Kapitel 3

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Kapitel 3 

 Wie beim letzten Mal war Granger auch an diesem Abend bereits im Krankenflügel, als Severus die Flügeltüren aufstieß. Er brauchte nur eine Sekunde, um die Lage zu erfassen.

 Granger saß auf einem der Betten und starrte mit leerem Blick vor sich auf den Boden. Wüsste Severus es nicht besser, hätte er vermutet, dass sie mit offenen Augen schlief. Poppy stand etwas abseits an ihrem Vorratsschrank und sortierte ein aufgeräumtes Regal. Ihre Blicke flogen immer wieder zu der Schülerin. Es war offensichtlich, dass Granger nicht zu einer vernünftigen Unterhaltung fähig war, Poppy es jedoch nicht ertragen konnte, einfach nur neben ihr zu sitzen.

 Nun allerdings kehrte Leben in beide Frauen. Granger erschrak leicht und blinzelte mehrmals, bevor sie ihm entgegen sah. Poppy erinnerte sich daran, dass sie ihre Tarnung nun aufgeben konnte und schloss die Glastüren des Schrankes.

 „Ich brauche ein Blutentnahmeset", sagte Severus ohne eine Begrüßung und zog sich dabei den Umhang aus. Er hängte ihn über eine Stuhllehne und öffnete die Knöpfe an seinen Hemdsärmeln, um diese ein Stück nach oben krempeln zu können.

 „Was willst du mit einem Blutentnahmeset?", fragte Poppy erstaunt.

 „Blut abnehmen. Was sollte ich sonst damit anstellen?"

 „Ich habe ihr Blut untersucht!" Die Heilerin stemmte die Hände in die Hüften, während Granger alles still beobachtete.

 „Mit Diagnosezaubern."

 „Natürlich mit Diagnosezaubern. Du weißt so gut wie ich, dass es schon seit Jahren überholt ist, Blut abzunehmen."

 „Nun, Miss Granger scheint nichts dagegen zu haben." Er sah besagte Person mit hochgezogenen Augenbrauen an.

 „Nein, Sir", erwiderte sie und klang dabei nicht einmal widerwillig. „Wenn Sie es für nötig halten..."

 Noch während Severus nickte, schüttelte Poppy den Kopf. „Es ist absolut nicht nötig!"

 „Und ob es das ist. Oder hast du es schon einmal erlebt, dass ein Diagnosezauber eine unbekannte Infektion identifiziert hat?"

 Daraufhin kam Poppy näher und kniff die Augen zusammen. „Du denkst, sie hat eine unbekannte Infektion? Ganz ohne die typischen Immunreaktionen?"

 „Nein", erwiderte Severus schlicht.

 Der interessierte Gesichtsausdruck auf Poppys Gesicht verschwand innerhalb von Sekundenbruchteilen. „Severus..."

 „Ich denke nicht", begann er erneut, dieses Mal mit lauterer Stimme, „dass Miss Granger eine unbekannte Infektion hat. Aber ich kann es auch nicht ausschließen, bevor ich nachgesehen habe. Und genau das will ich tun. Also wärst du so freundlich, mir ein Blutentnahmeset zu bringen, damit ich ihr Blut unter dem Mikroskop anschauen kann?"

 Die Kiefer seiner Manchmal-Kollegin waren so fest angespannt, dass es ihm schon beim Zusehen wehtat. „Ungern", presste sie schließlich hervor, machte sich jedoch auf den Weg.

 Severus nutzte die Gelegenheit, seine Aufmerksamkeit wieder seiner Schülerin zuzuwenden. „Krempeln Sie Ihren Ärmel hoch, Miss Granger." Er trat an das Bett heran, auf dem sie saß, und zog einen Hocker darunter hervor. „Wie geht es Ihnen?", fragte er desinteressiert, nachdem er sich gesetzt hatte.

 „Unverändert, Sir", murmelte sie leise und tat sich schwer dabei, ihren Arm frei zu machen.

 Severus' Augenbraue wanderte langsam wieder nach oben, als er sie beobachtete. Die Tatsache allein, dass sie auf seine eigentlich nicht ernst gemeinte Frage geantwortet hatte, war schon besorgniserregend. Doch dass sie nicht einmal auf die Idee kam, den Knopf am Ärmel ihrer Bluse zu öffnen, stellte alles andere in den Schatten.

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