Epilog

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Epilog

 Als Hermine nach einer knappen Aufforderung das Büro des Professors für Tränkekunde betrat, war dieser gerade damit beschäftigt, seine Bücher zu schrumpfen und in einer Kiste zu verstauen. Er sah gereizt zu ihr auf, doch seine Mimik glättete sich, als er sie erkannte. „Miss Granger", begrüßte er sie knapp. „Was verschafft mir die Ehre?"

 „Darf ich mich setzen?", fragte sie statt einer Antwort und deutete auf den Stuhl, der vor seinem leeren Schreibtisch stand. „Ich bin noch nicht wieder ganz auf der Höhe."

 „Tun Sie sich keinen Zwang an."

 Sie seufzte leise, als sie sich setzte, und legte ihren tauben linken Arm auf ihrem Schoß ab. Es waren hauptsächlich ihre motorischen Fähigkeiten gewesen, die Schaden genommen hatten. Und anscheinend hatte sie auch vereinzelt Erinnerungen verloren; einige Details aus Gesprächen der letzten Tage waren ihr neu gewesen.

 Ein Poltern riss sie aus ihren Gedanken; Professor Snape hatte zwei Bücher auf einen Stapel geworfen, der anscheinend aussortiert werden sollte. „Ich bin hier, um mich bei Ihnen zu bedanken."

 „Wofür?", fragte er knapp und sah sie dabei nicht einmal an.

 „Dafür, dass Sie mir das Leben gerettet haben. Professor Flitwick hat mir erzählt, was passiert ist."

 Das schien ihn dann doch zu interessieren, denn er wandte sich mit einem Buch in der Hand zu ihr um. „Hat er das?"

 „Ja. Und auch wenn ich es verabscheue, dass Sie gegen meinen Willen in meinen Erinnerungen gewühlt haben, bin ich Ihnen dennoch dankbar."

 „Würde es Ihnen etwas ausmachen, diesen Umstand auch an das Ministerium weiterzutragen, sobald ich das Land verlassen habe?", fragte er und klang dabei fast unschuldig.

 Hermine lächelte, wenngleich diese Seite an ihrem ehemaligen Lehrer ihr so unbekannt war, dass sie sich schon Sekunden später nicht mehr sicher war, ob es sie tatsächlich gab. „Wenn ich das tue, sollten Sie aber sehr weit reisen."

 Er zog eine Augenbraue hoch. „Das wäre nicht unbedingt das Schlechteste." Dann fuhr er fort, sein Regal auszuräumen.

 „Es tut mir leid, dass Sie meinetwegen Ihren Job verloren haben, Sir."

 „Das muss es nicht, Miss Granger. Es wurde Zeit, dass ich meine Zelte hier abbreche und mich neu orientiere. Sie haben mir nur einen Grund geliefert."

 „Oh." Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Genau genommen hatte sie sogar ihren Zauberstab im Ärmel ihres Umhanges verstaut, um im Ernstfall so schnell wie möglich heranzukommen.

 „Gibt es sonst noch etwas, das Ihnen auf dem Herzen liegt?", fragte Professor Snape da ungeduldig in ihre Gedanken hinein.

 „Ja", entgegnete Hermine und kniff kurz die Augen zusammen, um ihre Gedanken zu fokussieren. Das war noch so ein Detail, mit dem sie derzeit Probleme hatte. „Was Sie in meinen Erinnerungen gesehen haben..."

 „Ich habe niemandem davon erzählt und ich werde niemandem davon erzählen", unterbrach er sie und sah sie so intensiv an, dass Hermine schauderte. „Ich habe kein Interesse daran, Ihre Erinnerungen mit irgendwem zu teilen."

 „Ich danke Ihnen, Sir."

 Er nickte. „Nur eines würde mich noch interessieren."

 „Was?"

 „Weiß Potter es?"

 Hermine schüttelte den Kopf. „Als er nach dem Todesfluch wieder aufwachte, waren die Erinnerungen an die letzten Minuten vor seinem Tod verschwunden. Zumindest hat er das behauptet. Ich habe mich nicht getraut, auch seine Erinnerungen zu verändern. Ich denke, an seinem Verstand wurde schon genug herumgepfuscht."

 „Ihre Freunde wissen gar nicht, was Sie an Ihnen haben, Miss Granger", stellte Severus gedankenverloren fest.

 Sie lächelte und dachte an die Freude auf ihren Gesichtern, als sie sie zum ersten Mal im Krankenflügel besucht hatten. „Doch, das tun sie, Sir."

 Da legte der Tränkemeister das Buch, das er in Händen gehalten hatte, auf die Kiste und stakste durch das Chaos auf dem Boden zu ihr herüber. Als er vor ihr stand, zog er seine Hand aus der Tasche seines Umhanges und hielt ihr eine Phiole mit einem blassblauen Inhalt entgegen.

 „Was ist das?", fragte sie, ehe sie zögernd die Hand danach ausstreckte.

 „Ein Trank, der Ihnen helfen kann. Wenn Sie es möchten."

 Die fremde Sanftheit in seiner Stimme irritierte sie. „Sie geben also doch etwas auf den freien Willen."

 „Es ist Ihr Leben, Miss Granger. Mir war es nur wichtig, dafür zu sorgen, dass Sie eines haben."

 Sie senkte den Blick auf die Phiole in ihrer Hand. „Was bewirkt er?"

 „Er trennt die Emotionen von der Erinnerung und verkapselt sie. Sie werden nichts vergessen, aber es wird Sie nicht mehr belasten. Vielleicht können Sie dann in Weasleys Nähe sein, ohne kurz vor einem panischen Anfall zu stehen."

 „So ist das gar nicht", log sie, musste jedoch hart gegen die Tränen ankämpfen, die ihr in die Augen stiegen.

 „Natürlich nicht", schnarrte der Tränkemeister. Und dann sagte er: „Sie müssen mich nicht anlügen, Miss Granger. Ich bin nicht mehr Ihr Lehrer, ich werde Sie nicht bloß stellen. Außerdem war ich in Ihrem Kopf und ich weiß, wie belastende Erinnerungen aussehen. Ob Sie den Trank nehmen oder nicht, überlasse ich Ihnen. Er hält sich etwa ein Jahr, wenn Sie ihn nicht in die pralle Sonne stellen. Denken Sie gut darüber nach."

 Diese Worte zusammen mit seiner Rückkehr zum Regal wirkten wie ein Rauswurf auf Hermine, so dass sie sich aus dem Stuhl kämpfte und auf unsicheren Beinen zur Bürotür ging. Dort angekommen warf sie noch einen Blick zurück zu dem Mann, der sechseinhalb Jahre lang ein Stammgast in ihren Albträumen gewesen war. Jetzt fühlte sein Anblick sich jedoch anders an als bisher. Es fühlte sich an, als hätte sich etwas zwischen ihnen geändert, das über das Ablegen des Schüler-Lehrer-Verhältnisses hinaus ging.

 Hermine schloss ihre Finger fest um die Phiole und verließ die Kerker. Ihre Gedanken liefen kreuz und quer, sie musste unbedingt einen Weg finden, sie zu beruhigen.

ENDE

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