Kapitel 5

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Kapitel 5 

 Vor den großen Fenstern war bereits die Nacht heraufgezogen, als das nächste Mal jemand die Banne aufhob, die Severus an diesem ungemütlichen Ort festhielten – Albus und ein Großteil der anderen ehemaligen Schulleiter hatten einen Gesprächsbedarf, der selbst den der Fetten Dame übertraf. Severus wandte sich neugierig zur Tür um und war ehrlich überrascht, als er Filius erblickte.

 „Willst du mir auch noch eine Standpauke halten?", fragte er den kleinen Mann, der ihn schon gekannt hatte, als Severus selbst noch Schüler in Hogwarts gewesen war.

 „Ganz und gar nicht", entgegnete der Lehrer für Zauberkunst. „Ich gedenke dich hier rauszuholen."

 „Und dann?", spottete Severus, „Folgt die dramatische Flucht auf einem Hippogreif?"

 „Bedingt. Abgesehen davon, dass ein Thestral dir wesentlich besser zu Gesicht stände, dachte ich, wir retten vorher noch Miss Granger das Leben."

 Severus kniff die Augen zusammen. „Ist das ein Test?"

 „Nein."

 Severus zögerte, doch er konnte nichts Falsches finden an der Ehrlichkeit in Filius' Gesicht. „Warum tust du das?"

 „Weil ich gerade abkömmlich war. Kommst du also?"

 „Lass uns gehen."

- - -

 Sie stiegen gerade eine der Treppen hinauf, als Minerva aus der Dunkelheit des späten Abends auftauchte und sich auf dem oberen Treppenabsatz aufbaute. Severus stockte kurz in seinen Bewegungen, dann setzte er seinen Weg mit einem sturen Gesichtsausdruck fort.

 Filius hingegen brachte ihn aus dem Konzept: „Haben sie den Krankenflügel verlassen?"

 „Ja, endlich. Dieses Konsil hätten wir uns sparen können. Nun sitzen sie in deinem Büro und diskutieren und lamentieren. Bevor sie angesichts dieses faszinierenden und absolut hinreißenden Falls auch noch kopulieren, habe ich die Flucht ergriffen. Poppy hat weitaus mehr Erfahrungen mit Geisteskranken."

 „Nun sagt nicht, ihr seid zur Vernunft gekommen." Severus schnalzte mit der Zunge, was in der Stille des verlassenen Korridors laut klang.

 „Wir waren die ganze Zeit bei Vernunft", widersprach Minerva. „Aber du musst schon zugeben, dass es überstürzt gewesen wäre, dich ohne das Abklären von Alternativen in Miss Grangers Verstand herumwühlen zu lassen. Ich bin mir sicher, dass es zahlreiche Erinnerungen gibt, die sie lieber vor dir und der restlichen Welt geheim halten würde."

 „Keine Sorge, Minerva. Mein Interesse an den banalen Gedanken und Erinnerungen meiner Schüler sind nicht so groß, wie eben diese mir zu unterstellen versuchen. Ich werde mich auf das Wesentliche beschränken."

 „Das möchte ich dir auch geraten haben. Und nun lass uns anfangen."

 Der Krankenflügel lag verlassen und dunkel vor ihnen, nur am Bett von Miss Granger brannte eine Kerze, deren Flamme sich in ihren geöffneten Augen spiegelte. Es war schwer zu glauben, dass sie weder bewusstlos noch weggetreten war. Vermutlich bekam sie alles mit, was um sie herum passierte. Nur ihr Verstand war nicht mehr dazu in der Lage, etwas mit diesen Informationen anzufangen.

 „Womit, sagtest du, sind die Herren des St.-Mungo-Hospitals beschäftigt?", fragte Severus mit grimmiger Miene, ohne sich zu seinen Kollegen umzudrehen.

 „Tee trinken und mit großen Worten um sich schmeißen", entgegnete Minerva.

 Severus warf seiner Kollegin einen kurzen Blick zu. „Hoffentlich dauert diese Tasse Tee lange genug. So wie es in ihrem Kopf bei meiner Stippvisite aussah, wird es eine Weile dauern, ehe ich finde, was ich suche."

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