79.

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Marco schmiss mich an unserem Haus heraus und fuhr daraufhin direkt weiter in Richtung Götzes um sie abzuholen. Ein bisschen mulmig war mir schon zumute, denn ich hatte ganz schön vorlaut Eier bewiesen im Krankenhaus. Hätte ich vielleicht doch lieber dort bleiben sollen? Nein, ganz bestimmt nicht. Zuhause ging es mir bis jetzt immer am besten. Nachdem ich also ein wenig aufräumte und meine besorgte Mutter am Telefon beruhigte aber auch abwimmelte, ließ ich mir ein Bad ein. Das musste doch schmerzlindernd sein, dachte ich. Besonders, wenn viel Schaum im Spiel war. Noch bevor ich mit meinem großen Zeh die Wassertemperatur auschecken konnte, vibrierte mein Smartphone auf der Badezimmerablage. Marco schrieb in einer Nachricht, ob alles gut sei, oder ob er nicht lieber nach Hause kommen sollte. Ich musste Lächeln. Natürlich hätte ich lieber zusammen mit ihm gebadet oder den Abend verbracht. Wer weiß. Ihn hier festhalten wollte ich aber auch nicht, wie sah das denn auch aus? Ich löschte also meine erste noch unabgeschickte Nachricht in der stand, dass er schnell wieder nach Hause kommen sollte und schrieb ihm brav zurück, dass alles paletti sei. Dann ließ ich mich endlich in die Wanne sinken. Das war gar nicht mehr so leicht wie früher im vierten Schwangerschaftsmonat. Nachdem ich mich tiefer ins Wasser gleiten ließ, dachte ich darüber nach was der Arzt zu mir sagte. Sport treiben, das konnte ich jetzt wirklich knicken. In Ordnung. Das hieß aber nicht, dass ich einfach so für die Schwangerschaft und Elternzeit mein Büro für die Neue räumen würde. Irgendwann war es mir echt zu blöd meine Gedanken daran zu verschwenden und griff nach meinem Smartphone, um mich abzulenken. Natürlich war Social Media das beste Mittel für Ablenkung und somit scrollte mein Finger wie von selbst durch die neuen Postings. Schmelles Geburtstag fiel wohl größer aus, als Marco dachte. Ich sah bei Ann-Kathrin wie alle in schale geschmissen dort aufkreuzten und neben unzähligen Spielerfrauen, Spielern und Ex-Spielern auch Marcel und Jenny bei ihren Posts auftauchten. Ich erinnerte mich, wie Marco mir erzählte, dass Marcel die Party mit seinem Abschied aus dem Profifußball verbinden wollte und plötzlich machte alles auch einen Sinn. Jetzt fühlte ich mich schlecht. Ich wäre gerne dabei gewesen. Warum eigentlich nicht? Ich fand bestimmt noch ein Kleid in das ich passte und schwangerschaftskonforme Schuhe würden mir den Abend echt erleichtern. Schließlich waren meine Schmerzen wie weggeblasen, in der Badewanne jedenfalls. Marco würde sich mit Sicherheit freuen, wenn ich nachkommen würde. Ich fasste also einen kurzen Entschluss und ließ das Badewasser ab, bevor ich mich vorsichtig aus der Wanne hievte. Einmal stürzen am Tag reichte schließlich. Also dann. Ich duschte schnell meinen Körper ab, machte mir im Bad die Haare und legte etwas Make Up auf m. Dann schlüpfte ich in ein kurzes schwarzes Kleid auf dem große Blumen aufgedruckt waren. Das Gummiband in der Mitte, das die Taille betonen sollte, rutschte etwas hoch unter die Brust und betonte somit meinen kleinen, aber stets wachsenden Babybauch. So konnte ich da auftauchen. Dann schlüpfte ich in weiße Sneaker, die passten schließlich zu allem und waren bequem, um mir dann meine Tasche umzuhängen und mich ins Auto zu setzen. Ein wenig angespannt machte ich mich letztendlich auf den Weg zur Party. Ich hoffte, dass Marco sich freute und nicht sauer war, dass ich meine Bettruhe nicht einhielt. Schmelle war schließlich auch mein Kumpel und so ein Abend trug doch bestimmt auch zu meiner Entspannung bei. Klar spürte ich deutlich, dass meine Rippen gebrochen waren, besonders als sich der Autogurt in meinen Bauch bohrte, aber ich überspielte es. Ich wusste, als ich ankam zwar selbst nicht mehr, ob das wirklich sein musste aber nun war ich schließlich schon hier. Es würde schon großartig nichts passieren. Die Frühlingsnacht war mild und total angenehm. Eigentlich das beste Partywetter.
Als ich das Haus betrat, kam mir eine stickige Wolke entgegen. Meine Augen scannten die Party ab, auf der Suche nach Marcel. Schließlich sollte ich ihm als erstes gratulieren, bevor ich hier herumrannte. „Was machst du denn hier?" fragte mich plötzlich Ann-Kathrin schockiert. Erschrocken drehte ich mich zu ihr und zuckte überfordert mit den Achseln: „Weiß nicht. Irgendwie wollte ich nichts verpassen." gab ich vor meiner besten Freundin ehrlich zu. Sie schaute mich einfühlsam an und streichelte über meinen Arm: „Oh man Bella, mache dir doch nicht immer so einen tierischen Kopf." riet sie mir, als wir uns ein paar weitere Schritte ins Getümmel wagten. Ich presste meine Lippen aufeinander und nickte leicht. Noch immer suchte ich nach Marcel, oder wenigstens nach meinem Ehemann. Als ich seine blonde Kurzhaarfrisur unter all den anderen entdeckte, zog ich Ann-Kathrin mit mir und ging grinsend auf Marco zu. Bis mir auffiel das er lachend eine Blondine anhimmelte, die ständig seinen Arm betatschte. Mein glückliches Lächeln verflog umgehend und ich blieb wie angewurzelt stehen. „Geh doch weiter!" beschwerte Ann-Kathrin sich, als sie mit fast in die Hacken lief. Dann stellte sie sich neben mich, ihre Hände waren auf ihrem eigenen Babybauch abgelegt und sie beäugte genauso kritisch, wie ich es tat die Situation die sich gerade vor uns abspielte. „Hä, die habe ich ja ganz vergessen." platzte es aus ihr heraus. Ich nickte nur, mit offenem Mund. Mir blieben die Worte im Hals stecken. Gleichzeitig fühlte ich mich um etliche Jahre zurückversetzt. Eifersucht bei mir? Fehlanzeige, besonders seitdem Marco und ich vor vier Jahren geheiratet hatten. Wir zickten uns eher wegen anderen Dingen an, aber das wichtigste war doch, dass wir eigentlich trotzdem immer zu uns standen. Ob das jetzt sein musste, was sich vor mir abspielte, war eine andere Frage. Marco lehnte sich an die Wand und redete ständig so nah an ihrem Ohr, dass er beinahe fast daran nagte. In mir drehte sich alles. Die Schwangerschaftshormone machten es auch nicht besser. Sie kochten regelmäßig in mir und machten mich noch wütender, als ich es eigentlich war. „Das wir uns nochmal mit Scarlett herumschlagen müssen, das hätte ich nie für möglich gehalten." sagte Ann sarkastisch. Ich nickte und bemerkte, wie mein Kopf immer roter vor Wut wurde, je länger ich das Schauspiel vor mir betrachtete. Am liebsten hätte ich der Kleiderstange auf die Valentino Pumps gebrochen. So viele Möglichkeiten spielten sich gerade in mir ab und doch war ich total unsicher wie ich reagieren sollte. Was sollte ich denn jetzt bloß machen? Was war das erwachsenste? Gerade als ich mich dazu entschied, mich wortlos umzudrehen und so zutun, als wäre ich nie hier gewesen, konnte Ann ihre eigenen Schwangerschaftshormone nicht mehr zurück halten: „Du Vogel!" schrie wie laut in Marcos Richtung, der erschrocken aufsah. Nicht nur er sah auf. Es war beinahe so, als hätten alle in unserem Umfeld aufgesehen und einer die Musik leiser gedreht. War natürlich nicht so. Ihm vielen alle Emotionen aus dem Gesicht, als er mich abhauen sah, aber ich wollte mich der Konfrontation heute nicht mehr stellen. Und so wurde ich immer schneller und stieg noch schneller in mein Auto ein, um endlich abzuhauen. Marco sah mich nur noch auf die Straße abbiegen und davon fahren. Ich sah im Rückspiegel, wie er verärgert seine Jacke auf den Boden pfefferte und Ann-Kathrin wütend auf ihn zu ging. In meinen Kopf schwirrten derweil auf dem Weg nach Hause nur zwei Gedanken. Ich ärgerte mich, weil ich mich extra für ihn dorthin begeben hatte und mich schick gemacht hatte. Schließlich wollte ich ihm eine Freude machen. Schlimmer aber - was wäre noch passiert, hätte Ann-Kathrin ihn nicht angemacht oder wäre ich nicht da gewesen und wäre es dann sein „Geheimnis" geblieben? War es nicht das Klischee schlechthin, das Männer gerne ihre schwangeren Frauen betrogen? Aber Marco doch nicht - zumindest dachte ich das bisher.

OptimistinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt