4. Verzweiflung

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Hermine setzt sich in der Verbotenen Abteilung der Bibliothek Hogwarts an einen der Arbeitstische. Tom Riddle und Abraxas Malfoy setzen sich je links und rechts von ihr hin und Abraxas schmeisst ein dickes Buch auf den Tisch, das beim Aufprall staubt. Tom sagte, sie solle ihnen bei etwas helfen, Hermine ist gespannt bei was.

Tom schlägt zielstrebig das Buch auf und blättert zu einer der Seiten. Hermine wird von Toms Geruch eingehüllt und zieht ihn unbewusst ein. Er riecht wirklich gut. Abraxas zu ihrer anderen Seite riecht dagegen, als hätte er einfach viel zu viel AfterShave benutzt. Hermine schüttelt den Kopf um die Gedanken loszuwerden und sieht dann erst auf die aufgeschlagene Seite.

Legilimentik

Fragend sieht sie Tom an. Er wird einmal einer der grössten Legilimentiker der ganzen Geschichte werden, demnach ist Hermine etwas verwundert, dass er dies in seinem siebten Schuljahr noch nicht kann. Tom, der ihren Blick wohl anders eingeordnet hat, erklärt: "Legilimentik ist die Fähigkeit, Gedanken einer anderen Person zu lesen."

"Ich weiss, was Legilimentik ist", sagt Hermine gelassen. Sie versteht noch immer nicht genau, was sie jetzt ihrer Meinung nach tun sollte. Was erwarten sie von ihr?

"Tatsächlich!", sagt Tom ein wenig überrascht. Hermine fühlt sich gegen ihren Willen geschmeichelt.

Abraxas Malfoy zu ihrer anderen Seite lehnt sich ein wenig vor, so dass er ihr besser ins Gesicht sehen kann und fragt dann mit glitzernden Augen: "Also seid Ihr in der Lage es anzuwenden?"

Hermine wusste nicht, dass die Familie Malfoy an Legilimentik interessiert ist. Vielleicht ist es aber auch nur Abraxas, denn soweit Hermine wusste, beherrscht weder Draco noch sein Vater Lucius die Kunst der Legilimentik.

Wenn Hermine ehrlich ist, hat sie viel über dieses Thema gelesen. Sobald Harry ihr über Okklumentik berichtet hat, ist sie in der Bibliothek verschwunden und hat versucht so viel wie möglich darüber zu erfahren. Es hatte sie so interessiert, dass sie sich auch die Theorie des Gedankenlesen durchforscht hat. Theoretisch weiss sie also wie Legilimentik funktioniert, doch sie hatte nie die Chance es bei jemanden auszuprobieren. Auch an Okklumentik hat sie sich probiert, doch das war eine Übungssache, wie sie Harry genug oft erklärt hatte und da sie niemanden zum Üben hatte, war dies eine Herausforderung. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb Tom Riddle Abraxas in das alles hineinzieht.

"Nicht so wirklich", beantwortet Hermine Abraxas Frage. Selbst wenn sie Legilimentik wirklich beherrschen würde, so könnte sie es diesen beiden Jungen nicht sagen. Sie darf ihnen nicht helfen. Sie müssen alles auf eigene Faust herausfinden und lernen. Sonst wird die Geschichte durcheinander gemischt.

"Das ist kein eindeutiges Nein", bemerkt Tom. Wohl wahr, denkt sich Hermine und verflucht sich gleichzeitig für ihre Dummheit. Hatte sie wirklich gedacht, das würde Lord Voldemort nicht bemerken.

Es gibt jetzt nur noch einen Ausweg aus dieser ganzen Sache. Sie steht einfach auf und sagt: "Tut mir leid, ich kann euch nicht weiterhelfen. Wenn ich bitten darf?" Sie macht einen leichten Knicks, lässt die beiden verwirrten Gestalten stehen und verschwindet wieder zwischen den hohen Bücherregalen. Als sie ein Buch findet, dass sie interessiert, schnappt sie es sich und läuft schnell wieder aus der Bibliothek hinaus. Dabei bemerkt sie nicht, dass sie von zwei Augenpaaren verfolgt wird, die interessiert mitverfolgen, wie sie durch die Tür verschwindet.

Sobald sie wieder in ihrem Zimmer ist, öffnet sie das Fenster gleich neben ihrem Bett und atmet erst mal tief durch. Wie gerne würde sie jetzt nach Draussen gehen, stellt sie traurig fest. Ein weiteres Mal verflucht sie die Lage, in die sie sich gebracht hatte. Ein paar Minuten sieht sie also einfach aus dem Fenster und lässt ihre Gedanken ihren Lauf gehen. Sie denkt viel über Harry und Ron nach und darüber, wie die Schlacht im weiteren wohl verlaufen würde.

Während der Schlacht hatte sie kaum Zeit über das nachzudenken, was sie tat. Auch gestern waren ihre Gedanken zu durcheinander als dass ihr wirklich klar war, was sie getan hatte. Sie hatte getötet. Es gibt Zauberer, die ihretwegen nicht mehr atmen. Ihretwegen werden Familien um den Verlust weinen und sie verantwortlich machen.

Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, was nach der Schlacht passieren würde. Hunderte von Todessern würden eingesperrt gehören, doch Askaban ist teilweise beschädigt, also wo würden sie sie hingehen? Wer würde sich um den Schaden an Hogwarts kümmern, wenn alle am Trauern sind? Würde Hogwarts überhaupt noch existieren nach der Schlacht? Was würden aus den Familien werden, die zurückgelassen wurden? Was würde mit Hermine selbst passieren? Wie würde Harry das ganze aufnehmen?

Hermine hatte gar nicht bemerkt, dass sie begonnen hatte zu weinen, doch in diesem Moment war einfach alles zu viel. Niemand hier versteht sie, nicht ein mal ein bisschen. Was soll sie tun, wenn sie nie wieder hier wegkommt? Sie kann sich kaum fünfzig Jahre verstecken und keinem Menschen über den Weg laufen. Das schafft die ja nicht einmal einen einzigen Tag lang.

Verzweifelt fährt sich Hermine durch die Haare und versucht anschliessend die Tränen wegzuwischen. Auf einmal kamen ihr Lupin und Tonks in den Sinn. Endlich haben sie zueinander gefunden. Sie haben ein Baby! Und nun sind sie beide tot. War es das alles wert? Oder Fred Weasley, Dobby, Cedric, Snape, Colin, sogar Crabbe tut Hermine in diesem Moment leid. War es all das wirklich wert? In diesem Moment beginnt Hermine an Dumbledore zu zweifeln.

Es gibt einen lauten Knall und Hermine schiesst Hermine herum. Der Zauberstab ausgestreckt steht Hermine vor einem Hauself. Mit grossen Augen sieht das Geschöpf sie an und beginnt an zu zittern.

"Es tut Nelly furchtbar leid, Miss Granger! Nelly wollte Sie auf gar keinen Fall erschrecken!", beeilt die Hauselfe sich zu sagen. Beruhigt senkt Hermine den Zauberstab, steckt ihn wieder ein und wischt sich mit ihrem Umhang über die Augen.

"Schon in Ordnung, Nelly." Hermine setzt sich erschöpft von ihren Gedanken auf ihr Bett und Nelly stellt ein Tablett mit köstlichem Essen vor ihr hin.

"Master Dippet hat Nelly befohlen für Miss Granger die besten Köstlichkeiten Hogwarts bereitzustellen", erklärt das Geschöpf und verbeugt sich leicht. "Wünscht Miss Granger sich sonst noch etwas?"

"Vielen Dank, Nelly, das ist sehr lieb. Tatsächlich habe ich einen Wunsch."

"Alles, Miss Granger", verspricht sie und hat glitzernde Augen. Hermine vermutet, man bedankt sich nicht besonders viel bei ihr.

"Sei so gut und iss mit mir, Nelly." Hermine will auf jeden Fall verhindern, dass sie wieder auf solche Gedanken kommt. Alles was sie im Moment stressen soll, ist, wie sie wieder nach Hause kommt.

Nelly sieht mehr als nur überrascht aus und beginnt beinahe an zu weinen. "Nelly soll mit Ihnen essen? Würde Nellys Gesicht Ihnen nicht den Hunger verderben?", fragt sie und starrt sie noch immer an.

"Ich weiss nicht, wie du auf so etwas kommst, aber du hast ein bezauberndes Gesicht."

Caught in time - TomioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt