dem Messer hin und her wackelte, schrie Hermine wieder gequält. Doch dieses Mal hört sie noch eine andere Stimme die sprach. «Hör auf. Sieh dir doch dieses Schlammblut an. In diesem Zustand könnte sie euch nicht einmal Fragen beantworten, wenn sie es wollte. Macht mal Pause.» sagte Draco und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, auf Hermine zu. Er schnitt ihr die Fesseln auf und packte ihren Arm. Doch dieses Mal war es sanfter und er begleitete sie fast nur noch zu Treppe, die in den Keller führte. «Bleib unten, versuche nicht, dich zu befreien, das geht nur schief. Warte einfach, ich mach das schon.» flüsterte Draco ihr ins Ohr und öffnete mit einem Schlenker seines Zauberstabs die Tür. Er wies Hermine an, einzutreten und schloss mit einem lauten Knall die Tür, wahrscheinlich, um es so aussehen zu lassen, als hätte sich die Hexe gewehrt. Da stand sie nun, blutend und noch schwächer als zuvor und begann zu weinen. Jetzt, da das Adrenalin langsam abebbte, spürte sie alles: Sie Treffer der vielen Flüche, Prellungen vom hinfallen und die Schnittwunde an ihrem Hals. Vorsichtig tastete sich Hermine an den Wasserkrug heran und trank ihn in grossen Schlucken leer. Dann suchte sie ihr 'Lager' und legte sich hin. Trotz des harten Bodens schlief sie schnell ein und träumte von ihren Eltern und ihrem zuhause.

Draco war, als er Hermine eine Pause ermöglicht hatte, sofort ausser Reichweite seines Vaters gegangen. Er hatte es kaum ertragen können, ihre Schreie zu hören und Draco war sich sicher, dass er dieses Geräusch niemals vergessen könnte. Er musste seine Hermine retten. Er wusste, dass man aus dem Keller nicht rausapparieren konnte, aber er könnte sich als Wache für die Nächste Nacht einteilen lassen und sie dann herausholen. Das klang für den jungen Malfoy plausibel, also begann er, einige Dinge zusammenzu suchen. Er wusste, dass Hermine in einem Zelt unterwegs gewesen war und dass sie es nun höchstwarscheinlich verlohren hatte. Also musste er eines auftreiben. Sein alter Ego trieb ihn an. Wo könnte Draco ein Zelt herbekommen, das seinen Ansprüchen genügte? Der Junge wand sich, er ekelte sich vor sich selbst. Wie konnte er nur in einer solchen Situation an sich selbst denken! Die Liebe seines Lebens lag halb tot in einem steinernen Verlies und er kümmerte sich darum, ob seine Bettwäsche aus Samt hergestellt war. Eine solche Person wollte er nicht sein. Dieser Draco sollte nicht mehr existieren. Er wollte jemand sein, der auf der guten Seite kämpfte und Hermine beschütze. Seine Ansprüche und Wünsche würde er nun zurückstecken und sie geflissentlich ignorieren. Irgendwann würden auch die ständigen Selbstanweisungen und Zweifel aufhören. Von ihm aus dürften sie auch bleiben, solange er Hermine an seiner Seite wusste. Wenn sie ihn doch nur so lieben würde wie er sie...
Schritte ertönten auf der Treppe. Draco erschrack und aus Reflex sprang er in sein Bett und deckte sich zu. Er stellte sich schlafend und als die kleine Hauselfe der Malfoys den Raum betrat, wurde sie von ihrem Meister getäuscht. Nachdem sich Tiny vom Befinden ihres Herren überzeugt hatte, verliess sie das Zimmer wieder und tapste die Treppe hinunter, warscheinlich um Lucius Bericht zu erstatten. Draco verharrte noch eine gute halbe Stund ein seinem Bett und musste sich sehr anstrengen, um nicht einzuschlafen. Der Tag war anstrengend gewesen, doch er würde sein Mädchen heute Nacht noch befreien. Er konnt nicht noch einen Tag ertragen, der mit ihren Schreien gefüllt waren. Doch das Manor in dieser Zeit zu verlassen könnte Draco nicht, es würde sich wie Verrat anfühlen. Er seufzte. Vorher hatte er ein kleines Zelt im Wandschrang im Flur gefunden und eingepackt. Falls Hermine noch anderes an die Greifer verlohren hatte, die sie fanden, so waren diese Dinge nun weg. Draco konnte sie zwar nichtwiederholen, doch er überlegte, was sie wohl mitgenommen hatte und suchte Bücher und Rollen von Pergament aus seinem eigenen Vorrat zusammen, Klamotten und sogar Hygieneartikel wie Shampoo oder Tampons stal er von seiner Schwester, sodass er am Ende nur noch herausfinden musste, wie ein Unaufspührbarer Ausdehnungszauber angewendet werden musste. Lange machte Draco Versuche, bis er es einigermassen hinbekam und alles in dem unscheinbar wirkenden Rucksack verstaute. Dann setzte er sich auf die Couch und wartete, bis die Uhr Mitternacht schlug.

Hermine schreckte hoch und stiess sich schon wieder den Kopf an dem harten Boden. Die grosse Standuhr, die sie im Wohnzimmer der Malfoys gesehen hatte, schlug zwölf Mal. Es tönte unnatürlich laut und erst da bemerkte Hermine, dass gerade die Tür zu ihrem Gefängnis geöffnet wurde. Sie bekam einen gewaltigen Schreck und zuckte zusammen. Draco Malfoy stand in der Tür und winkte sie zu sich heran.
„Komm schnell! Wir haben nur wenig Zeit!" Draco wisperte gerade so laut, dass die Brünette ihn verstehen konnte. Sie stand auf, doch sofort wurde ihr schwindelig und sie kippte um. Die Schnittwunde an ihrem Hals platzte wieder auf und warmes Blut rann dem Mädchen den Hals hinab. Doch sie versuchte es weiter und erreichte schliesslich den Ausgang. Die Freiheit lag zum Greifen nah...
„Na na, was haben wir denn da?"
Starr vor Schreck blickten die beiden Teenager in das Gesicht von Lucius Malfoy.

A L O H O M O R A : open up to loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt