16.

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Marco legte seinen starken tätowierten Arm um meine Schultern und zog mich ganz dicht an sich heran. Ich musste Lächeln, war überglücklich. Der Sand von Kalifornien lag unter unseren Füßen, ich in den Armen meiner großen Liebe. Zufrieden starrte ich auf den glänzenden Ring der meinen linken Ringfinger schmückte. Ich war verlobt, wie fühlte sich das schön an.
Plötzlich wurde ich durch laute Sirenen draußen geweckt. Ich realisierte zu meinem Übel, dass ich geträumt hatte und seufzte. Man, musste es hier irgendwo in der Nähe brennen, wenn ich den schönsten Traum seit langem hatte? Er hatte sich so real angefühlt, ich wäre am liebsten da geblieben. Nachdem ich einen Schluck Wasser getrunken hatte, war ich natürlich wieder hellwach. Ich starrte auf meinen Ringfinger, an dem Verlobungsring und Ehering um die Wette strahlten. Marco hatte sich da keinesfalls lumpen lassen. Das waren die schönsten Ringe meines Lebens. Selbst die schönste Ehe hat doch eigentlich Höhen und tiefen oder? Wie sehr wünschte ich mir, noch einmal am selben Punkt sein zu dürfen, wie an diesem Tag, in diesem Traum. Alles war so leicht, unbeschwert und wir waren glücklich. Eigentlich war unsere Auseinandersetzung doch wertlos. Wieso konnten wir nicht einfach darüber reden, wie erwachsene es eben taten? Das musste doch in einer gesunden Beziehung machbar sein? Es sollte sogar eine Voraussetzung sein für eine Ehe und ich dachte, dass wir diese auf jeden Fall hatten. Egal wie verletzt Marco war, nichts gab ihm das recht, sich so zu verhalten. Meine Trauer der letzten Tage schien definitiv in Wut umzuschwenken.
Ich lag letztendlich die ganze Nacht wach und konnte nicht wieder einschlafen. Tausende von Horroszenarios schwirrten in meinem Kopf herum. Als die Uhrzeit endlich human war um aufzustehen, strampelte ich hellwach die Decke von mir und stellte meinen Wecker ab, ohne das er überhaupt angehen musste. Mit kleinen Schritten lief ich zum Fenster, öffnete die Jalousien und sah aus dem Augenwinkel mein Antlitz von der Seite im Wandspiegel. Draußen war es noch relativ dunkel, aber es war gerade einmal so hell, dass ich mich in ihm sehen konnte. War mein Bauch unten leicht gewölbt oder bildete ich mir das nur ein? Würde Marco sich scheiden lassen, wäre ich tatsächlich schwanger? Sanft strichen meine Finger über meinen flachen Bauch. Ich schüttelte meinen Kopf. Ich war mit Sicherheit nicht schwanger. Auch war ich mir sicher, dass Marco und ich das wieder gerade biegen konnten, sobald er endlich wieder mit mir reden wollte, aber ich wollte ihm nicht mehr hinterher laufen. Ich konnte es auch nicht mehr, denn nun war er am Zug. Ich band meine langen Haare zu einem hohen Zopf zusammen, schlüpfte in meine enge Lieblingsjeans und ein weißes Langarmshirt. Nachdem ich mir vor der Haustür meine Lederjacke überwarf und in meine weißen Chucks schlüpfte, machte ich mich auf zu einem dreißig Minütigen Spaziergang an den Phönixsee. Ich hatte noch so viel Zeit bevor ich arbeiten musste, deshalb wollte ich mir etwas gutes tun und abschalten. Mit jedem Meter den ich an der frischen Luft machte, wurde mein Herz leichter. Eine gewisse Last fiel langsam von mir ab und ich hatte das Gefühl endlich wieder atmen zu können. Ich machte ein paar Meter am Phönixsee, hatte aber auf meinem Weg dahin schon Brötchen gekauft, um meinen Cousin aus dem Bett zu klingeln. Er war die letzten Tage so für mich da, da wollte ich ihm eine kleine Freude machen. Außerdem war ich total durchgefroren. Kein wunder, es wurde immer Kälter. Der Sommer war lange vorbei und wir steckten mittlerweile im Ende vom Herbst. Ich stand vor der Wohnung, die ich mir eigentlich selbst besorgt hatte, als Marco nach England gehen wollte. Da hatten wir uns aber eingekriegt und Mats hatte sie mir netterweise abgenommen. Er wechselte schließlich wieder zum BvB und wollte nicht ewig bei mir und Marco wohnen bleiben. Die Zeit als er es tat war aber schon schön. "Guten Morgen!" grinste ich ihn an, als er mir verwundert die Tür öffnete. "Sind das Croissants?" fragte er Freuden strahlend und noch total verschlafen. Ich nickte begeistert und ging schon in die Küche voraus. "Bist du gelaufen?" fragte Mats mich verwundert. Ich zuckte mit den Achseln: "Ich konnte nicht mehr schlafen" murmelte ich und erinnerte mich wieder an meinen schönen Traum. Während Mats sich in seine Trainingsklamotten schmiss, deckte ich den Tisch. Ich erzählte ihm direkt von gestern, dass Marco nicht mit mir redete und auch nicht die Tür geöffnet hatte. Er runzelte die Stirn: "Ich glaube da hast du einfach einen schlechten Zeitpunkt abgepasst. Die Mannschaft hatte gestern nämlich noch eine Nachbesprechung mit Favre wegen des Spiels gegen die Bayern letzte Woche. Das war ganz spontan." erklärte er mir entschuldigend. Ich seufzte. Toll, vielleicht ein paar Minuten später und wir hätten endlich Zeit zu zweit haben können. Es sollte wohl nicht so sein. Wenigstens wusste ich jetzt, dass er ich nicht absichtlich draußen hat stehen lassen. "War er denn wirklich da. Ich habe Angst ihm heute wieder zu begegnen." gab ich leise zu. Mats nickte mitfühlend: "Ja, ich würde dich doch nicht anlügen. Er war hundert prozentig da. Ich weiß, aber wir fahren ja auch wieder zusammen. Dieses Mal schubse ich ihn auch nicht in Rage. Wer weiß, vielleicht hat er sich schon lange wieder eingekriegt." sagte er optimistisch. Ich presste meine Lippen aufeinander und zuckte mit den Achseln, glaube daran konnte ich nicht. „Woran denkst du? Hast du Angst, dass er eine neue hat?" fragte Mats mich verwundert. Es schien so, als hätte er da noch nicht drüber nachgedacht, als wäre meine Angst total absurd. Ich holte gerade aus, um ihm zu antworten, da klingelte mein Smartphone neben mir auf. Verwirrt warf ich einen Blick auf das Display. "Wer schriebt?" fragte Mats neugierig. "Mama hat gerade geschrieben, dass Marco bei uns war." murmelte ich. Mir wurde ganz Flau im Magen. War es endlich soweit, dass er sich etwas eingekriegt hatte und auch mal einen Schritt auf mich zu machte oder wollte er nur Öl ins Feier gießen? Ich und mein Herz hofften auf ersteres. Toll, und ich war nicht Zuhause. Mats und ich schauten uns an und mussten daraufhin irgendwie lachen: "Das musste ja so sein, dass du gerade dann hier bist." grinste er. Ich nickte zustimmend: "Wieder alles richtig gemacht." jaulte ich ironisch auf und fuhr mir ein wenig verzweifelt über das Gesicht. "Dann kommt er mit Sicherheit später in Brackel auf dich zu, Bella." wiederholte Mats sich nun, nur mit viel größerer Sicherheit in seiner Stimme als zuvor. Das baute mich ungemein auf. Es kam mir plötzlich so absehbar vor, unser Streit. Ich ärgerte mich ungemein, nicht Zuhause gewesen zu sein. Auf der anderen Seite hatte ich große Angst, dass er gar nicht kam wegen unseres Streits. Vielleicht wollte er mir auch nur meine Schlüssel geben, die ich vergessen hatte oder mich fragen was ich gestern bei ihm wollte. Bei ihm? Bei uns meinte ich natürlich. In mir herrschte mittlerweile ein enormer Ausnahmezustand. Ich wollte, dass dieser endlich ein Ende fand und musste jetzt darauf hoffen, dass Marco unsere Ehe genauso wichtig war wie mir. Bis jetzt hatte ich da nie Zweifel gehabt, deshalb sollte ich einfach auf unsere Liebe vertrauen und hoffen, dass dieses Hindernis das letzte war, das wir in unserer Ehe überwinden mussten. Wahrscheinlich ein Wunschgedanke.

OptimistinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt