⩤6|Mortemis|Nachtgeflüster⩥

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Mortemis wachte, wie auch in der Nacht zuvor in einem Tümpel auf. Ihr Kopf hielt sich gerade so über Wasser und ihre Augen waren geschlossen. Ihr Atem schwebte in Form von Nebel vor ihrem geöffneten Maul aus welchem gelbe, spitze Zähne hervor blitzten. Sie riss die Augen auf. Die Pupillen leuchteten rot und der Rest ihres Augapfels war tiefschwarz. Mortemis erhob sich auf die Pfoten und das Wasser lief tröpfelnd ihr graues Fell hinab. Die Füchsin ging auf direktem Weg zur Ruine, während der trockene Boden unter ihr knisterte.

Mortemis schlüpfte wieder durch das kleine Loch in der Ruine. Zu ihrer Überraschung war deutlich weniger los, als beim letzten Mal. Die wenigen kleinen Grüppchen hockten an der Mauer und der Hof war leer. Die graue blickte sich um und erspähte Pes zusammen mit Umbra und Ferris. Zielstrebig steuerte sie auf sie zu. Umbra brummte eine unhöfliche Begrüßung, der Fuchs und der Wolf blieben stumm. Mortemis kniff die Augen zusammen. „Was ist los?", zischte sie. Pes knurrte. „Viele der Jäger sind heute nicht gekommen... Einer wurde von Umbra tot im endlosen Wasser gefunden." Der kleine Schakal knurrte. Mortemis sog scharf Luft ein. „Aber... Das heißt nicht, dass sie alle tot sind, oder?" Ferris war es, der antwortete. Der Wolf flüsterte mit seiner rauen Stimme: „Nein, wir haben schon Leute losgeschickt, die die ganze Nordebene durchsuchen. Je nach dem wen... Oder was sie finden wissen wir hoffentlich mehr..." Die Füchsin überlegte. „Vielleicht war dieser eine ja einfach nur zu blöd zum Schwimmen?" Pes zuckte mit den Schultern.

Lange saßen die drei schweigend da, bis Mortemis ein Zischeln bemerkte. „Venem?" „Jaa?", kicherte die Schlange. Sie wand sich um Ferris Vorderbein um einen besseren Überblick zu haben. „Warum bist du erst jetzt hier?", fragte Pes kühl. Venem schüttelte den Kopf. „Ich musssste... Noch etwassss erlllledigennn..." Er lachte und blickte auf zum schwarzen Nachthimmel. Mortemis folgte ihm und brauchte einen Moment, um zu sehen, auf was er hinaus wollte. Schließlich konnte sie eine Gestalt ausmachen, die auf der abgebröckelten Ruinenmauer hockte. Das Wesen flatterte mit den Flügeln und segelte hinunter zu der Gruppe.

Mortemis erkannte einen Raben. Sein Gefieder war verblichen, grau, so wie ihr Fell und seine Augen blitzten rot. Er hopste auf dem dreckigen Boden umher und begutachtete die Tiere um ihr herum. „Dassss issst Noctissss...", stellte Venem den Neuankömmling vor. „Er issst... Nun... Sssss... Ja... Etwass ssseltsssamm..." Die Füchsin erkannte, dass der Vogel schielte. „Noctis... Setzt dich doch mal hin...", wies Umbra an. Der Rabe hockte sich gemütlich in die Mitte des Kreises und blickte Venem erwartungsvoll an. Dieser nickte zu Pes und Ferris und bedeutete dem neuen somit, dass die beiden das Sagen hatten. Noctis drehte zuckend den Kopf zu Pes, der ihn stumm anstarrte. „Wir könnten ihn gut gebrauchen.", stellte er schließlich fest. „Wofür?", fragte Umbra fauchend. Der Fuchs blickte den Schakal streng an. „Rundflüge. Ich hatte vor, die Nordebene ab zu suchen. Vielleicht finden wir noch mehr tote Jäger." Venem stimmte leise zu. „Gut, dann schlage ich vor, Pes und ich nehmen uns mit Noctis den westlichen Teil vor, ihr anderen den östlichen Teil.", sagte Ferris mit einem Seitenblickt auf Pes. „Wo ist eigentlich Sana?", fragte Mortemis. Umbra antwortete ihr: „Sie ist... Verhindert...".

Die Gruppe machte sich auf den Weg. Venem wand sich neben ihr über den Boden. „Wir gehen zuerst zum Scutumrudel.", befahl Umbra stumpf. Die Füchsin, die Schlange und der Schakal gingen am Klippenrand entlang. Neben ihnen schlug das Wasser erbarmungslos gegen das helle Gestein. Mortemis erzitterte. In ihrem Kopf spielten sich Szenarien ab. Szenarien von ihr, wie sie in den endlosen Gewässern ertrank, wie das Wasser über ihr zusammen schlug, ihr den Atem und die Sicht nahm und ihre Lunge mit dem salzigen Wasser füllte. Sie schüttelte sich und folgte schwer atmend dem Rest.

Nach wenigen Minuten konnte Mortemis ein leises Bellen wahrnehmen. „Ist das das Scutumrudel?", wisperte sie. Umbra nickte wortlos und bog von der freien Grasfläche ab in den dichten Wald. Flink hopste er durch das Unterholz. Venem folgte ihm, Mortemis tat es der Schlange nach kurzem Zögern nach. Das Lager des Scutumrudels war nahe am Waldrand, also waren die drei schnell da. Umbra bedeutete seinen Gefährten mit einem Ohrzucken, sich mit ihm in die Krone des großen Baums zu hocken, den er bereits unter viel Anstrengung erklommen hatte. Niemand bemerkte die drei Jäger, da alle Aufmerksamkeit auf den Beta des Rudels gerichtet war. Umbra hatte die roten Augen zusammen gekniffen und beäugte das Lager. „Warum ist der Alpha nicht da?", fragte er zischend. Wie gerufen verkündete der Beta: „Alpha wird erst bei Sonnensprung wiederkehren. Dann wird entschieden sein, was wir gegen die Jäger unternehmen." Mortemis blickte Umbra alarmiert an, doch er schüttelte nur beschwichtigend den Kopf. „Entsschieden wird sssoetwasss meissst mit alllen.", zischte Venem. Umbra stimmte der Schlange zu. „Ja, es scheint so, als wären sie gerade erst wiedergekommen. Lasst uns verschwinden. Vermutlich war das mit dem ertrunkenen Schakal bloß ein Unglück." Mit diesen Worten sprang der Schakal von dem Baum und verschwand im Wald.

„Gehen wir noch zu den anderen Rudeln?", fragte Mortemis Umbra, als sie einen gewissen Abstand zwischen sich und das Lager gebracht hatten. „Nein, es würde sich nicht lohnen.", war die stumpfe Antwort. Ohne weitere Worte ging die Gruppe zurück in Richtung toter Wald. Der Boden knisterte unter den Pfoten der Gruppe, als sie unter den leeren, schwarzen Baumkronen durch das Unterholz liefen. Vor ihnen war bereits die Ruine, doch bevor sie den Ort erreicht hatten stürzte ein Schatten vom Himmel. Mortemis sprang kreischend zurück, doch Venem zischte nur: „Noctissss...". Der zerzauste Rabe sprang krähend auf und ab und hüpfte in Richtung Sternenturm. „Wir sollen ihm folgen...", knurrte Umbra. Der Schakal wandte sich um und sprang davon. Noctis folgte ihm durch die Lüfte und auch Venem schlängelte hinterher. Mortemis zögerte kurz bevor sie den dreien hinterher lief.

Der Sternenturm war ein großer Fels, der heilige Ort der Wölfe. Im Vollmondschein waren zwei Gestalten zu erkennen. Pes und Ferris! Wie, als wenn es ihnen jemand befehlen würde schlugen der Fuchs und der Wolf ihre Köpfe auf das Gestein. Es waren bereits Blutspritzer auf der grauen Oberfläche zu sehen. Mortemis kam mit Umbra und Venem näher. Mit dem weniger werdenden Abstand begann eine leise Stimme auf die Füchsin ein zu reden. Du musst sterben. flüsterte sie. Stirb! Stirb! Stirb, stirb, stirb! Das Flüstern wurde zu einem erbarmungslosen Brüllen, und Mortemis konnte es nicht mehr aushalten. Sie wollte sich zu Pes und Ferris gesellen, und den Qualen ein Ende bereiten. Sie lief auf den Sternenturm zu und wollte hinauf klettern, doch etwas packte sie am Hinterbein und schleuderte sie zurück.

„Mortemis, lass sie nicht siegen!", brüllte Umbra ernergisch. Er packte sie am Nackenfell und zog sie schnell von dem Berg weg. Die Stimmen im Kopf der Füchsin wurde schwächer, und sie konnte wieder klarer denken. Umbra stürmte bereits mit zusammen gebissenen Zähnen zu Pes und Ferris. Noctis krähte aufgeregt, als wolle er den Schakal aufhalten, doch dieser erklomm bereits den Sternenturm. Auch aus dieser Entfernung sah Mortemis, dass sein Körper angespannt war, als kämpfe er gegen einen Drang an. Er begann auf den Fuchs und den Wolf ein zu reden – nein, zu brüllen, und Pes und Ferris hielten inne. Umbra redete weiter. Die anderen beiden blickte sich an und schüttelten den Kopf. Umbra deutete auf Mortemis und sprang den Fels hinunter. Nach kurzem Zögern folgten ihm die anderen.

Pes und Ferris sagten nichts, als die Gruppe zurück zur alten Ruine ging. Ihre Schritte waren steif, vermutlich waren sie noch benommen. Ihre Köpfe bluteten, wenn auch nicht stark. Sie schlüpften durch das Loch. Mittlerweile war schon etwas mehr los. „Kommt mit." Umbra steuerte auf die kleine, eingefallene Scheune in der Mitte des Hofes zu. „Flamma!", rief der Schakal. „Hm?", fragte eine Stimme aus einer dunklen Ecke. Eine Wölfin saß dort, ihr grauer Pelz war mit Streifen geziert, welche wohl aus durch Beeren gewonnene Farbe gemacht waren. Sie blickte auf Pes und Ferris und schnaubte: „Was habt ihr denn gemacht?" Die beiden blickten zu Boden, antworteten aber nicht. „Das Geflüster...", knurrte Umbra finster. Flamma spitzte die Ohren. „Das habe ich schon mal gehört." Der Schakal begann zu erzählen: „Das Geflüster... Wenn Jäger sich Vollmonds zu nahe an Heiligenstätten aufhalten hören sie Stimmen." „Was tun diese Stimmen?", fragte Flamma neugierig. „Sie reden einen ein, sich zu töten... Der einzige wunde Punkt in unser sogenannten Mauer... Die einzige Möglichkeit für die Götter, gegen uns an zu kommen..." Der Schakal grinste hämisch. „Doch leider reicht das nicht." Er kicherte verrückt. Seine Miene wurde ernst. „Ich war einer der ersten Jäger. Fast hatte das Geflüster mich getötet..."

Flamma behandelte die Kopfwunden von Pes und Ferris. Vor ihr war eine Schüssel mit einer schwarzen, dickflüssigen Masse, in die sie ihre Pfote tauchte. Dann strich sie das Zeug über die aufgeplatzte Stelle an Ferris Kopf. Sofort zog es in sein Fell sowie Haut ein und ersetzte sich durch ein sich stetig bewegende, fadenartige Flüssigkeit. Flamma wiederholte die Prozedur bei Pes und die beiden neigten dankbar den Kopf, ohne etwas zu hinterfragen.

Die Gruppe kehrte zurück an ihren Stammplatz, wo Mortemis sich auf dem Boden niederließ, so wie der Rest. „Habt ihr noch etwasss herausss gefffunden?", fragte Venem Pes und Ferris. Der Wolf schüttelte den Kopf und Pes sagte: „Nein, anscheinend waren alle Rudel beim Pictorrudel. Vermutlich ist der Schakal wirklich durch das Geflüster umgekommen..." Umbra nickte bedrückt. Mortemis sah sich um. „Der Mond steht bereits tief...", bemerkte sie. Pes nickte. „Stimmt. Wir sollten uns alle auf den Weg machen." Ohne weitere Kommentare standen alle auf und gingen aus der Ruine.

Mortemis verabschiedete sich und lief zurück zu dem Tümpel. Ohne Zögern ließ sie sich hinein gleiten. Ihre Sicht verschwamm und sie schloss die Augen. Das Wasser umhüllte sie und ihr Kopf war leer.

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Ich bin in Eile, deswegen kann ich nicht viel sagen... Hoffe es gefällt euch!

°°°Night Beasts -Gods of Destiny°°°Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt