41.

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"Und? Gab es auch Versöhnungsse-","Sprich nicht weiter!" ermahnte ich meinen Cousin am nächsten Tag, als er mir half meine Sachen aus seinem Gästezimmer zusammen zu packen. "Brauche ich auch gar nicht, dein Grinsen spricht mehr als tausend Worte." schmunzelte Mats. Ich verdrehte meine Augen: "Und wenn schon." murmelte ich und schloss den Reißverschluss meiner Reisetasche mit einem schnellen Ruck. Draußen schneite es wie verrückt und der Wind heulte nur so im Haus herum. Mats schloss das Fenster: "Ich meine ja nur. Ich will ja nicht zu sehr ins Detail gehen, aber genau dabei ist damals Ludwig entstanden." er wackelte dabei mit seinen Augenbrauen. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Ich fuchtelte abwehrend mit meinen Händen vor meinem Bauch herum: "Stop! Hör auf es herauf zu beschwören. Kein Kind vor oder während der Weltmeisterschaft!" erklärte ich ihm hysterisch. Mats begann laut zu lachen: "Und diese Bewegungen die du machst sollen was genau bezwecken?" Ich zuckte lachend mit den Achseln: "Keine Ahnung, vielleicht ist das ja irgendein Entfruchtungstanz." spekulierte ich grinsend. Er schüttelte ungläubig seinen Kopf: "Man Bella, du bist bescheuert."
Wir gingen zurück in sein Wohnzimmer und ich pfefferte meine Tasche in den Flur. "Mal etwas anderes. Schon eine Idee für Weihnachten?" fragte er mich. "Ne" ich schüttelte meinen Kopf: "Ist Ludwig bei dir?" fragte ich neugierig. Er nickte bloß. Was war das? Kein böses Wort gegenüber seiner Ex-Frau Cathy? Ich beschloss, ihn einfach nicht darauf anzusprechen. "Wir sind doch Heiligabend immer bei meinen Eltern. Ich denke, die wollen das so beibehalten. Am ersten Weihnachtstag gibt es dann wieder ein riesen Frühstück dort." Mats nickte und machte ein Würgegeräusch: "Ja genau, als hätten wir ein paar Stunden vorher nichts zu Abend gegessen. Da wird es auch wieder eine Tonne an leckerem Zeug geben und ich bekomme wieder Ärger vom Verein hinterher." beschwerte er sich. Ich musste lachen: "Nimm einfach in diesen fast vier Wochen zwei oder drei Kilo ab." schlug ich lachend vor. Natürlich meinte ich das nicht ernst. Mats aber kraulte seinen drei Tage Bart: "Wäre vielleicht eine Idee." murmelte er leise. Gerade als ich meine Stirn runzelte und meinen Kopf schüttelte, klingelte es an der Tür. Mats huschte hin und öffnete sie. Marco und er umarmten sich brüderlich. Danach kam er auf mich zu und grinste mich an. Nachdem wir uns zur Begrüßung küssten, kam ein Lachen von Mats, der rechts von uns stand und uns beobachtete: "Der grinst ja genauso dämlich wie du." schmunzelte er. Marco guckte mich irritiert an: "Hör jetzt auf Mats!" ermahnte ich ihn und winkte vor Marco ab: "Ist egal, hör nicht auf den Idioten." sagte ich schnell. Er ließ mich tatsächlich schon darüber philosophieren, ob Marco und ich überhaut verhütetet hatten. Eigentlich war ich mir sicher, dass dem so war. Aber jetzt, wo ich mir so sicher war hatte ich Angst, dass das alles nur Einbildung war. Marco und Mats unterhielten sich noch über die letzten Spiele vor der Pause, bis wir dann endlich im Auto auf dem Weg nach Hause waren.
Ein paar Wochen später war es dann so weit. Das letzte Spiel der Jungs vor der Winterpause. Man war mir schlecht vor Aufregung. Gemeinsam mit Elena und Ann-Kathrin, saß ich dick eingepackt im kalten Stadion. Während Jona neben Ann saß, Genevieve auf ihrem Schoß und Mattes auf Elenas Schoß, kümmerte ich mich nicht nur um Ludwig, sondern auch um meinen Neffen Nico. "Mein Gott stellt euch vor, dass wir in ein paar Jahren wirklich alle so viele Kinder haben." lachte Elena ein wenig überfordert. "Ach wieso nicht." Ann-Kathrin zuckte mit ihren Schultern. Ich runzelte meine Stirn: "Ich dachte deine Kinderplanung sei abgeschlossen?" fragte ich irritiert. Mein Blick wanderte zu ihrer fast einjährigen Tochter. Schon wieder zuckte Ann mit ihren Schultern: "Kann man ja nie wissen." grinste sie. Ich blinzelte sie geschockt an. Wieso denn auch nicht? Trotzdem ließ ich das alles lieber unkommentiert. Man sollte sich in sowas einfach nicht einmischen.
Das Spiel begann und ich freute mich total darauf, dass ab heute Abend der Fußball für ein paar wenige Tage zweitrangig wurde. Nachdem in der ersten Halbzeit nicht viel passierte, lagen wir in der zweiten im Rückstand. Gerade als Marco mit dem Ball in Richtung des Gegnerischen Tors unterwegs war, kam ihm völlig aus dem Nichts ein Abwehrspieler des anderen Teams entgegen und zog ihm die Beine weg. Während Ann-Kathrin und Elena mich ungläubig antickten, stand ich mit offenem Mund von meinem Sitzplatz auf und hörte nur noch ein schmerzerfülltes Raunen, welches durchs Stadion zog. "Steh auf! Steh auf!" murmelte ich mit gedrückten Daumen, als Marco auf dem Boden liegen blieb und schmerzerfüllt sein Gesicht verzog. Ich sah in diesem Moment schon, dass er schwerer verletzt war, sonst würde er direkt versuchen, sich aufzuraffen. Kurz nachdem mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss, wurde er vom Platz getragen. Mir wurde richtig schlecht, als hätte ich etwas Knacken oder reißen hören. "Das glaub ich nicht." kam es leise von Ann-Kathrin. Ich nickte wortlos und schluckte laut. Vor meinem inneren Auge zog die Weltmeisterschaft und der Rest der Saison mal wieder von dannen. Das konnte doch nicht war sein, vor vier Wochen war alles noch so perfekt. Ich hatte den Job angenommen, Marco und ich haben uns wieder zusammengerauft, es war alles durchgeplant bis Ende nächsten Sommer und jetzt war das alles wieder innerhalb weniger Sekunden futsch. Direkt kam in mir der Gedanke auf, dass ich ohne ihn auch nicht fahren würde. Ich hatte meinen Job und die riesige Chance dahinter bereits abgehakt. "Mal nicht direkt den Teufel an die Wand!" versuchte Elena mich aufzumuntern. Ich atmete tief ein und aus: "Könnt ihr kurz auf Nico aufpassen? Ich muss runter." fragte ich aufgewühlt. Die zwei nickten: "Sicher. Was ist mit Ludwig?" fragte Ann besorgt. Ich winkte ab: "Den drücke ich Mats in die Hand. So wie ich meinen Cousin kenne, ist er schon bei Marco unten in den Katakomben." erklärte ich schnell, nahm mein Patenkind auf den Arm und machte mich auf den Weg in die dorthin. Das Spiel wurde nämlich vor einer Minute abgepfiffen und Mats sprintete direkt vor Platz. Alle, die mich kannten schauten mich auf dem Weg dorthin mitleidig an. Ich hingegen durfte jetzt bloß nicht in Selbstmitleid verfallen. Zum Glück steckte ich nicht zum ersten Mal in dieser Situation und wusste worauf es jetzt ankam - ganz viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Trotzdem hoffte ich in meinem tiefsten inneren, für mich und für Marco, dass er nicht schlimm verletzt war. Man, war mir schlecht.

OptimistinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt